19.03.2018, 21:10
Schleimbeutel. Das war ihr erster Gedanke, als der Braunhaarige – Farley, wie er sich vorstellte und sie sich dann wieder erinnerte – demütig die Hände hob. Irgendwie wollte sich in ihrem Kopf die Geste, die er zeigte, nicht mit dem verbinden, wie sie ihn sah. Aber vielleicht schätzte sie ihn auch völlig falsch ein und sollte lieber auf das vertrauen was sie sah und nicht das, was sie glaubte.
Talin runzelte leicht die Stirn, quittierte seine halbe Entschuldigung aber mit einem Nicken. Erst bei Gregorys Kommentar entspannte sie sich wieder etwas und schmunzelte sogar über seinen Spruch. Ja, sie kannte auch solche Menschen, die einen mit Messern oder Fäusten begrüßten, wenn jemand ungebeten eindrang. Sie gehörte natürlich nicht dazu. Die Eindringlinge ernteten dann nur immer finstere Blicke von ihr. So wie Farley, den sie jetzt endlich wieder erkannte. Es verunsicherte sie etwas, dass sie ihn nicht sofort hatte einordnen können. Klar, als Ausrede konnte sie den ganzen Stress in letzter Zeit vorbringen und die Tatsache, dass sie eher bei Lucien geblieben war, als sich groß mit den Neuankömmlingen an Bord zu unterhalten. Aber trotzdem war ihr das nicht so ganz geheuer. Einen Menschen, den sie vergaß, obwohl sie sich jeden merkte, der in ihrer unmittelbaren Umgebung war, war ihr nicht geheuer.
„Rettungsaktion...genau das war es doch auch, ich verstehe nicht, warum du da so...zweifelnd klingst.“
Sie grinste ihn frech an und lehnte sich schließlich wieder etwas entspannter auf ihrem Stuhl zurück. Das Geheimnis ihrer Vergesslichkeit konnte sie jetzt auf die schnelle nicht lösen, also würde sie einfach das Gespräch so lange genießen. Denn auch wenn er ihr suspekt war, so fand sie Farley doch sehr amüsant und interessant.
Bei seinen und ihren eigenen Worten kamen die Erinnerungen an das Abenteuer auf dem Marineschiff wieder in ihr hoch. Ihr wild schlagendes Herz, das Adrenalin, die Explosion, das Feuer...Vielleicht war es anfangs eine Rettungsaktion gewesen, doch es war schnell zu etwas größerem geworden. Sie hätten auch gleich auf ihre Segel schreiben können: „Juhu, hier sind wir! BÄM!“ Wenn sie das laut sagte, würde Trevor sicher begeistert davon sein.
Immer noch mit einem Lächeln – auch über ihre eigenen Gedanken – legte sie den Kopf leicht schief und schüttelte ihn dann schließlich.
„Du bist uns nichts schuldig.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wenn wir auf der nächsten Insel sind, kannst du dich entscheiden, was du machen willst. So lange mach dich einfach nützlich, so gut es geht, dann sind wir quitt, wenn es dich beruhigt.“
Sie musterte ihn noch einmal wie vorhin von oben bis unten, womit sie den Worten „nützlich machen“ eine etwas zweideutigere Bedeutung gab.
Aber als Gregory wieder auf die Ereignisse auf der Morgenwind und Enrique zu sprechen kam, legte sie den Kopf in den Nacken, sah kurz zur Decke hoch und schloss dann die Augen. Sie fand es irgendwie amüsant, wie interessiert der Arzt an den Ereignissen war, aber sie wollte es nicht noch einmal durchkauen. Warum der ehemalige Marinelieutnant ihnen geholfen hatte, wunderte sie zwar immer noch – und vielleicht wusste Farley ein bisschen mehr – aber eigentlich... abrupt schlug sie die Augen wieder auf, hob den Kopf und sah den Neuzugang an.
„Wo wir gerade bei der Morgenwind und Enrique sind, was hältst du eigentlich von seinem Begleiter, Kaladar? Wie war er auf dem Marineschiff?“
Wenn sie schon Gregory nicht mehr ausquetschen konnte, dann musste sie sich eben ein neues Opfer suchen.
[Lazarett | Farley und Gregory]