23.01.2018, 20:50
Ihm kam der Gedanke gar nicht, dass ihre Witzeleien über ihren Kameraden bei ihrem neubefreiten Kapität vielleicht etwas falsch ankamen. Er witzelte gutmütig, wie er es bei jedem getan hätte und wie es jeder über ihn durfte – wobei, Liam hätte es wohl nichtmal wirklich gestört, wenn ihm jemand offen Feindseligkeiten entgegenbringen würde. Er war, wer er war und wie er war. Es war jedermanns Recht, damit nicht klar zu kommen, ebenso wie es sein Recht war, sich nicht darum zu scheren. Seine eigene, kleine Welt drehte sich viel zu sehr um ihn selbst, als dass er sich viel aus den Meinungen anderer gemacht hätte. Wenn er zufrieden war mit dem, was er tat, dann war für ihn alles in Ordnung. Er war genügsam und war damit bisher immer gut gefahren. Wenn es ihm hier nicht mehr gefiehl oder er einen anderen Grund fand, einen anderen Weg zu gehen, würde er diesem Schiff den Rücken kehren. Ansonsten würde er hier bleiben, so lange man ihn eben ließ. Und bisher hatte sich die kleine Truppe ja doch als sehr spaßig und abenteuerlich herausgestellt – genau sein Geschmack also. Genau wie die Witzelei mit Shanaya auf Kosten ihres Schreiners. Er hob einen Finger in die Luft als Geste, dass sie kurz warten sollte, während seine andere Hand an den seitlichen Bund seiner Hose wanderte, dort aber nicht das fand, was er sich erhofft hatte.
„Ich- ich muss in der Kajüte nachgucken, aber sollte sich das noch zusammenkratzen lassen, steige ich mit ein.“, beteuerte er grinsend auf ihre Wette hin. „Wir müssen nur drauf achten, dass uns niemand in die Karten spielt und ihn in Fischöl tunkt oder ähnliches.“
Seine Miene verdunkelte sich verschwörerisch, während er ihren Blick erwiderte. Doch als Lucien wieder einstieg, schüttelte er bloß angedeutet den Kopf. Bevor er allerdings etwas richtig stellen konnte, fuhr Shanaya fort und hebelte seinen Versuch etwas aus. Zum Glück nahm ihr neuer Captain das Ganze als das was es war – als Witzelei – und nicht als irgendeine böse Absicht. Deshalb beließ er es dabei, wog lediglich den Kopf etwas zur Seite und lehnte sich rücklinks an die Rehling, während er dem Gesprach der beiden folgte. Erwartungsvoll sah er zu der Schwarzhaarigen hinüber und war auf ihren Konter gespannt.
Sie hatte keine Sekunde den Blick von diesem Mann genommen und peitschte noch immer mit der Rute hin und her. Sie traute ihm nicht, allein schon wegen seiner Haltung. Umso mehr ließ sie sich auch bitten, als er ihr die Hand hinstreckte und ihr die Kontaktaufnahme anbot. Argwöhnisch blitzelte sie ihm mit angelegten Ohren entgegen, reckte dann aber doch zögerlich den Kopf und schnupperte. Der Geruch von Blut und Urin hing noch immer schwach an ihm. Blut und Schwarzpulver, dazu die schlechten Zustände, in denen er sich die letzten Tage und Monate offenbar befunden hatte – ebenso wie bei den anderen Neulingen, die sich nun auf ihrem Schiff tummelten. Sie verzog das Gesicht zu einem lautlosen Miauen, ehe sie sich abwandte und in die Richtung der kleinen Gruppe am Bug blickte. Statt allerdings nun ebenfalls dorthin zu wackeln, ließ sie sich auf der Hinterhand nieder und beobachtete den Mann aus den Augenwinkeln. Im Sitzen weckte er ihren Argwohn nicht mehr ganz so stark, aber sie wurde nicht unvorsichtig. Einen Augenblick blieb sie einfach sitzen, bis sie sich schließlich zusammenrollte und die ruhende Ginsterkatze miemte. Ihre Augen waren stets einen Spalt geöffnet und schließlich rückte sie sich so zurecht, dass sie mit den Pfoten die Bändel an den Schuhen des Mannes erreichte und anpfoten konnte. Es mochte verspielt wirken, doch in Wirklichkeit war sie bereit, jeden Augenblick davonzustürmen und sich in Sicherheit zu bringen, sollte er doch böse gesinnt sein.