14.03.2018, 19:34
Luciens Worte ließen Shanaya einen Moment nachdenklich das Gesicht verziehen. Eine Katze, die Würmer fraß? Sie kannte dieses Sprichwort etwas anders – aber eine Eigeninterpretation, auch gut. Wobei seine Worte – gerade mit dem 'Beruf', den sie beide gewählt hatten – mehr als wahr waren. Es würden oft genug Situationen geben, in denen man vor Hunger nicht weiter wusste. Vielleicht brach auch ein Crewinterner Krieg über einen Wurm aus? Möglich war alles – und sie selbst konnte den Hunger sicher für einen Moment vergessen, wenn sich ein Haufen Kerle um ein kleines, glitschiges Wesen prügelten. Sie gab dazu jedoch keinerlei Kommentar ab, ihre Art der Zustimmung. Umso mehr konnte sie sich den Bauch voll schlagen, wenn sie eine Insel ansteuerten. Und wenn nach dem Dieb ging, hatte sie in ihrem Hintern ja genug Reserven für ein paar Wochen. Was sollte also schief gehen?
Und so stand sie nun da, ein halbes Stück Fleisch in der einen, den Zwieback in der anderen Hand. Und einen Kerl in der Nähe, bei dem sie unerklärlicherweise gespannt war, wie er nun reagieren würde. Sie war von den Kerlen auf diesem Schiff ja gewohnt, dass allerlei Anspielungen nicht den gewünschten Effekt hatten. Oder, in Greos Fall, einfach auf Granit prallten. Aber der Hutmann war da eine absolute Ausnahme. Er war nicht zu dumm dafür, verstand – zumindest teilweise – worum es ihr ging. Und trotzdem blieb er immer so verdammt trocken. Und beinahe hätte die Schwarzhaarige sich an diesem Gedanken fest gehakt, als eine Bewegung sie wieder zurück in die Kombüse zog. Einen Moment hatte sie ihre Achtsamkeit vergessen, hatte nicht einmal gesehen, wie Lucien reagiert hatte. Und so rechnete sie fest damit, dass der Mann sich nun etwas aus ihrer Hand schnappen würde. Hoffentlich. Vielleicht auch nicht. Automatisch hob die junge Frau eine Augenbraue, erwiderte den festen Blick aus grünen Augen. Scheinbar war er doch auf etwas anderes aus. Zumindest interessierte er sich nicht für das, was sie in der Hand hielt. Er wich ihrem Blick nicht aus, und bevor sie sich irgendwie hätte bewegen können, war er ihr einfach viel zu nah – und auch wenn sie nicht zur Seite blickte, war ihr durch seine Haltung viel zu gut bewusst, in was für einer Situation sie nun steckte. Aber gut, mit einem Schach hatte man ja noch nicht verloren. Trotzdem war ihr danach, zurück zu weichen. Schwierig nur, wenn da direkt die Schränke und eine Wand waren. Was blieb ihr also übrig? Sie könnte ihn umbringen. Sicher würde sich in diesem Moment eine leichte Gelegenheit bieten, ihn für seine Worte zu köpfen. Ein kurzer, dunkler Funke huschte durch ihre Augen, den sie mit einem lauten Schnaufen wieder verjagte. Dieses Wort. Dieses eine verdammte Wort. Vielleicht sollte sie ihm in die Nase beißen.
„Billig? Nana, beleidige mich doch nicht, nur weil ich dir etwas empfehle!“
Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter, womit sie das restliche Fleisch in den Mund steckte und darauf herum kaute, den unschuldigen, blauen Blick weiter direkt auf seine Augen gerichtet. Sie lehnte sich nicht zurück, seufzte bei den weiteren Worten des Mannes nur gespielt theatralisch. Shanaya schluckte das Fleisch runter, stellte sich dann wieder zu voller Größe auf, hielt dem Blick dabei weiter stand. Sie hätte unter seinen Armen durch huschen können. Hätte. Wenn sie ihm damit nicht viel zu viel verraten hätte. Verdammte Zwickmühle. Ihr Blick löste sich also von seinem, wanderte über seine Lippen an ihm nach unten, wobei sie ein nachdenkliches Geräusch von sich gab.
„In deinem Zustand? Da müsste ich ja Angst haben, dir weh zu tun.“
Langsam, prüfend wanderte ihr Blick schließlich wieder nach oben, diesmal ein bisschen langsamer, blieb an seinen Lippen hängen und richtete die Augen dann wieder fest auf seine.
„Ich bin noch nicht überzeugt.“
Ihre Stimme klang erstaunlich nüchtern, ihr Lächeln ruhte immernoch auf ihren Lippen, während sie leicht mit einer Schulter zuckte. Sonst stand sie nur ruhig da – ausweichen konnte sie ja so oder so nicht.
[Kombüse | Lucien]