Inselwelten
Kapitel 1 - Prolog - Druckversion

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Kapitel 1 - Prolog - Weltenwind - 19.04.2016

Ein Hauch von Vorsehung ...
Eine dichte Wolkendecke verhängt den Himmel über Tokara, der kleinen Hafenstadt am nördlichen Zipfel Asanus. Noch geht nur ein leichter Regen auf das Land nieder, doch das Wetter so nahe am Meer ist unberechenbar. Das zwielichtige Volk, das die Stadt bekanntermaßen bewohnt, meidet heute die dunklen Gassen und sucht Schutz unter den Dächern der Wohn- und Wirtshäuser. Nur wenige Gestalten treiben sich noch draußen herum und diejenigen, die es tun, tragen leise die immer gleichen Worte von Ohr zu Ohr. Meuterei. Meuterei auf der Sphinx.

Wie ein Lauffeuer geht das Gerücht durch die Stadt. Vor allem in den Kneipen am Hafen wird getuschelt. Die Sphinx hat einen neuen Captain, eine junge Frau – ja, wirklich. Sie und ein paar andere haben den dicken Captain Rondo umgebracht und suchen jetzt nach einer neuen Crew.

Fast drei Wochen sind inzwischen vergangen, seit Talin, Shanaya und einige andere tatsächlich die Kontrolle über den schlanken Dreimaster übernommen haben, der nun im Hafen Tokaras vor Anker liegt. Jetzt gibt es keinen Grund mehr, Männerkleidung zu tragen, Intrigen zu spinnen, jedenfalls nicht für die beiden. Vertrauen ist jedoch ein kostbares Gut in der Ersten Welt und sollte daher wohlverdient und nicht leichtfertig verschenkt werden. Selbst die beiden Frauen sind sich der Loyalität der jeweils anderen noch nicht völlig sicher, trotz der Ereignisse, die hinter ihnen liegen. Dennoch gilt es nun, an einem Strang zu ziehen. Hier, am Anfang ihrer Reise...
Eine Frau als Captain kennt die Schifffahrt kaum und noch weniger gestandene Seemänner scheinen einen solchen Umstand akzeptieren zu wollen. Diejenigen der ehemaligen Crew, die während der Meuterei zu den Waffen griffen, um sich der revoltierenden Weiber zu entledigen, zahlten mit ihrem Leben dafür. Alle anderen wurden vor die Wahl gestellt, Talin als neuem Captain zu folgen, oder aber die Sphinx zu verlassen, kaum dass die Taue am Kai festgemacht wurden. Nicht viele blieben. Nicht genug, um den Dreimaster wieder auf See zu bringen. Einzig Aspen, ein junger Mann, der ebenso wie Shanaya auf Yvenes an Bord kam und sich bei der Meuterei im Hintergrund hielt, scheint die beiden Frauen weiterhin begleiten zu wollen. Ihnen bleibt also nichts anderes übrig, als neue Männer anzuheuern und wo könnte man das besser, als in Tokara?

Die Nacht bricht herein und die drei Weggefährten hat es an einen Tisch am Fenster eines gut besuchten Wirtshauses verschlagen. Seit kaum zwei Tagen liegt die Sphinx im Hafen und alle drei wissen, dass sie nur darauf warten müssen, bis die Gerüchte ihre Wirkung tun und die ersten Neugierigen anlocken. Doch besonders Talin brennt die Ungeduld unter den Nägeln. Das Schiff gehört nun ihr – ein gewaltiger Schritt in die richtige Richtung, hin zu ihrem Ziel. Doch die Sphinx ist in schlechter Verfassung, vom letzten Sturm und nachlässiger Pflege viel zu mitgenommen. Das Segeltuch kaum zur Weiterfahrt tauglich. Nicht genug Männer, um den Kahn wieder klar zu machen oder ihn zu bewegen. Noch dazu hat sie wenig Anhaltspunkte, die ihr auf ihrer Suche nach dem verschollenen Bruder helfen könnten.
Nur einen Lichtblick gab es, als Shanaya und Aspen vor wenigen Stunden von einem Rundgang durch die Stadt zurück kehrten und erzählten, was sie in Erfahrung hatten bringen können: Sollte Lucien also noch am Leben sein, dann befindet er sich vermutlich in der Gewalt der Marine. Noch Anfang des Jahres wurden gerüchteweise etlichen Schmugglern und Dieben auf Asanu der Prozess gemacht und in nicht allzu ferner Zukunft würde ihr Weg die armen Hunde in das Gefängnis von Esmacil führen. Oder an den Strick, je nach dem.
Doch ob sich der Gesuchte darunter befindet, weiß bisher keiner der drei. Es ist nur eine Vermutung, eine Möglichkeit, die einzige Spur.



05. März 1822
18 °C, leichter Regen, bewölkt
67% Luftfeuchtigkeit
etwa 3 Std nach Sonnenuntergang
Shortfacts
# Schauplatz: Tokara - Piratenstadt; eine Bucht am nördlichen Zipfel Asanus
# Die Sphinx ging vor zwei Tagen im Hafen vor Anker
# Talin, Shanaya und Aspen befinden sich in einer Taverne im Hafenviertel
# Lucien und Skadi sind nicht anspielbar



RE: Kapitel 1 - Prolog - Shanaya Árashi - 19.04.2016

Macht hoch die Tür, das Tor macht weit
Es kommt die Braut voll Herrlichkeit
Sie hat gehurt, sie hat geklaut
Streut Blumen für des Henkers Braut!


Und endlich war er da. Noch vor wenigen Wochen hatte Shanaya überlegt, wie lange es dauern würde, bis sie IHR Leben leben konnte. Fern von den Mauern, die sie schon immer eingeschränkt hatten. Weit weg von diesen ganzen Gestalten, die glaubten sie konnten bestimmen, was sie mit ihrem Leben anfing. Zu gerne wäre sie ihnen nun vor der Nase herum getanzt, nachdem sie wieder einmal bewiesen hatte, dass ihre Welt sich so drehte, wie sie wollte. Sie hatten sich all die Jahre umsonst die Zähne ausgebissen. Und jetzt, heute und hier, war nur ein weiterer Tag, der deutlich machte, dass niemand ihr etwas konnte. Dass sie alles schaffte, wenn sie nur wollte. Und egal, was für Fische und Idioten hier für ihre Crew auftauchen würden – sie hätte sich am liebsten selbst auf die Schulter geklopft, dass sie nun hier war. Daran würde auch niemand etwas ändern, der da noch kommen würde.
Es war nicht schwer zu übersehen, wie gut die Laune der jungen Frau war. Eine Zeit lang hatte sie tiefenentspannt bei Aspen und Talin gesessen, hatte der Blonden von dem erzählt, was sie heraus gefunden hatten. Auch wenn Aspen ihren Plan vielleicht ein wenig durchkreuzt hatte und sie ohne ihn ein wenig mehr herausgefunden hätte. Anni. Bitte. Aber gut, vielleicht konnten sie irgendetwas mit diesen Informationen anfangen, ansonsten konnte sie dem Blonden sicher irgendwie selbst etwas vermiesen. Aber all diese Gedanken schob die Schwarzhaarige recht schnell wieder in die letzte Ecke ihres Kopfes, sie war viel zu aufgeregt, um sich wirklich nur über eine Sache Gedanken zu machen. Irgendwann war sie also aufgesprungen, ihr Weg hatte sie direkt von den zwei Blonden weg  geführt, jedoch nicht wirklich weit. Die Neugierde ließ sich einfach nicht unterdrücken, also hatte sie sich ein wenig in der Schenke umgesehen, ein paar der Anwesenden beobachtet und sich überlegt, ob sie vielleicht wegen ihr hier waren. Also nicht direkt wegen ihr, aber wegen ihnen. Aber sich auf sie zu stürzen und sie zu überreden, mit ihnen auf die Sphinx zu gehen wäre vermutlich keine gute Idee. Auch wenn sie dieser Gedanke noch ein wenig breiter lächeln ließ, wenn das überhaupt möglich war. Zu diesem Zeitpunkt war noch kein bekanntes Gesicht hier, ihre Konzentration kehrte also recht schnell zu dem Platz am Fenster zurück. Aber bevor sie den Rückweg anschlug, ging sie noch an der Theke vorbei, griff nach einer der kleinen Schalen die da stand, warf dem Wirt bei seinem skeptischen Blick nur ein charmantes Lächeln zu und schob sich mit einer ruhigen Bewegung zwei Nüsse in den Mund, auf denen sie fröhlich herum kauend zurück zu den beiden Blonden ging.
Es dauerte nicht lang, bis sie also auf dem Tisch saß, die Füße ein wenig vor und zurück schwingen lassend. Die Schale stand sicher auf ihrem Schoß, während sie sich leicht zurück gelehnt hatte, mit einer Hand auf der festen Holzplatte. Ihre Hand fand immer wieder zu den Nüssen, während sie die Schenkentür kaum aus den Augen ließ.

Es ist verdammt schwer zu sagen, wen von denen man sich in seine Crew wünschen würde.“

Eine weitere Nuss landete im Mund der jungen Frau.

Manche sehen so aus, als wüssten sie nicht einmal ihre Namen.“

Die blauen Augen wanderten aufmerksam durch den Raum, während sie diese Worte möglichst leise anhängte. Sie kannte die ultimative Dummheit aus der eigenen Familie – und manche von den hier Anwesenden sahen... genau danach aus. Aber da diese auch mit teilweise mit dem Kopf auf dem Tisch lagen, glaubte sie nicht, dass sie zu ihnen finden würden.

Vielleicht sollte Aspen nackt auf dem Tisch tanzen um Leute anzulocken?“

Shanaya schob sich eine weitere Nuss in den Mund, kaute munter darauf herum und warf dem Blonden einen vielsagenden Blick zu. Vermutlich würde das eine Großzahl eher abschrecken, die Spreu vom Weizen trennen. Immerhin hätten sie dann eine Crew, die etwas abkonnte. Oder eben einen Haufen verstörter.

Obwohl... ich glaube, es ist besser, wenn du bekleidet bleibst.“

Die Schwarzhaarige zuckte kurz mit den Schultern, schnippte dann gegen eine der blonden Locken Talins, einfach weil sie die Hände nicht still halten konnte. Sie war wirklich ein wenig nervös, das musste man erstmal schaffen! Aber sie war einfach zu gespannt, wer, wie viele, wann und überhaupt. Und wirklich gespannt war sie, ob der Mann mit den Kühen, Gänsen und Schweinen hier auftauchen würde. Sie war sich sicher, sie hatte ihn überzeugt, aber es gab immer wieder die, die dann doch kniffen, wenn es ernst wurde. Es blieb also spannend. Und so ließ die Schwarzhaarige sich langsam zurück fallen, bis sie auf dem Tisch lag und an die Decke blicken konnte – hob dabei eine Hand zu der Schale, um sich eine weitere Nuss zu gönnen. Dann sackte ihr Arm zur Seite, blieb ausgestreckt liegen.

Vielleicht hätten wir sie mit Blumenketten begrüßen sollen. Und Musik. Für Essen ist gesorgt, ich bin für alles bereit!“

Damit hob sie die andere Hand ein wenig an, streckte die geballte Faust in die Luft, während auf den Lippen noch immer das breite Grinsen lag, auch wenn man das nun nicht mehr wirklich sehen konnte.



RE: Kapitel 1 - Prolog - Aspen Montrose † - 20.04.2016

Schwerfällig zog Aspen die Beine vom Tisch, um eines unter seinen Körper zu ziehen. So langsam wurde das lange Sitzen unbequem, daran konnte auch der Krug Bier vor ihm auf dem Tisch nichts ändern. Auch wenn er sich das Gegenteil erhofft hatte, war es doch so, dass er einen kleinen Ansturm erwartet hatte: Unzählige betrunkene und verkaterte Männer, die sich darum rissen und wie kleine Kinder zankten in die Crew aufgenommen zu werden. Nunja, wenn er sich hier umsah, musste er schon zugeben, dass das Kliente seinen Erwartungen entsprach. In dieser Kneipe gab es weder anständige Männer, noch Frauen. Abgesehen von ihnen Drein. Oder Zweien, wenn der kleine Rabe sich weiterhin auf dem Tisch rekeln wollte. Ohne aus dem Takt zu kommen, ließ er das lose Bein wippen. Er hatte noch nie in seinem Leben auf etwas warten müssen. Warum also jetzt?

„Wenn du dich weiterhin so anbietest, brauch ich mich nicht ausziehen.“, brummte er mit zusammengekniffenen Augenbrauen zu Shanaya, sichtlich entnervt davon untätig herum zu sitzen. „Vielleicht können wir mit dem Geld deiner Freier eine Crew einkaufen.“

Nein, die ganze Situation war ihm wirklich zuwider. Er war nur hier um ein Auge auf die beiden Mädchen zu werfen und potenzielle Randalen fernzuhalten, denen es nicht gefiel, dass eine Frau nun eine Crew anführen sollte. Da sich allerdings in der letzten halben Stunde noch niemand überhaupt irgendwie für sie interessierte, schien seine Anwesenheit vollkommen überflüssig zu sein. Aspen wäre lieber dem Kerl gefolgt, von dem sie ihre Informationen erhalten hatten, anstatt hier untätig herum zu sitzen und... zu warten. Und genau das ließ sich auch aus seiner Stimme heraus hören: Er wollte keine Scherze, sondern endlich jemand vernünftiges finden. Er wollte aus dem verqualmten Raum heraus und die Tage an Land genießen, anstatt hier drin an einer Rauchvergiftung zu sterben.
Mürrisch lehnte er sich nach vorne, nahm den Blick vom kleinem Raben hinunter auf den Krug und umschloss ihn mit einer Hand. Mit der Anderen langte er über Talin zwischen ihnen hin zu der Schale mit Erdnüssen und griff sich ein paar davon.

„Es sei denn du frisst noch weiter, als hätten wir Wochen lang nichts zwischen die Zähne bekommen. Dann will dich niemand mehr.“, versuchte er sich an einem zynischen Kommentar, auch wenn dieser eher halbherzig klang. Nunja, fast niemand mehr. „Abgesehen von den potenziellen Bewerbern, die wir nicht an Bord haben wollen.“

Gott, Aspen wusste ja selbst nicht, warum er so unzufrieden mit der Situation war. Er hatte sich wirklich darauf gefreut wieder an Land zu kommen, etwas Richtiges zu essen und die alte Crew los zu werden. Jetzt wo sich all seine Wünsche erfüllten, wollte er nichts lieber als zurück auf die Sphinx und das Weite suchen. Weg von stinkenden Kerlen, überfüllten Straßen und dem fischigen Geruch nach Hafen. Mit zuvor bereits mahlendem Kiefer warf er sich die Nüsse in den Mund und versuchte den Gedanken daran zu ignorieren, wessen Hände bereits zuvor in der Schale gewesen waren. Er redete sich selbst gerne ein, dass er hier nur weg wollte um nicht erkannt zu werden. Ja, wirklich. Daran lag es. Deswegen war er so mürrisch. Wer würde denn auch schon denken, dass er - gerade er! - sich erhofft hatte in dieser Taverne wirklich eine Crew zu finden? Die Sphinx, der kleine Rabe und Talins Probleme gingen ihn schließlich nichts an. Sie hatten ihn eigentlich nichts anzugehen.



RE: Kapitel 1 - Prolog - Liam Casey - 21.04.2016

Mit ein paar gekonnten Strichen rundete er die schattierte Trinkernase des verschlagenen Mannes auf seiner Zeichnung ab. Vor etwa einer halben Stunde noch hatte sich eben dieser Mann, der auf seinem Blatt fast schon friedlich auf dem Tresen schlummerte, eine grundlose Schlägerei mit einem anderen Mann geliefert, ohne dass es einen wirklichen Auslöser gegeben hatte. Vielleicht hatte eben diesem Mann die rundliche Trinkernase nicht gefallen, die Liam so liebevoll auf Papier gebracht hatte, dass man es fast als Phantomzeichnung hätte nutzen können; oder ihm hatte der leicht schielende Blick missfallen, mit dem der Schlafende durch die Taverne gespäht hatte, als würde ihm jemand nach dem Leben trachten. Vielleicht hatte ihn aber auch nur der üble Geruch und die undeutliche Sprache nicht gefallen, mit der ihn Trinkernase angepöbelt hatte, als er an ihm vorbeigelaufen war – was auch immer es gewesen war, den Rest der Taverne hatte es unterhalten und Liam hatte es geholfen, der Gestalt auf seiner Zeichnung ein wenig mehr Charakter zu verpassen, wodurch eine durchaus große Ähnlichkeit zu dem Mann bestand, den er abgezeichnet hatte. Dieser hatte den massigen, hartkantigen Kopf inzwischen auf dem Tresen abgelegt. In seinem Gesicht konnte man noch sehen, dass er vor kurzem die Begegnung mit einer Faust gemacht hatte, aber auch alles andere an ihm machte den Eindruck, als wären solche Situationen in seinem stinkigen Leben nicht gerade selten.

Nach dem Aufruhr, der geherrscht hatte, traute sich erst jetzt wieder eine kleine Nase aus seiner Jacke hervor und schnupperte sichtlich unbegeistert in die stickige Tavernenluft. Liam strich ihr sanft mit einem Finger über den Kopf, ohne sie anzusehen und griff dann nach seinem Rum. Indes schob sich die Ginsterkatze wieder nach draußen und kletterte elegant von seinem Schoß auf eben jenen Tresen. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie dem Geruch von Rum auch an diesem Abend nichts abgewinnen konnte, als sie am Humpen schnupperte und sich schließlich umdrehte, um fast schon vorwurfsvoll zu ihrem Begleiter aufzusehen. Dabei kitzelte ihre Rute allerdings Trinkernase, der davon nicht ganz so begeistert war und grunzend wieder zu Bewusstsein kam. Ungehalten hob er die massige, schmutzige Hand und holte aus, um das, was ihn geweckt hatte, einer passenden Strafe zuzuführen – bereute es im nächsten Moment aber auch schon, als eine fauchende Katze ihre Krallen mit voller Wucht in seiner Hand versenkte und darauf aufgebracht vom Tisch sprang. Liam rückte vorsichtshalber ein Stück nach hinten, nippte dann unschuldig an seinem Bier und tat so, als würde ihm das Treiben neben ihm gar nicht auffallen und ihn noch weniger betreffen. Trinkernase hatte sich inzwischen maulend und fluchend erhoben und war – ganz offensichtlich – fest entschlossen, besagte 'Ratte' zu erwischen und ihr den Gar auszumachen. Liam seufzte, ehe er sich umdrehte und Ausschau nach Sineca hielt, die sich gewitzt unter und über die Tische schlängelte und offenbar Gefallen daran fand, als sie bemerkte, dass Trinkernase ihr eher nur unbeholfen und taumelnd folgen konnte. Jeder, den er dabei streifte, schubste ihn aufgebracht zurück in den Raum und mischte sich maulend in die Stimmkulisse mit ein. Schnell war Sineca vergessen und am Tresen schien die nächste Schlägerei fast greifbar.

Die Ginsterkatze hatte sich kurz auf einem Tisch mit drei Personen positioniert und spähte aufmerksam in die Richtung, in der ihr Verfolger nun abermals ausholte und einen weiteren Mann verfehlte, der ihn festhalten wollte. Liam leerte mit einem kräftigen Zug den Rest seines Rums, um sich dann ebenfalls aus der Schusslinie zu begeben. Die Ginsterkatze hatte er längst erspäht und bewegte sich am Rand des Raumes recht zielstrebig auf den Tisch zu, den sie sich ausgesucht hatte. Die verwirrten Gesichter konnte er nur zu gut verstehen.

„Ich darf kurz?“, grinste er in die Runde aus zwei Frauen und einem Mann und beugte sich nach vorne, um sich Sineca zu angeln, die ihm zwar einen kurzen Blick zugeworfen hatte, nun aber doch viel lieber die Schlägerei begutachtete, in die sich immer mehr Männer einmischten. Demonstrativ war sie einen Schritt nach vorne gegangen, um seinem Griff zu entgehen, ihre Rute war aufmerksam peitschend in die Höhe gereckt.


RE: Kapitel 1 - Prolog - Talin Dravean - 21.04.2016

Mit ruhigen Bewegungen, die ihrer inneren Nervosität lüge strafte, spielte Talin mit ein paar Strähnen ihres Haares herum. Ihr Blick huschte von einer Ecke des Raumes zur anderen, ließ kein noch so unbedeutend wirkendes Detail aus. So entging ihr nicht die Unruhe und Unzufriedenheit ihrer beiden Begleiter, die sich wohl beide mehr erhofften, als nur zu warten. Sie selbst spürte auch eine gewisse Enttäuschung, doch ihr fiel auch ebenso auf, dass ihnen in der Taverne nicht nur Desinteresse entgegen schlug. Das mochte zum einen an der sich auf dem Tisch räkelnden Shanaya liegen, aber auch an den Gerüchten, die gut gestreut in der Stadt verteilt worden waren. Sie spürte die neugierigen Blicke, die über die Betrunkenen in ihre Richtung geworfen worden. Diese Männer würden niemals bei ihr anheuern, aber sie waren hier um zu beobachten, wer es denn wagen würde, eine Frau als Captain zu akzeptieren. Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Diese Männer waren der einzige Grund, warum sie hier nicht nervös, aufgeregt und rastlos auf und ab lief. Sie wollte ihnen nicht zeigen, dass sie an dem Gelingen dieser Aktion zweifelte könnte. Es würde sich schon eine Chance ergeben, daran glaubte sie fest. Sonst hätte sie vorhin, kurz nachdem Shanaya und Aspen ihr die beschaffenen Informationen gebracht hatten, nicht sofort einen Botenvogel losgeschickt, um ihre eigenen Kontakte über das Erfahrene zu unterrichten. Nun brauchte sie nur noch ein funktionierendes Schiff und eine Crew, die eben jenes fahren konnte. Wenn doch wenigstens einer kommen würde, um sie von dieser Langeweile zu befreien!
Der Arm, der an ihr vorbei griff, lenkte sie wieder ins Hier und Jetzt. Und um sich abzulenken, konzentrierte sie sich auf ihre beiden Begleiter. Während sie mit der einen Hand nach ihrem Rum griff und die andere ihre Haare los ließ schüttelte sie den Kopf über die beiden. Sie waren wie Tag und Nacht, so viel war ihr schon aufgefallen.

„Könntet ihr wenigstens heute Abend so tun, als ob ihr an einem Strang ziehen würdet? Wenn sich schon die Werbenden die ganze Zeit aufziehen, was sollen die anderen denken?“


Gut, vielleicht klang in dieser genervten und scharfen Ansage ihre eigene Angespanntheit mit. Mit einem tiefen Seufzer wischte sie mit der freien Hand durch die Luft und trank im gleichen Moment einen großen Schluck aus ihrem Krug. Dann warf sie Shanaya einen milderen Blick zu und kicherte leise.

„Ich gebe Aspen in diesem Falle recht, du siehst aus wie eine Dirne, die diese Nacht noch keinen Freier hatte.“  Dann wandte sie sich auch schon dem Blonden zu. „Und was ist mit dir? Du wirkst unzufrieden. Schmeckt dir das Bier nicht? Passt es dir nicht hier zu sein?“

Langweilte er sich genau so, wie sie? Nein, das konnte sie einfach nicht fragen. Damit würde sie nur zugeben, wie unsicher sie sich fühlte. Aber sie wurde im nächsten Moment auch von diesen Gedanken befreit, als plötzlich auf ihrem Tisch ein Fellknäuel landete. Talin blinzelte einige Male und erst jetzt drangen die Geräusche in der Taverne wieder an ihr Ohr. Anscheinend wäre ihr in all der Aufregung über ihre eigenen Gedanken und ihre beiden Mitstreiter eine grandiose Kneipenschlägerei entgangen. Oh, welch wunderbare Abwechslung. Doch noch bannte das Tier auf dem Tisch ihre Aufmerksamkeit und nicht die Männer, die sich prügelten. Und schon im nächsten Augenblick wurde ihre Sicht durch jemand Neuem versperrt. Es war ein wenig traurig sich einzugestehen, dass damit der aller erste, der wirklich zu ihnen kam, nur derjenige war, der sein Haustier wieder einfangen wollte. Auf seine Frage hin lächelte sie kurz und machte eine einladende Handbewegung. Ob man ihn vielleicht überreden konnte Pirat zu werden? Sein Leben den Abenteuern, der Freiheit und der Gefahr zu widmen? Nun ja, sie konnte es probieren. Wenn der Empfänger nicht zum Brief kam, dann musste eben der Brief zum Empfänger kommen. Oder so ähnlich. Damit besah sie sich den Neuankömmling genauer und schenkte ihm ein noch freundlicheres Lächeln.

„Ein ungewöhnliches Haustier. Vor allem in einer Kneipe wie dieser.“

Vorsichtig streckte sie die freie Hand aus, in der anderen immer noch ihren Krug mit Rum. Sie überließ es dem Tier, ob sie es anfassen durfte oder nicht.



RE: Kapitel 1 - Prolog - Shanaya Árashi - 22.04.2016

Shanaya hielt den Blick an die Decke gewandt, reckte sich nur für einige Momente, um durch das Fenster nach draußen den Regen zu beobachten. Vielleicht hätten sie draußen warten sollen? Der Regen hätte dieses ganze Pack verjagt. Nicht, dass sie den Charme dieses Ortes nicht wertschätze – herrgott, wenn man sie gelassen hätte, hätte sie ihre Jugend eher an solch einem Ort verbracht als hinter diesen kalten Steinmauern. Das war viel mehr ihre Welt, auch wenn sie sicher nicht an den einzelnen schnüffeln wollte, irgendwo hatte alles seine Grenzen. Aber dieser rauchige Geruch erinnerte sie nur noch einmal daran, dass ihr Weg begonnen hatte. Und er in die Richtung ging, in die SIE wollte. Ihre Welt drehte sich um sie – und bisher schloss der Rest sich an. Nun sagte Aspen etwas und Shanaya hob auch die zweite Faust in die Luft. Mit beiden wedelte sie ein bisschen durch die Luft, als spiele sie auf einer Trommel.

Ich weiß nicht, was ich jetzt amüsanter finden soll. Dass du dich pikierst, dich auszuziehen, oder dass du mich anscheinend so anziehend findest, dass du denkst, ich könnte dafür sorgen, dass wir uns ein paar Leute kaufen können. Nicht, dass ich dir da widersprechen würde...“

Sie amüsierte sich einfach über beides, warf dem Blonden damit ein Grinsen zu und lachte dann über Talins Worte, die sich nun auch einmischte.

Hey, wir schmieden Pläne, wie wir mit mir eine Crew einkaufen. Ich finde, das grenzt schon an 'Zusammen an einem Strang ziehen'. Vielleicht an einem, den wir Aspen um den Hals legen – aber das können wir auch noch verschieben.“

Nun ließ die Schwarzhaarige die Arme sinken, griff nach einer Nuss, die sie zwischen die Zähne schob, jedoch noch nicht darauf herum kaute. Sie störte sich jedenfalls nicht an Talins Ton, nahm es so hin und schloss einen Moment die blauen Augen. Sie spürte, wie die Schale auf ihrem Schoß sich leicht bewegte, drehte daraufhin den Kopf zu Aspen und warf ihm – mit nur einem geöffneten Auge – einen vielsagenden Blick zu. Die Blonde stimmte den Worten des Mannes zu, was Shanaya gespielt entrüstet seufzen ließ.

Ihr zwei seid da ja seeehr erfahren zu sein, den Unterschied zwischen Langeweile und einer 'Dirne' zu erkennen...“

Wenn man Mal außen vor ließ, dass das mit das letzte war, was die Schwarzhaarige tun würde. Damit erhob sie sich leicht, lehnte nun mit den Ellenbogen auf der Holzplatte und blinzelte kurz zu den Frauen in der Schenke, die sich an die liebe Männerschaft heran machten. Dabei gab es so... ehrenhafte Wege an Geld zu kommen! Die Ironie, dass gerade sie so etwas dachte belustigte sie nur, aber die Belustigung wurde von einem lauten Auflachen vertrieben, das auf Aspens nächste Worte folgte.

Du meinst, als dicke Hure wäre ich nicht so erfolgreich? Dabei gäbe es dann... noch mehr von mir. Ein bisschen mehr für jeden.“

So fern es ihr möglich war zuckte die junge Frau mit den Schultern, wurde dann aber von dem Tumult abgelenkt, der beinahe zu spüren war. Sie konnte nicht sagen, dass sie das vermisst hatte – immerhin hatte man sie auf der Heimatinsel immer von solchen Orten fern gehalten – aber mit jeder neuen Erfahrung verspürte die Schwarzhaarige, nie wieder etwas anderes zu tun. Und kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, tauchte plötzlich etwas neben ihr auf. Etwas sehr kleines, das sicher nicht die Gerüchte gehört hatte, dass hier eine Crew gesucht wurde. Ohne, dass Shanaya noch groß nachdachte glitt ihre Hand in die Schale, griff nach einer Nuss, mit der sie die Hand ausstreckte, das Wesen sachte anstupste und ihm die Nuss hin hielt. Aber zu dem Tier gehörte noch jemand, ein Mann der sich ein wenig an sie heran schlich, mit einem Grinsen in die Richtung ihrer kleinen Gruppe nach dem Tier griff, das jedoch ein wenig floh. Und direkt warf Talin die Angel aus, während die blauen Augen nur für einen Herzschlag auf dem Fremden lagen, ehe sie das fellige Ding noch einmal anstubste, sich still fragte – und sich eigentlich sicher war – ob Talin hier wirklich die Angel auswarf.



RE: Kapitel 1 - Prolog - Aspen Montrose † - 23.04.2016

Eigentlich hatte Aspen dem kleinen Raben nur einen mürrischen Blick zuwerfen wollen: Einen Blick von der Sorte, die mehr ausdrücken würde als einhundert Worte. Doch zu seiner eigenen Überraschung musste er eher schmunzeln. Ja, irgendwie zogen sie doch tatsächlich an einem Strang, wie es Talin ausdrückte. Nur leider klang der Schwanenhals nicht ganz so amüsiert, wie Aspen sich gerade fühlte. Mit einem tiefen Seufzen lehnte er sich zurück an die Lehne, strich sich beinahe schon in einer selbstaufweckenden Geste durch die Haare und nickte einmal bestätigend, nur um seine Nachbarin zu deuten. Siehst du? Ich habe recht., schien er Shanaya damit andeuten zu wollen und zugleich all ihre Proteste zu widerlegen. Da konnte die Dunkelhaarige noch so viel drum herum reden! Aber zumindest vertrieb es ihnen allen die Zeit, die eindeutig zu langsam um ging.

„Nein, passt es mir nicht.“, antwortete er Talin und ließ  nun, im Takt zum Fuß, die Finger auf die Tischplatte trommeln. „Ich will so gut wie keinen von denen auch nur einen Tag lang in meiner Nähe haben. Da hätten wir auch die alte Crew behalten können.“ Wir, haha.

Ja, wenn er wirklich mit der bestehenden Crew hätte mitreisen müssen, wäre er hier auf Nie-mehr-Wiedersehen verschwunden. Das hier war die wohl beste und einzige Chance zumindest ein kleines Mitspracherecht aufweisen zu können, wer unter die Kategorie „angenehm“ oder „zum kotzen“ fiel. Und als müsste die Tavernenkundschaft seine Worte noch unterstreichen, begann sich just in diesem Moment eine tumultartige Welle vom Tresen hinüber zu ziehen. Jetzt gab es auch noch eine Schlägerei? Verdammt, er hätte wirklich auf sein Bauchgefühl hören und einfach an Deck bleiben sollen. Da hätte er sinnvollere Beschäftigungen gefunden! Zack, da war das Schmunzeln so gleich wieder versiegt. Schade eigentlich. Wenn er nicht gerade auf Menschenfang war, hatte er eigentlich immer seinen Spaß daran solch ein Theater zu beobachten.

„Da kannst du das 'bisschen mehr' gleich anbieten. Wenn die fertig sind...“

Doch den Satz beendete Aspen nicht, konnte er nicht, denn binnen weniger Sekunden war aus der Keilerei eine wilde Menge geworden die viel zu plötzlich eine winzige Ratte auf ihren Tisch spuckte. Zuerst fassungslos, dann angewidert und später skeptisch starrte er das Tier an, das viel zu nah an den Erdnüssen saß und direkt von Shanaya begrabelt wurde. Der theatralische letzte Schrei bevor das Tier auf sie losgehen würde lag ihm schon auf den Lippen, als der Pelz sich eher neugierig als angriffslustig gab. So viel zum Thema Ungeziefer. Mit erhobenen Brauen nahm Aspen seinen Krug vom Tisch und stellte ihn auf dem angewinkeltem Knie ab, um einen Sicherheitsabstand zu dem potenziellen Mantelkragen zu schaffen.
Als sich kurz danach ein weiterer Besucher zu ihnen gesellte, sah Aspen erst auf, als der Schwanenhals neben ihm diesen direkt ansprach. Ach, Katz und Mensch gehörten zusammen? Fragend erhoben sich die tiefen Augenbrauen noch ein Stück, während seine Augen den Kauz vor sich abschätzten. Nein, der fiel definitiv nicht in ihr Beuteschema: er war viel zu unauffällig um als Pirat durchzugehen. Ein hartes Urteil wenn man bedachte, dass der Montrose selbst nicht wie einer wirkte. Da allerdings auch keine Gefahr von ihm ausging, begnügte sich Aspen damit einen weiteren Schluck von dem schalen Bier in seiner Hand zu nehmen. Es gab immer zwei Sorten von Mensch: die die Pelz um ihren Hals trugen und die, die ihn liebevoll verzogen. Welche Art ihm lieber war ließ er lieber unausgesprochen. Er war schließlich nur als Wachhündchen hier.



RE: Kapitel 1 - Prolog - Greo - 25.04.2016

Es war kalt. Kaum zwanzig Grad. Für manche Menschen mochte das mild sein, für Greo muteten diese Temperaturen Winternächten an. Nicht, dass ihm das unangenehm war, aber der Gedanke beschäftigte ihn eine Weile und ließ ihn grübelnd den ausgestorbenen Strandabschnitt mustern, an dem er sich befand. Er war weit von zu Hause weg.
Fast grimmig schürfte er eine Hand voll Sand aus dem Wasser und schrubbte damit das derbe Leder seiner Stiefel. Er hatte sich nach einem Tag voller Gelegenheitsarbeiten ein wenig zurückgezogen, um seine Kleidung und sich wieder auf Vordermann zu bringen. Er wollte keinen schlechten ersten Eindruck erwecken – wobei, vielleicht legten diese Leute auf ein entsprechend klischeebesetztes Äußeres Wert. Der Dunkelhaarige schnaubte, spülte den Schuh, den er gerade bearbeitet hatte ab, und trocknete ihn sorgfältig. Das Salz war nicht gut für das Leder, das wusste er, aber vernünftiges Süßwasser war teuer und das sparte er sich lieber für seinen Proviant. Unwillkürlich drehte er sich nach seinen wenigen Habseligkeiten um, die bereits getrocknet auf Ästen im Gebüsch herumlagen.
Was mochte ihn wohl in der Stadt erwarten?
Er war dem merkwürdigen Angebot, das ihm diese Hupfdohle am Morgen gemacht hatte, nicht abgeneigt. Es war zumindest eine Möglichkeit von der Insel wegzukommen und Greo brauchte dringend Arbeit mit halbwegs vernünftigem Lohn. Er hatte schließlich noch einiges geplant.
Als er sich aufrichtete streckte er die Arme gen Himmel, atmete tief durch und genoss für einen kurzen Augenblick das schläfrige Rauschen der Wellen, bevor er sich umdrehte, seine Siebensachen zusammensuchte, sich vollständig ankleidete und sein Bündel schulterte, um in Richtung Hafen zu schlendern. Dann begann es zu regnen.

Es war ihm seit jeher unangenehm gewesen in städtisches Nachtleben hineinzugeraten. Er war und blieb ein Landmensch, der die schlichten aber netten Leute der Einöde zu schätzen wusste. Gackernde Weiber, die zwielichtige Angebote machten oder stinkende Kerle, die nicht an ihren Bäuchen vorbei auf ihre Zehen sehen konnten, gehörten nicht gerade zu seinen Favoriten. Natürlich war ihm klar, dass nicht alle Menschen so waren und irgendwie faszinierte es ihn, dass sich so viele von ihnen an einschlägigen Orten zusammenscharrten, aber er hoffte inständig, dass diese vermeintliche Crew auch Menschen anderen Schlags vereinte.
Als er jedoch die Tavernen abklapperte, in denen er die Gruppe um den blauäugigen Schwarzschopf vermutete, wurde er einigermaßen ernüchtert. Bisher hatte er sie nicht auffinden können, und die Herrschaften, die ihn zum Bleiben eingeladen hatten, sahen ihm überwiegend nicht nach guten Chefs aus. Greo blieb skeptisch, als er vor einer weiteren Wirtschaft stehen blieb. Nach einem kurzen Zögern darüber, was ihn nun wieder erwarten würde, öffnete er die Tür. Er musste sich etwas bücken, um nicht mit dem Kopf an den Zagen anzustoßen, schaute hinein, fand sich überschlagende Menschen vor und ging sofort rücklings wieder raus.
Herrje. Stöhnend schob er sich den breitkrempigen Hut in den Nacken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und spähte mit angespannter Miene zum Dachfrist hinauf. Was war das hier für ein Ort?



RE: Kapitel 1 - Prolog - Asher Phlox - 26.04.2016

Der Regen kam ihm gerade recht und musste mal wieder dafür herhalten das lang ersehnte heiße Bad zu ersetzen. Die ausnüchternde Wirkung gehörte zu den eher unerfreulichen Aspekten. Dem ließe sich leicht abhelfen, wenn er nicht gerade die erbärmlichen Reste an Kleingeld an den Docks auf einem umgedrehten Fass verzockt hätte. Theoretisch praktisch gesehen auch noch die Taschenuhr seines Großvaters, aber wenn es eins gab, was Asher wirklich verdammt gut konnte, dann war das die Beine in die Hand zu nehmen. Und sollte ihm jemand in Tokara ernsthaft mit Ehrenschulden kommen – guter Witz, der sich mit ner gebrochenen Nase würdig beantworten ließ.

Sich jetzt in eine dunkle Ecke zu verziehen, wie ein räudiger Köter in der Gosse zu übernachten und das Ganze auszusitzen, war keine Option. Erst recht nicht mit sinkendem Alkoholpegel. Nass bis auf die Knochen und nach Luft schnappend, wie nur Raucherlungen einen dramatischen Auftritt vervollständigen konnten, kam er vor irgendeiner dreckigen Kaschemme zum Stehen. Ein paar Monate hätten reichen zu müssen, um sie alle zu kennen, aber nicht, wenn man die Hälfte der Zeit im Delirium verbrachte. Und selbst so ging ihm die Stadt aus irgendeinem Grund schon wieder mächtig auf die Nerven.  Eigentlich gab es hier alles, was er für ein Rundum-Wohlfühlpaket brauchte: billigen Rum, in ranzigem Fett gebackenes … Etwas, von dem er nicht wusste woraus es bestand, aber es schmeckte irgendwie Fleischig und war mehr als genießbar, redselige Huren … brachte alles nichts ohne das nötige Kleingeld. Davon schienen ein paar glückliche Mistkerle hier einfach zu viel zu haben. Wahrscheinlich war es Neid. Und wahrscheinlich war er bald der einzige Idiot, der noch nicht auf die Idee gekommen war auf irgendeinem schäbigen Kahn anzuheuern, um sich sein Stück vom Kuchen zu holen. Nunja, vielleicht bis auf den Kerl, der wie bestellt und nicht abgeholt vor der Taverne rumstand. Der hatte vielleicht größere Probleme. Der Gedanke war irgendwie tröstlich. Und noch viel besser, die gedämpfte Geräuschkulisse aus berstenden Stühlen und klirrendem Glas.

„Eh du … nicht, dass ich nicht gern auf Ärsche glotzen würde, aber du stehst im Weg.“

Asher packte den Fremden beherzt an der Schulter und schob sich vorbei. Der Versuch seiner Tante ihm damals beizubringen, dass man gefälligst Entschuldigung und Danke in seinen Wortschatz aufnimmt, wenn man sich in Menschenmassen bewegt und sich im Theater auf gar keinen Fall kommentarlos mit dem Hintern zu ihren Gesichtern an Leuten vorbeischiebt, egal wie verbissen man vorher gegen den Sekundenschlaf ankämpfen musste, war genauso früchtetragend gewesen wie das eckige Rad. Die ständigen Ermahnungen nicht rumzubrüllen wie ein angestochenes Schwein noch viel weniger.

„OY! Wenn ihr hier fertig seid: SCHULTERN EINRENKEN FÜR ZWEI, NÄHEN FÜR DREI GOLDMÜNZEN!“

Er zog  kurz den Kopf wieder zurück um eventuell fliegenden Bierkrügen ausweichen und setze dann beherzt nach:

„AMPUTATIONEN FÜR FÜNF!“

Man konnte schließlich nie wissen, ob irgendeinem der armen Bastarde da drin, die sich mit Sicherheit keinen richtigen Arzt leisten konnten, nicht schon seit Wochen was wegfaulte. Asher sackte draußen in den Dreck und kramte nach seinen Zigaretten. Sollten die Muskelberge ruhig zum Propheten kommen. Die offene Büchse hielt er anbietend hoch, in Richtung des verlorenen Schäfchens.

„Hast du da drin n Gespenst gesehen, Kleiner?“



RE: Kapitel 1 - Prolog - Greo - 26.04.2016

Ungerührt blieb Greo stehen und wandte den Blick nicht von dem Dach ab. Ihm war klar, dass er gemeint war. Aber anstatt bereitwillig zur Seite zu treten, schürzte er kurz die Lippen und überlegte sich, ob er überhaupt darauf antworten sollte. Er hatte doch einen schönen Hintern. Sollte der Typ da stehen bleiben und nur gucken. Allerdings blieb ihm gar nicht erst die Gelegenheit dazu die Sache auszusitzen, da wurde er schon aus der Schusslinie manövriert. Greo knurrte kurz, beließ es aber dabei, rückte das Bündel zurecht, dass er sich über die Schulter geschwungen hatte und beobachtete etwas missgelaunt, wie der Fremde sein Repertoire an Angeboten in den Raum schmiss.
Seine Mimik veränderte sich. Fast musste er schmunzeln – was war das denn für ein Vogel? – machte einen Schritt nach rechts und linste durch ein reichlich verschmutztes Fenster ins Innere der Taverne. Saßen sie wirklich nicht da drin? Zwischen den ganzen Leuten war nicht viel zu erkennen. Vielleicht sollte er sich doch noch in einem anderem Viertel der Stadt umsehen. Er kannte sich immerhin nicht gut aus, mochte sein, dass er falsch abgebogen war und hier sinnlos Zeit verspielte. Möglicherweise sollte er direkt zum Hafen und nach dem Schiff mit den roten Segeln Ausschau halten. Er hatte doch morgens die Hupfdohle dort getroffen. Da hatte sie so was erzählt… wie hieß sie noch gleich…Si… Sa… Sha… Sharon? Er hatte ein schlechtes Namensgedächtnis.
In Gedanken versunken registrierte er aus dem Augenwinkel, dass der Barbier, oder was er auch darstellen mochte, sich im Matsch häuslich einrichtete und reagierte auf die Bewegung, die ihm einen Arm entgegenstreckte. Er runzelte, die Hände in den Hosentaschen, milde interessiert die Stirn. Kleiner?
Da war wer nicht gut im Abschätzen. Greo schüttelte den Kopf, ließ ein „Danke, kein Bedarf.“ verlauten und warf noch einmal kurz einen Blick durch die blinden Scheiben.
Dann richtete er sich auf, schob sich unter den Dachfrist, um nicht so viel von dem Regen abzubekommen und begann in einer Tasche an seinem Gürtel rumzukramen.

„Es stand hinterm Tresen und hat sie angefeuert.“ , antwortete er dabei trocken und schüttelte den Beutel etwas, als ob ihm dadurch der gewünschte Gegenstand plötzlich entgegenspringen würde. Er pfriemelte ein kleines, papiernes Paket hervor und begann es aufzuwickeln. Den Blick auf den Inhalt des Päckchens gerichtet, begann er erneut zu sprechen.

„Amputationen, ja?“

Wenn er ehrlich war, interessierte es ihn eigentlich nicht. Zumal er schon auf den ersten Blick nicht sicher war, was er von dem Fatzke halten sollte. Und er hatte keine sonderliche Lust auf Stress. Nicht, dass der Kerl wahr machte und meinte ihm auch noch irgendwelche Gelenke ein- oder auszurenken. Aber er kam momentan ohnehin nicht weiter, was schadete ein kleiner Plausch?