25.03.2018, 14:58
Liam machte sich meist nichts daraus, ob das, was er erzählte, seinen Gegenüber überhaupt interessierte. Wenn man ihn fragte, antwortete er. Wenn man ihn nicht fragte, dann eben nicht. Er war es stets gewohnt gewesen, mit sich alleine (und letztlich Sineca) unterwegs zu sein und die Einstellung des einsamen Abenteurers änderte sich auch nicht, wenn er gerade seine Dienste auf einem Schiff ableistete, während es ihn zu seiner nächsten Station brachte. Nicht, weil er etwa introvertiert war oder gar Gesellschaft nicht mochte - einfach, weil er es gewohnt war und nicht den Drang verspürte, sich von seiner Art zu leben zu trennen. Deshalb auch hätte es ihn kein bisschen gestört, wenn das hier das Ende ihres 'Gespräches' gewesen wäre. Im Grund erwartete er nach dem ersten Eindruck, den dieser Todgeglaubte auch nicht, dass er sich weiter mit ihm abgab - schon die letzte Frage war eine Überraschung gewesen. Auch, wenn es für Liam nicht viel änderte, war er gespannt, wie es die nächsten Tage weitergehen würde. Wer würde sich dazu entschließen, sich der Crew anzuschließen und wer so schnell wie möglich versuchen, sich aus dem Staub zu machen? Sogesehen hatten sie alle bloß Glück gehabt, zur richtigen Zeit in Luciens Nähe eingesperrt gewesen zu sein. Es hätte genauso gut eine andere Hand voll Verbrecher treffen können, die unverhofft zurück in die Freiheit gelangt wären. Würden die, die es geschafft hatten, etwas mit ihrer neuen Chance anzufangen wissen? Aus den Augenwinkeln beobachtete er bei diesem Gedanken den Kautz, der sich zu ihnen verirrt hatte. Ein Menschenfreund schien er nicht wirklich zu sein (war ja auch sein gutes Recht), aber auch die Freude darüber, zwar gesucht, aber frei zu sein, hielt sich bei ihm ziemlich in Grenzen. Gerade, wenn man im Vergleich Talins Bruder betrachtete. Was Kaladar und Enrique anging, galten ja etwas andere Regeln, aber auch das versprach recht spannend zu werden.
Als Yaris tatsächlich wieder die Stimme erhob, nahm Liam es weder mit Freuden noch mit gegenteiligen Emotionen wahr. Er versuchte nicht, den Älteren aus der Reserve zu locken, gleichzeitig aber war er ihm auch nicht unfreundlich gesinnt, solange er es nicht provozierte wie vorhin. Entgegen seiner Erwartung war diese Frage aber sogar gar nicht mehr ganz so oberflächlich wie er ihn eingeschätzt hatte. Der Lockenkopf schmunzelte hörbar, wandte sich aber nicht mehr zu seinem Gesprächspartner herum. Dazu hatte die Natur der Insel seinen Blick gerade viel zu sehr gefangen.
"Abschaum der Gesellschaft?", wiederholte er amüsiert, ließ es aber so stehen. "Tja. Ich schätze, eine Karriere bei der Marine war mir wohl einfach nicht vorherbestimmt."
Dabei klang er gar nicht unerfreut darüber. Er hatte in keinem Moment seines Lebens darüber nachgedacht, dass es ihm dort vielleicht besser ergangen wäre - es war nie eine Option gewesen. Dazu war er Rängen zu sehr abgeneigt und gesellschaftlich wohl auch nicht der Typ Mann, der perfekt ins Bild passte.
"Versuchen wir nicht alle bloß, irgendwie zu überleben? Die Art und Weise wählen wir selbst und so wenig, wie du in der Position bist, über meine Wahl zu urteilen, geht es mir wohl auch mit deiner Wahl." Er drehte den Kopf leicht über die Schulter, konnte Yaris in seinem Rücken aber dennoch nicht sehen. Seiner Stimme nach war seine Aussage aber recht eindeutig als ein 'Mir ist es egal, was du tust oder getan hast' zu verstehen. "Zumindest handhabe ich die Dinge so. Ich kann nicht für den Rest der Crew sprechen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du bei den meisten schon mal punkten kannst, wenn du ihnen ein bisschen Respekt entgegenbringst und zumindest so tust, als hätten wir dir einen Gefallen getan, statt so zu wirken, als hätten wir dein Leid auf Erden verlängert."
Liam klang viel zu gut gelaunt, als dass es kein Scherz gewesen wäre. Er war nicht unbedingt empathisch und der Eindruck, dass Yaris lieber seinem Schicksal erlegen wäre, mehr seiner stillen, in sich gekehrten Art zu verdanken als irgendeiner Vorahnung, die er hatte. Ins Blaue geraten sozusagen, während er den ehemaligen Gefangenen ein wenig aufzog - im Guten verstand sich. Vielleicht ließ er sich ja doch etwas aus der Reserve locken. Wenn nicht, auch gut.