25.03.2018, 21:09
Ihre Gesichter waren einander nun so nahe, dass er jede noch so kleine Facette ihrer blauen Augen sehen konnte. Ein klares, helles Blau wie der Himmel an diesem Tag, durchzogen von helleren Diamantsprenkeln und umrahmt von einem deutlichen, dunklen Ring, der die Iris vom Weiß trennte und die Farben noch kräftiger hervor hob. Ein endlos klares Blau, in dem er sich hätte verlieren können – wenn er nur gewollt hätte. So faszinierend.
Der Dunkelhaarige war ihr so nahe, dass ihm auch der düstere Schatten nicht entging, der bei seinen Worten kurz in ihren Augen aufflackerte. Ein dunkler Funke, der ihm sichtlich gefiel. Er machte sich gerade auch nicht die Mühe, das zu verbergen. Frauen mit Charakter hatte er immer schon gemocht. Frauen, die kratzten und bissen, bestenfalls in gegenseitigem Einvernehmen. Und der Ausdruck in ihren Augen deutete darauf hin, dass sie so eine Frau war.
Lucien lächelte.
"Deine Empfehlung wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen."
Ganz intuitiv senkte er die Stimme, musste schließlich nicht besonders laut sprechen. Egal, welche Reaktion jetzt kommen sollte – und er rechnete mit so ziemlich allem – auch darauf freute er sich bereits. Das kleine Spiel mit ihr reizte ihn, machte ihm regelrecht Spaß. Dass Shanaya ihn dabei so herausforderte, störte ihn nicht im geringsten. Sie testete ihn, teste, was für eine Art Mensch er war und das war für den 21-Jährigen völlig in Ordnung. Immerhin schien sie bisher nicht so oft auf Männer gestoßen zu sein, die meinten, was sie sagten.. weshalb sie ihr Spielchen wohl noch nie bis zum Ende hatte durchziehen müssen.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er ihre Bewegung, wie sie die Hand hob und sich das Stück Dörrfleisch demonstrativ ungerührt in den Mund schob. In den grünen Augen, die unverwandt auf ihren ruhten, blitzte der Schalk auf. Schade. Er hätte wirklich gern das Fleisch gekriegt. Aber es war die Sache wert, wenn er dafür ihre Reaktion bekam. Keine besonders starke, nein. Vielmehr umgab sie sich mit einer kühlen Schale. Sie wich nicht zurück – konnte sie ja auch nicht wirklich – und sie versuchte auch nicht, ihm zu entkommen. Was zumindest für ihr Selbstbewusstsein sprach. Stattdessen unterbrach sie den Blickkontakt kurz, um ihn einmal ausführlich von oben bis unten und zurück zu mustern.
Nicht überzeugt. Seine Mundwinkel zuckten amüsiert. Die ganze Zeit hatte er die grünen Augen nicht von ihr gelöst, hatte ihre Züge gemustert und tat das auch noch, als ihr Blick in einer stummen Aufforderung an seinen Lippen hängen blieb.
"Mach dir um mich mal keine Sorgen. Ich bin robuster als ich aussehe.",
gab er nun noch gedämpfter zurück, beugte sich ganz langsam zu ihr hinunter, bis er ihre Lippen mit den seinen flüchtig streifte. Doch statt sie tatsächlich zu küssen – und das Verlangen danach war unleugbar da – neigte er den Kopf leicht, lehnte sich noch ein wenig vor und brachte seinen Mund damit dicht an ihr Ohr, um ihr Worte zuzuflüstern, die nur für sie bestimmt waren.
"Aber ehrlich gesagt interessiert es mich gar nicht, ob ich dich überzeugen kann, oder nicht. Ich habe ja schon, was ich wollte."
Noch während er den letzten Satz aussprach, legte er die Finger um die Hand, in der sie das Zwieback hielt und entwand ihr das Gebäck, ehe er ihr einen flüchtigen Kuss auf jenen Flecken ihres Halses hauchte, der knapp unter ihrem Ohr lag. Im nächsten Moment wich er einen halben Schritt zurück, nur zur Sicherheit, und schenkte ihr ein verschmitztes Zwinkern.