13.04.2018, 01:17
Einen Moment biss Shanaya die Zähne fest aufeinander. In ihrem Inneren pulsierte immernoch das Verlangen, zwei, drei, zehn Schritte zurück zu treten. Aber sie bleib stehen, wo sie war. Eine Hand noch immer am Arm des Mannes, den blauen Blick fest auf seinen gerichtet. Und auch Lucien wich ihrem Blick nicht aus. Wie praktisch, dass er keine Regung auf ihren Zügen verpassen würde. Als ob sie so einfach nachgeben würde, nur wegen ein bisschen Nähe. Das brauchte er gar nicht erst denken! Die Schwarzhaarige machte sich nicht groß die Mühe zu deuten, was in seinen Augen stand. Das war viel zu einfach – und natürlich vollkommen verständlich. Was sollte ein Mann wie er auch denken, wenn eine Frau wie sie ihm so nahe war? Aber der Dunkelhaarige schwieg, was Shanayas Lächeln noch ein wenig breiter werden ließ. Hatte sie ihn mit ihrer Berührung (die sie selbst einen großen Sprung über ihren Schatten hatte vollführen lassen) so aus dem Konzept gebracht und ihn sprachlos gemacht? Das war fast zu einfach – so schätzte sie den Mann nicht ein... aber sie war eben einfach eine umwerfende Persönlichkeit. Dafür brauchte sie keinerlei Beweise mehr.
Ihr Gegenüber lachte, und auch aus Shanayas Miene wich das Grinsen nicht. Es blieb bei einer abwartenden Miene – immerhin konnte sie sich viel zu gut denken, was folgen würde... Jetzt, wo sie ihm ohne Widerstand so nahe war. Da war es doch offensichtlich. Allerdings schien Lucien wirklich für ein paar Überraschungen gut zu sein. Und in diesem Fall verpasste ihr seine Reaktion einen ziemlichen Hieb. Nicht von der schmerzhaften Sorte – nur eine leichte, kaum erwähnenswerte Überforderung. Als er sich wieder zu ihr lehnte, spannte sich der Körper der Dunkelhaarigen nur kurz an, wollte ihm damit jedoch keine Angriffsfläche bieten. Seine Stimme jagte ihr einen Schauer über den Rücken, beinahe erwartete sie, seine Lippen wieder an der selbe Stelle zu spüren. Sie bereitete sich darauf vor, legte sich für diese Situation einen Konter bereit, auf seine Worte, auf seine Taten. Nicht widersprechen. Pah. Nur, weil er sie so kurz aus dem Konzept gebracht hatte. Und nach wie vor lag ihr Fokus auf dem Essbaren – und ihr war nicht danach, ihn zu vernaschen. Also alles geordnet. Bis er plötzlich etwas völlig unerwartetes tat.
Er ließ sie los. Aus dem Nichts. Ihr Körper, der mit seiner Nähe aufgewärmt worden war, wo sie sich berührt hatten, kühlte wieder ab – und hinterließ ein Gefühl irgendwo zwischen Verwirrung und Überforderung. Was...? Sie hatte mit vielem gerechnet. Aber nicht damit. Touché. Das war ein Punkt auf Luciens Konto. Und genau das würde er wohl den Hauch einer Sekunde auf ihrem Gesicht erkennen.
„Du bist ein Mistkerl.“
Das hatte er vermutlich schon oft genug in seinem Leben gehört. Aber... wie konnte er...?! In so einer Situation?! Mit einem leisen Schnaufen legte sich dennoch wieder ein Lächeln auf die Lippen der jungen Frau. Auch wenn er sich – vermutlich mit vollem Genuss – den Zwieback gegönnt hatte, gewonnen hatte er noch nicht. Das forderte Revange! Sie hatte seinen Arm die ganze Zeit nicht los gelassen, warf nur einen kurzen Blick zu ihre Hand, ehe die hellen Augen sich wieder direkt auf das Gesicht des Mannes legten. Trotz des Lächelns auf ihren Lippen hatte ihr Blick einen enttäuschten Ausdruck angenommen. Ehrliches Bedauern spiegelte sich darin wieder, als sie einen Schritt auf den Dunkelhaarigen zu trat, die eigene Stimme nun selbst zu einem leisen, beinah verführerischen Ton senkte. Den Kopf leicht gesenkt, die Augen trotzdem zu ihm nach oben gerichtet. Und noch immer wich sie nicht vor ihm zurück.
„Aber schade... ich hatte mir ein bisschen mehr von dir erhofft.“ Sie grinste, neigte sich dann noch ein wenig mehr zu Lucien. „Aber ich erzähle niemandem von dieser Enttäuschung, versprochen.“
[Kombüse | Lucien]