21.04.2016, 20:36
Mit ruhigen Bewegungen, die ihrer inneren Nervosität lüge strafte, spielte Talin mit ein paar Strähnen ihres Haares herum. Ihr Blick huschte von einer Ecke des Raumes zur anderen, ließ kein noch so unbedeutend wirkendes Detail aus. So entging ihr nicht die Unruhe und Unzufriedenheit ihrer beiden Begleiter, die sich wohl beide mehr erhofften, als nur zu warten. Sie selbst spürte auch eine gewisse Enttäuschung, doch ihr fiel auch ebenso auf, dass ihnen in der Taverne nicht nur Desinteresse entgegen schlug. Das mochte zum einen an der sich auf dem Tisch räkelnden Shanaya liegen, aber auch an den Gerüchten, die gut gestreut in der Stadt verteilt worden waren. Sie spürte die neugierigen Blicke, die über die Betrunkenen in ihre Richtung geworfen worden. Diese Männer würden niemals bei ihr anheuern, aber sie waren hier um zu beobachten, wer es denn wagen würde, eine Frau als Captain zu akzeptieren. Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Diese Männer waren der einzige Grund, warum sie hier nicht nervös, aufgeregt und rastlos auf und ab lief. Sie wollte ihnen nicht zeigen, dass sie an dem Gelingen dieser Aktion zweifelte könnte. Es würde sich schon eine Chance ergeben, daran glaubte sie fest. Sonst hätte sie vorhin, kurz nachdem Shanaya und Aspen ihr die beschaffenen Informationen gebracht hatten, nicht sofort einen Botenvogel losgeschickt, um ihre eigenen Kontakte über das Erfahrene zu unterrichten. Nun brauchte sie nur noch ein funktionierendes Schiff und eine Crew, die eben jenes fahren konnte. Wenn doch wenigstens einer kommen würde, um sie von dieser Langeweile zu befreien!
Der Arm, der an ihr vorbei griff, lenkte sie wieder ins Hier und Jetzt. Und um sich abzulenken, konzentrierte sie sich auf ihre beiden Begleiter. Während sie mit der einen Hand nach ihrem Rum griff und die andere ihre Haare los ließ schüttelte sie den Kopf über die beiden. Sie waren wie Tag und Nacht, so viel war ihr schon aufgefallen.
„Könntet ihr wenigstens heute Abend so tun, als ob ihr an einem Strang ziehen würdet? Wenn sich schon die Werbenden die ganze Zeit aufziehen, was sollen die anderen denken?“
Gut, vielleicht klang in dieser genervten und scharfen Ansage ihre eigene Angespanntheit mit. Mit einem tiefen Seufzer wischte sie mit der freien Hand durch die Luft und trank im gleichen Moment einen großen Schluck aus ihrem Krug. Dann warf sie Shanaya einen milderen Blick zu und kicherte leise.
„Ich gebe Aspen in diesem Falle recht, du siehst aus wie eine Dirne, die diese Nacht noch keinen Freier hatte.“ Dann wandte sie sich auch schon dem Blonden zu. „Und was ist mit dir? Du wirkst unzufrieden. Schmeckt dir das Bier nicht? Passt es dir nicht hier zu sein?“
Langweilte er sich genau so, wie sie? Nein, das konnte sie einfach nicht fragen. Damit würde sie nur zugeben, wie unsicher sie sich fühlte. Aber sie wurde im nächsten Moment auch von diesen Gedanken befreit, als plötzlich auf ihrem Tisch ein Fellknäuel landete. Talin blinzelte einige Male und erst jetzt drangen die Geräusche in der Taverne wieder an ihr Ohr. Anscheinend wäre ihr in all der Aufregung über ihre eigenen Gedanken und ihre beiden Mitstreiter eine grandiose Kneipenschlägerei entgangen. Oh, welch wunderbare Abwechslung. Doch noch bannte das Tier auf dem Tisch ihre Aufmerksamkeit und nicht die Männer, die sich prügelten. Und schon im nächsten Augenblick wurde ihre Sicht durch jemand Neuem versperrt. Es war ein wenig traurig sich einzugestehen, dass damit der aller erste, der wirklich zu ihnen kam, nur derjenige war, der sein Haustier wieder einfangen wollte. Auf seine Frage hin lächelte sie kurz und machte eine einladende Handbewegung. Ob man ihn vielleicht überreden konnte Pirat zu werden? Sein Leben den Abenteuern, der Freiheit und der Gefahr zu widmen? Nun ja, sie konnte es probieren. Wenn der Empfänger nicht zum Brief kam, dann musste eben der Brief zum Empfänger kommen. Oder so ähnlich. Damit besah sie sich den Neuankömmling genauer und schenkte ihm ein noch freundlicheres Lächeln.
„Ein ungewöhnliches Haustier. Vor allem in einer Kneipe wie dieser.“
Vorsichtig streckte sie die freie Hand aus, in der anderen immer noch ihren Krug mit Rum. Sie überließ es dem Tier, ob sie es anfassen durfte oder nicht.