14.03.2018, 12:56
Lucien gab ein trockenes Schnauben von sich. Langsam konnte er es wirklich kaum erwarten, auch den Rest der Crew kennen zu lernen. Dass da der ein oder andere dabei war, an dem man sich sprichwörtlich den Magen verdarb? Keine Frage. Gab es immer. Gerade dort, wo sich verhältnismäßig viele Menschen an einen Ort drängten und man niemandem wirklich aus dem Weg gehen konnte. Noch dazu gab es nur wenige, die es fertig brachten, trotz ihrer schnell gefassten Urteile mit anderen zu arbeiten. Doch nur so funktionierte eine Mannschaft – er hatte das über sieben Jahre lang schließlich am eigenen Leib erfahren dürfen und auch damals war ihm sehr schnell klar geworden: Manche konnten es, manche nicht.
Den Kochtopf an seinem Platz stehen lassend richtete sich der Dunkelhaarige wieder auf, lehnte sich nur mit dem Ellenbogen auf die Arbeitsplatte, an der er stand und zog es vor, die Schwarzhaarige bei ihrer weiteren Suche zu beobachten, statt sich selbst zu bemühen. Immerhin machte sie ihre Sache wirklich gründlich... und er konnte die Aussicht genießen.
"In der Not frisst die Katze auch Würmer."
Wieder spielte ein amüsiertes Schmunzeln um seine Mundwinkel. Shanaya machte nicht den Eindruck, als würde sie sich groß für die Meinungen anderer interessieren. Trotzdem frage Lucien sich in diesem Moment, ob sie trotz ihrer deutlichen Abneigung gegen den Carpenter anstandslos mit ihm arbeiten konnte, wenn sie musste. Oder mit ihrem neuen Captain, wenn der ihr weiter derart offensichtliche Avancen machte. Mal sehen.
In diesem Moment richtete sich die Schwarzhaarige nach offensichtlich erfolgreicher Jagd wieder auf. In der einen Hand ein einsames Schiffszwieback, in der anderen ein Stück Dörrfleisch. Auf einem Schiff allemal besser als nichts. Denn das Mittagessen für die Mannschaft war schließlich streng rationiert und deshalb – klar – tabu. Das wären auch die beiden Knabbereien in ihren Händen, wenn die nicht so ausgesehen hätten, als wären sie vor langer Zeit hier im Schrank zurück gelassen worden. (Nichts, womit er ein Problem gehabt hätte. Er war schlechtere Bedingungen gewöhnt.) Allerdings machte Shanaya keine Anstalten, ihre Beute mit ihm zu teilen. Stattdessen lehnte sie sich betont gelassen zurück.
Der 21-Jährige fing ihren Blick auf, als sie sich provokant lächelnd einen Bissen des Dörrfleischs gönnte und hob daraufhin kurz eine Augenbraue. Alles an ihr war eine einzige Herausforderung, doch der Dunkelhaarige reagierte darauf nicht sofort. Ein, zwei Herzschläge sah er sie nur an, bis sich ein hintergründiges Lächeln auf seine Lippen stahl. Er seufzte leise, schüttelte leicht den Kopf und stieß sich dann von seinem Platz am Herd ab. Gut. Sie versuchte schon die ganze Zeit, ihn ein bisschen zu provozieren – was auch immer sie zu erreichen glaubte. Mal sehen, wie weit sie dafür zu gehen bereit war.
Er nahm die Einladung also an.
Gelassen trat Lucien auf sie zu, schenkte dabei weder Zwieback noch Fleisch auch nur einen kurzen Blick. Die grünen Augen ruhten die ganze Zeit auf ihren blauen, als er sich links und rechts von ihr mit den Armen auf dem Schrank abstützte und sie damit einkesselte.
"Findest du das jetzt nicht ein ganz kleines bisschen billig, Prinzessin?" Ein fast sanftes Lächeln huschte auf seine Lippen. "Aber wenn du unbedingt willst, an mir soll es nicht scheitern. Wir müssen uns nur leider ein bisschen beeilen. Ich muss nämlich bald wieder hoch und mit unserem Attentäter sprechen..."
Mal sehen, was jetzt passierte.