31.07.2023, 17:20
I'm on fire and you're the one holding the match
04.07.1822
I'm on fire and you're the one holding the match
Abend des 04. Juli 1822
Lucien Dravean & Shanaya Árashi
Shanaya hatte sich das Stück Süßholz, das sie immer in ihrer Tasche mit sich herum trug, zwischen die Zähne gesteckt und kaute nachdenklich darauf herum. Die Tasche lag neben dem Tisch an dem sie saß, zusammen mit ihren Stiefeln, die blauen Augen blickten konzentriert auf das Stück Papier, das vor ihr auf dem Tisch lag. Sie hatte sich, nachdem sie diese Karte ‚erworben‘ hatte, nicht direkt darauf gestürzt. Damit hatte die junge Frau sich Zeit gelassen, hatte sowohl mit Talin als auch mit Lucien gesprochen, dass sie sich dafür in die Kajüte setzen würde, um nicht von irgendwelchen Fragen und Generve überhäuft zu werden. Und jetzt saß sie an besagtem Tisch, ein Bein angewinkelt und an den Körper gezogen, mit dem anderen Fuß lehnte sie sich gegen die Tischkante. Die Arme verschränkte ließ sie die hellen Augen immer wieder über die Karte wandern, beinahe jedes Sandkorn betrachtete sie einzeln. „Es grenzt an ein Wunder, dass ich bis zu ‚Liams‘ Eiskarte noch nie von diesen Karten gehört habe.“ Sie sprach ruhig, ein bisschen zu sich selbst, vielleicht aber auch zu Lucien, der ihr in diesem Moment Gesellschaft leistete. Nachdenklich tippte Shanaya mit einem Finger auf ihrem Oberarm herum, drehte das Süßholz ein wenig mit der Zunge hin und her. „Ich frage mich , was ich alles tun muss, um an die anderen Karten zu kommen… irgendwer verteidigt so eine Karte bestimmt mit seinem Leben.“ Damit hob sie, mit einem amüsierten Kichern, kurz den Blick zu ihrem Captain.
Ein kleines Schmunzeln schlich sich ob der Betonung von Liams Namen im auf seine Lippen. Klang irgendwie danach, als zweifelte sie an besagter Zugehörigkeit. Und so, wie er sie kannte, ging sie davon aus, dass Liam mehr eine Art Zwischenbesitzer sein würde, ehe die mysteriöse Eiskarte, über die er in Mîlui gestolpert war, den Weg in Shanayas Hände fand. Gnädigerweise gestattete sie dem Lockenkopf zumindest bisher, das Pergament in seiner Obhut zu belassen. Lucien stützte sich, der Navigatorin gegenüber, mit den Händen auf die Tischplatte und nahm diese zweite, ebenso mysteriöse Karte nun selbst in Augenschein. „Die viel wichtigere Frage ist doch… wie kriegen wir raus, wo die anderen Karten sind?“ Er hob den Blick, richtete die Grünen Augen auf seine Navigatorin. „Die Kartenlady sagte, es gibt sieben davon, richtig? Für jede Welt eine. War vielleicht nur Zufall, dass sich diese beiden gerade hier befanden. Die anderen fünf könnten sonstwo sein. Und wenn du vorher noch nie von ihnen gehört hast, könnte es schwierig werden, überhaupt Hinweise auf die anderen zu finden.“ Er streckte die Linke aus, sammelte ein paar Sandkörner mit den Fingern auf und ließ sie aus etwa einer Unterarmlänge Höhe wieder auf das Pergament rieseln. Fasziniert beobachtete er, wie die Körnchen zurück an ihre Plätze huschten, als wiese ein Luftsog ihnen den Weg. „Ob das wohl mit jeder Art von Sand geht? Oder muss es ausgerechnet dieser hier sein?“, sinnierte er vor sich hin.
Mit einem leisen, nachdenklichen Brummen zupfte Shanaya das Tuch, das sie um ihren Oberkörper gewickelt hatte, etwas nach oben. Zwischenzeitlich hatte sie überlegt, sich auch diesen Stoffes zu entledigen, aber aus gewissen Gründen bedeckte der rote Stoff nach wie vor das Nötigste. „Wenn ich weiß, wonach ich suche, ist das nicht das Problem, denke ich…“ Ihr Lächeln wurde einen Hauch breiter, die Vorfreude funkelte in den blauen Augen der jungen Frau. „Ich muss mich also durch die nächsten Bibliotheken wühlen.“ Und wer wusste schon, auf was sie da noch so treffen würde? „Und ich freue mich schon auf die ersten Jammerer, die meinen, mir erzählen zu müssen, dass ich mir keine Hoffnungen machen brauch, weil die Karten ja seit…“ Shanaya breitete die Arme aus „...Äonen verschollen sind und niemand, der noch lebt, sie jemals zu Gesicht bekommen hat.“ Als ob sie sich davon jemals aufhalten lassen würde. Damit nahm sie das Süßholz aus dem Mund, beobachtete, wie Lucien sich mit dem Sand befasste. „Gute Frage. Das ist am nächsten Strand einen Test wert.“ Nun tippte die Schwarzhaarige zwei Mal mit dem kleinen Ästchen gegen die Tischkante, ehe sie sich in einer fließenden Bewegung erhob, kurz beide Arme in die Luft streckte und sich dann über die Karte beugte, eine grüblerische Miene aufgesetzt. „Ich bin gespannt, was für Orte diese Karten zeigen, sicher nicht irgendein verschlafenes Dorf, in dem nichts spannenderes passiert als der übliche Klatsch und Tratsch irgendwelcher unzufriedener Hausfrauen.“
Lucien strich sich den letzten Rest an ihm klebender Sandkörner mit einer beiläufigen Geste von den Fingern und sah wieder zu Shanaya auf. Flüchtig zog die Bewegung, mit der sie das Tuch um ihre Brüste zurecht zog seine Aufmerksamkeit auf sich, war aber im Augenblick nicht mehr als einen angetanen Gedanken wert. Tatsächlich faszinierte ihn das Rätsel um die Karte - diese und auch die Liams - momentan noch mehr, als die Aussicht auf ein kleines Stelldichein.
„Na, immerhin von mir, Talin und Liam wirst du etwas in der Richtung wahrscheinlich nicht zu hören bekommen.“ Ein Schmunzeln zuckte um seine Lippen und während die Navigatorin sich erhob, richtete auch er sich auf, um unter der Karte mit den Inseln aus Sand eine andere, allerdings gänzlich unspektakuläre hervor zu ziehen, die mit angemessenem Detailreichtum die Erste Welt darstellte und an der sie die letzten Wochen und Monate ihre Route geplant hatten. „Und da du inzwischen nicht die einzige bist, die in irgendwelchen eingestaubten Büchern nach Antworten suchen will…“ Er tippte auf die Inselgruppe im Norden, oberhalb von Asanu. „Ist unser nächstes Ziel dann wohl das Herzogtum Chelyia. Vielleicht wirst du da fündig…“ Wobei er bezweifelte, dass das hier eine einfach Suche werden würde. Soweit er wusste, waren die Bibliotheken von Cheliya gewaltig und sie würden nicht ewig dort vor Anker gehen…
Sein Blick kehrte zu der Sandkarte zurück und er hob halb fragend halb amüsiert eine Braue, als er wieder zu Shanaya aufsah. „Ich kenne mich damit nicht aus, aber… ist es nicht vielleicht einfach nur eine Karte der Dritten Welt?“
Mit einem vielsagenden Schritt machte Shanaya einen kleinen Schritt zur Seite, trat ans Ende des Tisches und griff nach einem Krug, der dort stand, um sich zwei kleine Schlücke zu genehmigen. „Wahrscheinlich? Ich wäre am Boden zerstört, wenn einer von euch mir damit in den Ohren liegen würde.“ Vielsagend grinste sie dem Dunkelhaarigen entgegen, trat dann an die Seite ihres Captains, über das leichte Zögern hinaus, das sich damit in ihr ausbreitete, und richtete die blauen Augen wieder auf die Karten, auf ihr nächstes Ziel. Sie nickte ruhig, lachte dann leise auf. „Und wenn ich da nicht das finde, was ich suche, kenne ich auf Yvenes ein Haus, in dem haufenweise Bücher herum liegen.“ Sie warf Lucien einen vielsagenden Blick zu. „Aber Ceallagh ist auch eingespannt, wohl wissend, dass keine der Karten in seinen Besitz übergehen würde.Und Liam hat gar keine andere Wahl. Und immerhin bin ich dann beschäftigt und kann keinen Unsinn anstellen.“ Mit der Nase in irgendwelchen alten Büchern kam sie vielleicht nicht so oft auf irgendwelche absurden Ideen. Die Schwarzhaarige nahm noch einen Schluck aus dem Krug. „Lass mir meine Fantasie, wieso sie mehr Inseln als auf anderen Karten zeigt. Ich glaube nicht, dass irgendjemand sich bei so einer Karte Inseln ausdenkt, wie ich es tue.“ Kurz noch ließ sie die Augen auf den Karten ruhen, ehe sie sich zu Lucien herum wandte und munter grinste. „Wir sind da oben aber ziemlich nah an Gefilden, bei denen ich mir habe sagen lassen, dass jemand da sehr unglücklich sein wird.“ Nun wog sich ihr Kopf ein wenig zur Seite, während ein vollkommen unschuldiger Ausdruck auf ihren Zügen lag. „Vielleicht sollte sich jemand vorher noch einen dicken Mantel kaufen.“ Kurz blickte sie an sich herab, zuckte dann mit den Schultern. „Und mit diesem Anblick ist dann auch nichts mehr. Nachher frieren mir die Brüste ab.“
„Ach Shanaya, mach dir doch nichts vor. Du wirst die übrigen Karten nie finden. Nicht in diesem Leben!“, erwiderte er fast beiläufig - und ein bisschen zu prompt, als das man ihm die Worte hätte abnehmen können. Der Unterton in seiner Stimme verriet, dass er sie lediglich ein bisschen aufzog. Gut gelaunt beobachtete er, wie sie sich am Wasserkrug bediente und im Anschluss zu ihm hinüber kam. „Ceallagh ist also auch mit von der Partie? Soso.“ Trotz der Frage wirkte seine Stimme plötzlich distanzierter, das Lächeln auf seinen Lippen erreichte seine Augen nicht mehr. Doch er entschied sich, das Thema zu übergehen, indem er mit einem Schmunzeln anfügte: „Und ins Haus einer vermutlich angesehenen Händlerfamilie von Yvenes einzusteigen und dort Bücher zu klauen, hältst du für ‚keinen Unsinn anstellen‘?“ Belustigung hatte den Ton von gerade eben vertrieben und nun wandte sich Lucien der jungen Navigatorin gänzlich zu, ließ nur eine Hand beiläufig auf dem Kartentisch ruhen. Nur für einen Moment verzog er auf ihre Worte das Gesicht, ließ damit erahnen, wie wenig er dem Gedanken an die kühlen nördlichen Herzogtümer - geschweige denn die Kälte der Zweiten Welt - abgewinnen konnte. Und ‚kalt‘ war bei ihm schon alles unter den 20 Grad der brancionischen Regenzeit. Denn so etwas wie Winter kannten die südöstlichsten Inseln nicht. Doch angesichts des Blickes, den Shanaya auf ihre Brüste lenkte, schob er das ehrliche Unbehagen darüber in den Hintergrund und widmete sich dem deutlich angenehmeren Teil des Gesprächs. Ohne lange darüber nachzudenken, legte er einen Arm um die Taille der Schwarzhaarigen und zog sie an sich heran, bis besagte Brüste sich gegen seinen Oberkörper drückten und er das Gesicht in ihre Halsbeuge schmiegen konnte, wo die Wärme ihrer Haut ihn zu einem Kuss mit recht unzweifelhaften Absichten verlockte. So viel also zu ‚die Karten waren spannender‘. Aber wie sollte er sich auch darauf konzentrieren, wenn so ziemlich alles an ihr die pure Verlockung war? Und sie damit auch noch näher kam… „Sag mir jederzeit Bescheid, wenn deine Brüste ein bisschen Wärme nötig haben“, erwiderte er ohne jedes Gefühl für Anstand und küsste sich einen Weg hinauf zu ihrem Ohr. Seit sie sich darauf verständigt hatten, wie weit er in ihrer Beziehung zu gehen bereit war, hatte er deutlich keinerlei Skrupel mehr, ihr wieder nahe zu sein. „Dann kannst du gern unter meinen Mantel kommen.“ Ein anzügliches Grinsen lag in seiner Stimme, das auch nicht verschwand, als er doch noch mal auf die Karten zu sprechen kam. Um zumindest den Schein zu wahren. „Und vielleicht ist die Karte nur detailreicher als alle anderen.“
Kaum, hatte Lucien zu Ende gesprochen, griff Shanaya in ihre unsichtbare Tasche, kramte und fischte schließlich ebenso wenig sichtbare Stift und Zettel hervor. „Den Keks verprügeln. Oft.“ Mit einem Nicken schrieb sie diese Worte mit Luft auf steckte die Utensilien dann auch wieder weg, ehe sie sich mit einem vielsagenden Grinsen Lucien zu wandte. Als sie mit dem Krug in der Hand dennoch zu ihm trat, hob sie mit seiner veränderten Stimme leicht eine Augenbraue, ihr lag eine Frage auf der Zunge, die die Schwarzhaarige vorerst herunter schluckte, da ihr Gegenüber schon weiter sprach und ihr mit seinen Worten ein hoch amüsiertes Lachen entlockte. „Es ist doch kein Diebstahl, wenn das alles… quasi mir gehört.“ Immerhin gehörte ein ganzer Haufen der Bücher wirklich ihr, nur hatte sie nicht alles bei ihrer Flucht mitschleppen können. Über die nicht vorhandene Begeisterung im Blick ihres Captains, was das kalte Wetter anging, schmunzelte die Schwarzhaarige nur. Bis dahin würde sicher noch etwas Zeit vergehen.
Und mit seiner nächsten Bewegung, die sie näher zu ihm brachte, war sie so oder so genug abgelenkt. Der Kuss an ihrem Hals ließ ihre Hand, die noch immer den Krug festhielt, leicht verkrampfen. Himmel, es war viel zu verlockend und zu einfach, dem nachzugeben. Sie schloss also einen Moment die blauen Augen, atmete tief durch und lachte dann über die Worte des Dunkelhaarigen. „Darauf werde ich bestimmt zurück kommen, wenn es so weit ist.“ So nah an ihrem Ohr war seine Stimme noch verlockender, nagte an dem Widerstand, den sie gerade versuchte aufzubauen. Als Lucien jedoch die Karten ansprach, nickte die Schwarzhaarige nur leicht, hob dann den Krug an, antwortete jedoch bevor sie ihn an die Lippen setzte. „Das gilt es herauszufinden. Sag’ also Bescheid, wenn du hiermit fertig bist.“ Sie deutete mit der freien Hand, die sie bewusst bei sich behalten hatte, an ihnen herunter, wog dabei den Kopf mit einem Grinsen etwas zur Seite und trank dann einen Schluck. „Ich habe noch einiges zu tun.“
Lucien deutete nichts an ihrem Verhalten als Ablehnung, auch wenn er durchaus spürte, dass sie dieses Mal nicht gleich nachzugeben gedachte. Sie wich ihm nicht aus. Und er ahnte, dass sie gerade hin und her gerissen war - wenn er auch nicht wusste, warum, und ihren Zwiespalt eher auf die Karten schob, denen sie sich genauso gerne widmen wollte, wie sonst ihm. Dass er dieses Mal den Kürzeren zog, war wirklich bedauerlich. Aber aufgeschoben war ja nicht aufgehoben. „Ist ja nicht so, als könntest du das jetzt herausfinden. Wir könnten uns die Zeit also durchaus anders vertreiben“, schnurrte er ihr ins Ohr. Dann kniff er ihr frech in die Seite, um ihr mitzuteilen, was er von ihrem Korb hielt, und trat mit einem Lachen in den tiefgrünen Augen einen Schritt zurück, um ihr in Anschluss einen ebenso anzüglichen Klaps auf den Hintern zu verpassen. „Also schön.“ Er wandte sich wieder dem Tisch zu, stützte sich mit beiden Armen auf der Tischplatte ab und warf der Navigatorin einen Seitenblick zu, in dem noch immer sanfte Belustigung blitzte. „Und wie gedenkst du, herauszufinden, was es mit diesen unbekannten Inseln auf sich hat? Willst du mich jetzt dazu überreden, in die Dritte Welt zu segeln und jede einzelne zu überprüfen, wenn dir die Bücher keine zufriedenstellende Antwort geben?“
Shanaya grinste einfach nur munter vor sich hin, auch wenn es ihr noch immer schwer fiel, die Hand nach dem Dunkelhaarigen auszustrecken und seinem Angebot nachzugeben. Aber dieses eine Mal blieb sie standhaft, lachte erneut, als Lucien versuchte, noch etwas rum zu reißen. „Aber vielleicht hätte ich jetzt in diesem Moment einen Gedanken, den ich nie wieder haben werde, der mir irgendein Geheimnis verrät!“ Sie wollte gerade mahnend einen Finger erheben, während Lucien sie mit seinem Atem an ihrem Ohr, und dem Kribbeln an ihrem Hals, immernoch in Versuchung führte. Er ließ sie dennoch los, sodass die junge Frau erneut tief durchatmeten wollte, mit beiden Berührungen des Dunkelhaarigen darin unterbrochen wurde. Sie hieb spielerisch nach seiner Hand und warf ihm einen ebenso gekünstelten, vorwurfsvollen Blick zu. Seinen Blick erwidert die Dunkelhaarige mit einem Schmunzeln, trat dann wieder auf die andere Seite des Tisches, während sie antwortete. „Doch nicht bevor ich in das Haus einer aufstrebenden Handelsfamilie eingestiegen bin.“ Sie lachte, ließ sich damit auf den Stuhl sinken und zog die Beine in einen Schneidersitz. „Und wenn die Bücher mir nicht antworten, finde ich andere Mittel und Wege. Wir haben zwei Karten in der ersten Welt gefunden – wer sagt, dass nicht noch mehr hier sind?“ Shanaya nahm einen kleinen Schluck aus ihrem Krug, den sie anschließend grübelnd hin und her schwenkte. „Ich bin also felsenfest davon überzeugt, dass ich irgendwelche Informationen heraus finden werde. Und wenn ich jeden Stein, dem ich begegne umdrehen muss.“
„Du könntest ihn dir ja aufschreiben, so wie diese andere imaginäre Notiz gerade“, konterte Lucien gespielt schnippisch, während um seine Mundwinkel ein Schmunzeln zuckte. Er hätte schon ein ziemlich fragiles Ego haben müssen, wenn ihm ihre Abweisung jetzt den Humor verdorben hätte. Glücklicherweise war er sich der Anziehung zwischen ihnen allerdings ziemlich sicher und auch der Tatsache, dass die Schwarzhaarige früher oder später eben doch die Finger nicht von ihm lassen konnte. Das mochte anders herum ganz ähnlich sein, nur dass er die Finger schlicht nicht von ihr lassen wollte. Doch für den Moment widmeten sie sich wieder den Karten. Und ihrem Plan, auch die übrigen magischen Pergamente in die Finger zu kriegen. „Schön, schön. Also erst nach Cheliya, die Bibliotheken durchstöbern, dann nach Yvenes, das heimische Domizil plündern… und dann? Weiter ohne bestimmtes Ziel und Gerüchten nachjagen?“ Man hätte meinen können, er müsse bei dieser ausgesprochen wagen Aussicht skeptischer klingen. Aber tatsächlich gefiel ihm die Idee. Immerhin hatte niemand von ihnen ein wirkliches Ziel. Es ging keinem von ihnen darum, Schiffe zu überfallen und Städte zu plündern. Sondern einfach darum, ein Leben zu führen, das niemand ihnen vorschrieb. Also warum nicht einfach wahllos durch die Welten segeln? „Was ist mit der anderen Karte, die du der Lady geklaut hast? Also die, die ihr scheinbar genauso wichtig gewesen ist, wie unsere Sandkarte hier? Irgendeine Idee, wo das sein soll?“
Luciens Worte ließen das Lächeln der jungen Frau deutlich breiter werden. Tja, erwischt. „Ach, weißt du, in dieses Notizbuch kommen nur die WIRKLICH wichtigen Dinge. Zur Information… du wirst des Öfteren Mal verprügelt. Wenn du also mit einem blauen Auge aufwachst…“ Die Schwarzhaarige wog den Kopf zur Seite, grinste dem Mann schelmisch entgegen. Verdient hätte er es auf jeden Fall!
Luciens Zusammenfassung ließ die Dunkelhaarige leicht nicken, ein begeistertes Funkeln in den blauen Augen. „Das macht den Reiz doch aus, oder nicht? Nicht zu wissen, wo man als nächstes landet.“ Und das passte auch zu der nächsten Frage des Captains, die Shanaya leise, verneinend brummen ließ. „Irgendein verschollener Ort, ich weiß weder in welcher Welt, ob er wirklich existiert hat… oder jemand sich nur einen Spaß erlaubt hat.“ Mit der rechten Hand für die Schwarzhaarige sich durch die Haare, lächelte dann aber wieder. „Hätte deine Brutaloschwester die arme, aaarme alte Frau nicht ko geschlagen, hätte ich sicher noch etwas darüber heraus gefunden…“ Jetzt lehnte sie sich wieder zurück gegen die Lehne, zog ein Bein an und stellte den Fuß auf der Sitzfläche ab. „Aber dann muss ich mich eben auf zwei Dinge konzentrieren. Vielleicht findet sich ja neben Weltenkarten noch etwas über eine… ‘Karte zu einem Ort, der nicht gefunden werden will’ – Karte.“ Kurz noch huschten ihre Augen über die Karte und den Sand, ehe sie sich daran machte, beides wieder zu verstauen, akribisch darauf achtend, nicht einen Sandkorn zu verlieren. Dann rollte sie die Karte zusammen, legte sie auf dem Tisch ab und zog die zweite Karte aus dem Zylinder. „Aber was sind schon 500 Jahre? Wer auch immer sich damit beschäftigt hat, hatte eben nicht mein Auge für Details.“ Selbstzufrieden grinsend rollte sie das Stück Papier aus. „Und ich finde, die Erste zu sein, die einen Ort nach 500 Jahren betritt, klingt sehr verlockend.“
Lucien, der bis eben damit begonnen hatte, ihre nächste Route auf der Karte der Ersten Welt nachzuziehen, hob den Blick und sah Shanaya mit einem gespielt empörten Ausdruck auf den Zügen an. „Womit habe ich das denn verdient?!?“ Ganz im Ernst, er verhielt sich ihr gegenüber wie das reinste Unschuldslamm! Je nach dem, wie man Schuld an dieser Stelle definierte.
Mit einem spöttischen Blick in ihre Richtung stieß er sich vom Schreibtisch ab, wandte sich der Vitrine neben der Tür zu, in der unter anderem die edlen kristallenen Weinkelche lagerten, die Talin bei ihrem letzten Landgang hatte mitgehen lassen, und holte eine Flasche Portwein aus dem unteren Teil des Schranks. Den Korken mit den Zähnen lösend warf er der Navigatorin einen Blick über die Schulter zu und gab ein undeutliches „Hm“ von sich, das genauso skeptisch klang, wie ihr Brummen. Sie kramte die zweite Karte hervor, entrollte sie auf dem Tisch und Lucien genehmigte sich während dessen einen Schluck Wein. Nur, als die Sprache für einen Augenblick auf Talin kam, verkrampfte Lucien kurz - vielleicht sollte er den Alkohol besser weglassen… - schwieg zu diesem Teil der Geschichte und tarnte den gedanklichen Entgleiser mit einem leisen Schnauben. „Naja, 500 Jahre… das ist lange bevor die Geschichtsschreibung der Ersten Welt beginnt, oder? Lange vor den ersten Königen.“ Hatte Ceallagh nicht irgendwann mal etwas dergleichen erzählt? Wie auch immer. „Vielleicht gibt es diese Insel schon gar nicht mehr, auf der dieser Ort zu finden ist. Ein Vulkanausbruch, ein Seemonster, irgendsowas…“ Er schüttelte kurz den Kopf. „Na jedenfalls… dafür sollten wir definitiv nach Cheliya. Und Geschichtsbücher wälzen. Ceallagh hilft dir bestimmt.“ Oder irgendjemand sonst, der mit Buchstaben weniger Probleme hatte, als er selbst.
Lucien spielte den Unschuldigen, wo sie beide genau wussten, dass er vieles war – aber kein Unschuldslamm. Ihm galt also ein vielsagender Blick, weiter ging die junge Frau jedoch nicht darauf ein. Nur kurz folgten ihre Augen seinen Bewegungen, weil sie im ersten Moment glaubte, er würde zu ihr herüber gehen. Aber er holte sich nur Alkohol – das war in Ordnung. Sie kümmerte sich also um die Karte, tippte dann mit einem Finger auf ihrem noch immer angewinkelten Knie herum. Auf die Bemerkung über Talin ging ihr Captain nicht ein, was Shanaya leicht eine Augenbraue heben ließ, weiter ging sie jedoch nicht darauf ein, da sie den Blick auch nicht zu dem Dunkelhaarigen herum gewandt hatte. Erst, als er mit der Flasche wieder in ihr Blickfeld trat, hob sie den blauen Blick zu ihm und nickte auf die Frage hin, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Das könnte alles und nichts sein. Aber ich verwette meinen Hintern darauf, dass es irgendwo jemanden gibt, der sich damit auskennt. Wir müssen ihn eben nur finden.“ Dessen war sie sich vollkommen sicher. „Liam sucht gezwungenermaßen mit. Er hatte quasi gar keine andere Chance.“ Wobei der Lockenkopf damit vermutlich weniger ein Problem hatte. Nach diesen Worten breitete Shanaya die Arme breit aus, grinste voller Begeisterung über das ganze Gesicht. „Und dann finden wir den größten Schatz, der jemals versteckt wurde! Und haufenweise andere Karten zu genau solchen Orten!“ Denn an einem Ort, der 500 Jahre lang nicht betreten worden war… vielleicht konnten sie sich nicht einmal ausmalen, was sie dort erwarten würde.