28.01.2018, 10:10
Reglos lehnte Yaris an der Fasswand, was den Schmerz in seinem Rücken an den Auflagestellen dennoch leicht entflammte. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis die Wunde vollständig verheilt sein würde. Doch er war es gewohnt, Schmerz auszublenden – eine Eigenschaft, die den Vorsteher des Gefängnisses fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Denn er hatte dem Attentäter nie auch nur einen Schrei entlocken können. Schmerz existierte nur im Kopf. Es war eine Reaktion des Gehirns, das auf den Reiz Entsprechende Botenstoffe aussandte. Yaris hatte nie eine Schule besucht, doch er hatte gelesen und von Zeit zu Zeit hatte er doch einen Arzt aufsuchen müssen, ein Mann, der ihm über die vielen Jahre zu so etwas wie einer vertrauten Person geworden war. Der alte Egard hingegen hatte wohl eher einen Sohn in ihm gesehen, verrückter alter Mann. Yaris hatte ihn nie als Vater sehen können, zu tief saß das Kindheitstrauma. Aber er war ein versierter Arzt und verschwiegen. Und er hatte ihm einiges geduldig erklärt und auch gezeigt, für den Fall, es war Not am Mann und er nicht auf der Insel – was ziemlich häufig vorgekommen war. Egard war normaler Arzt, doch unter der Hand kümmerte er sich um die, die ihn im Schatten der Nacht aufsuchten – sprich, deren Leben nicht ganz so legal verlief.
Wie es dem alten Mann wohl ging?
Yaris blickte auf, denn das Kitzeln an seiner Hand hatte abrupt aufgehört. Die Samtpfote saß knapp außerhalb seiner Reichweite, behielt ihn jedoch weiterhin skeptisch im Auge, bereit, jederzeit die Flucht anzutreten, sollte er sich als Gefahr für sie herausstellen. Also gab er der Katze auch keinen Grund, sondern senkte den Blick. Behielt sie nur soweit im Blickfeld, um ihre Reaktionen beobachten zu können, tat aber gleichzeitig auch so, als würde sein Blick an ihr vorbeigehen. Nach einer Weile des kritischen Musterns, rollte sich das kleine Fellbündel zusammen und tatzte kurz darauf nach dem Schnürsenkel seine Stiefels, den man ihm am Vorabend gegeben hatte, nachdem Yaris es erst mehrfach abgelehnt hatte sie zu nehmen und zu tragen. Er wollte frische Luft an seine ebenfalls geschundenen Fußsohlen lassen, weil es so angenehmer gewesen war. Inzwischen tat es gut, sie zu tragen. Ein Stück weit fühlte er sich wieder wie der alte.
Während der Attentäter der Samtpfote bei ihrem Spiel zusah, fädelte er behutsam den zweiten Schürsenkel aus seinem anderen Stiefel. Als er sich langsam aufsetzte, sprang die kleine Katze erschrocken auf. Allerdings schien es nicht so schlimm zu sein, dann sie hielt wenige Schritte später inne und musterte das Bändchen, dass Yaris ihr auf dem Boden entgegenbrachte und das immer wieder zuckte. Die Neugier schien zu siegen und sie tappte vorsichtig näher, um das zuckende Etwas zu begutachten.