27.04.2018, 21:00
Innerlich verdrehte der 21-Jährige scherzhaft die Augen. Ach ja, richtig. Männer waren ja alle gleich – dafür war er der beste Beweis. Erneut widersprach er ihr nicht. Schließlich stand ihre Meinung diesbezüglich schon längst fest. Vermutlich schon weit länger, als sie sich jetzt kannten und nichts, was er sagte, würde daran etwas ändern. Noch dazu hatte Lucien überhaupt keinen Grund, sich die Mühe zu machen. Immerhin störte ihn ihre Einschätzung nicht. Früh genug würde sie eines Besseren belehrt werden und abgesehen von der Tatsache, dass Shanaya ihn hoffnungslos unterschätzte – was ihn auch nicht weiter quälte – war sie ihm auf ganz andere Art und Weise irgendwie symphatisch. Abgesehen von der rein körperlichen Ebene... In ihr steckte eine gewaltige Portion Selbstbewusstsein, die Selbstzweifel gar nicht erst zuließ. Demzufolge zeigte sie auch keine Angst. Davor, zu sagen, was ihr in den Sinn kam; zu provozieren, um zu testen. Das war ihm tausend Mal lieber als jemand, der jedes seiner Worte auf die Goldwaage legte, um möglichst kein Gemüt zu erhitzen. Deshalb empfand er sie als so erfrischend. Und zumindest in einem hatte sie mit ihrem Glauben daran, unwiderstehlich zu sein, ja auch vollkommen Recht: Er war interessiert.
Mit einem vergnügten Blitzen in den grünen Augen sah er zu Shanaya zurück und auf seinen Lippen zeigte sich ein belustigtes Grinsen.
"Hm, gefällt mir, wenn du so versaute Sachen sagst." Als wäre an speziell diesem dreckigen Geheimnis tatsächlich irgendetwas schlüpfriges. Doch der kleine Scherz versetzte ihn erneut in gelassene Hochstimmung. Und was den Rest anging: Dazu schwieg er wohlwissentlich.
Der Dunkelhaarige wandte sich der Treppe zu, als auch Shanaya Anstalten machte, den Rückweg anzutreten. Doch als seine Begleiterin erneut das Wort ergriff, zögerte er kurz, als wolle er auf ihre Anstiftversuche tatsächlich eingehen, zuckte dann aber gelassen mit den Schultern und warf ihr einen vielsagend-amüsierten Blick zu.
"Wir werden uns die nächsten Tage bestimmt öfter sehen. Dann können wir deiner Vermutung gern nachgehen..." Ein kurzes, schalkhaftes Zwinkern begleitete seine Worte, ehe seine Züge zwar vergnügt, aber doch ernster wurden. "Ich könnte jetzt zwar noch mehr essen, aber was nicht sein soll... und ich habe unseren Attentäter lange genug warten lassen."
Für einen Moment fragte Lucien sich, was die beiden Männer, die sie an Deck zurück gelassen hatten, gerade wohl taten. Ob sie schweigend jeder für sich irgendeiner Tätigkeit nachgingen? Liam machte einen deutlich geselligeren Eindruck, als sein ehemaliger Zellengenosse. Einen wirklichen Draht für ein Gespräch mit letzterem zu finden könnte sich allerdings durchaus schwierig gestalten, soviel hatte der junge Mann selbst schon erfahren. Ein plötzlicher Gedanke dazu ließ ihn schmunzeln und der Schwarzhaarigen einen kurzen Seitenblick zuwerfen. Aus seiner Stimme hörte man das Grinsen deutlich heraus.
"Ich hoffe, er hat in der Zwischenzeit niemanden umgebracht."
Dieses Mal ließ er ihr den Vortritt nicht – und nahm mit federnden Schritten die Stufen nach oben.