04.03.2018, 18:12
Lucien erlaubte sich ein kleines, amüsiertes Grinsen. Sah ganz so aus, als hätte ihr da irgendetwas überhaupt nicht gefallen. Sei es nun das, was er gesagt hatte, das, was er andeutete, oder die plötzliche Berührung an ihrer Wange – jedenfalls versteifte sich die Schwarzhaarige und die aus dieser Nähe noch ein Stückchen schöneren Augen verengten sich ein wenig. Das kurze, kaum merkliche Zögern zwischen dem unvermittelt abgebrochenen Satz und ihrer endgültigen Reaktion jedenfalls sagte ihm mehr als deutlich, dass dieses Mal er sie überrascht hatte.
Natürlich rechnete er aus genau diesem Grund mit Gegenwehr. Von einer saftigen Ohrfeige bis hin zu einem Schlag gegen die Weichteile hatte er in solchen Situationen schon alles erlebt. Umso günstiger war da seine Position am oberen Treppenabsatz. Er hätte nur schnell genug das Gewicht nach hinten verlagern müssen, um dem zu entgehen, was ihn vielleicht erwartete.
Doch letzten Endes brauchte er nichts davon. Sie hob lediglich die Hand, griff nach seinem Handgelenk und schob es von sich. In den tiefgrünen Augen blitzte herausfordernd der Schalk auf, als er ihren Blick erwiderte, immer noch mit einem Konter rechnete – der auch kam. Die grüne Iris schien einen Hauch dunkler zu werden, als ihr sanfter Atem auf seinen Lippen und ihre Nähe das brennende Verlangen nach den Berührungen einer Frau in ihm wach riefen. Dieses erwartungsvolle Lodern, kurz bevor man mit ihr das Bett teilte.
Bis Shanaya zurück wich und sich umwandte, um die Treppe nach unten zu nehmen.
Lucien lachte leise in sich hinein, schüttelte kurz den Kopf und folgte ihr sichtlich gut gelaunt mit den Augen. Und da sie ihm nun wieder ihre Rückseite präsentierte, wertete er dieses kleine Duell gnädig als Unentschieden. Immerhin erlaubte sie ihm jetzt ja doch einen Blick auf ihren Zuckerarsch.
"Was du nicht sagst."
Die leisen Worte richteten sich mehr an ihn selbst, als an sie. Dennoch stimmte er ihr damit zu. Sie war nicht wie die gewöhnlichen Mädchen. Die, die ihm die ganze Zeit so schöne Augen machten. Mädchen, die man leicht ins Bett bekam, aber an denen er eben auch nie weiter interessiert war. Sie hingegen hatte alles, was es brauchte, um einen Mann wirklich zu fesseln – sie war nur noch nie besonders tief gefallen.
Aber ihr Trick war gut gewesen. Noch immer kribbelten seine Lippen von dem Echo einer Berührung. Von dem Gedanken, was man hätte haben können, ohne es tatsächlich zu bekommen. Verdammt schade. Es fühlte sich an, als wäre das letzte Mal eine Ewigkeit her...
"Tja, dann sollten wir hoffen, dass noch etwas vom Frühstück da ist."
Schmunzelnd setzte sich der Dunkelhaarige wieder in Bewegung, folgte seiner widerspenstigen Begleitung die Stufen hinunter und duckte sich am Ende unter dem Deckensturz hindurch, der für einen Mann seiner Größe ein gutes Stück zu niedrig war. Er musste den Kopf einziehen, um unter Deck einigermaßen laufen zu können. Doch die Art, wie er sich intuitiv darauf umstellte, verriet, dass er diesen Umstand gewöhnt war.
Nach wenigen Herzschlägen hatten sich seine Augen auf die schwachen Lichtverhältnisse eingestellt und die Konturen nahmen deutlichere Gestalt an. Nicht weit hinter ihnen hörte er Stimmen, Crewmitglieder, die sich unterhielten. Doch Lucien achtete nicht weiter darauf, sondern richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Shanaya.
"Ist der Smutje eigentlich noch an Bord? Er macht verdammt gutes Essen." Kurz hielt er inne, konnte das Grinsen nicht aus seiner Stimme verbergen, als er weiter sprach. "Oder muss ich mir die Antwort auch erst verdienen?"