19.01.2018, 12:49
——— Cesarea ———
Der Schnabel des schwarzen Vogel schimmerte dunklerot als sein Kopf hochruckte. Die Personen kannte er doch!
"Krek?", erklang es fragend.
Als keine Antwort kam hüpfte die Krähe unruhig hin und her, sah sich dabei immer wieder um, so als hielte sie nach etwas oder jemanden Ausschau, schüttelte sich dann einmal, griff sich eine Niere und flog zu einem kleinen Baum im Blickfeld von Rayon, Skadi und Trevor. Dort ließ sie sich nieder, klemmte die Beute unter eine Kralle, spähte abermals ins Gehölz und stieß anschließend, mit gesenktem Kopf und leicht ausgebreiteten Flügeln, ein protestierendes Krächzen aus.
Wieso hatten sie Gregory nicht mitgebracht? Und überhaupt: Warum benahmen die sich so seltsam?
Einen Moment betrachtete sie die drei, sah noch einmal zu dem Jungen, dann zu dem harten, hohen Gras, in dass der Fremde verschwunden war, ehe sie die Innerei erneut in den Schnabel nahm und zu einem geschützteren Platz abstrich, wo der Hunger überhand nahm und sie sich, abgesehen von sichernden Blicken und leichtem, rhythmischen Wippen der Schwanzfedern, wieder auf die Beute konzentrierte.
——— Gregory ———
Wieso nur fühlte er sich bei ihren Worten so enttäuscht? Hatte er etwa wirklich unterbewusst gehofft, dass sie eine Lösung aus dem Ärmel schütteln würde und sei es nur ein: 'Ja doch, im nächsten Hafen kenne ich einen, den werden wir holen'? Er wusste es doch besser! Und dennoch: Er war es. Es half alles nichts.
Das zu zeigen gestattete er sich nicht. Äußerlich neutral hörte er Talin zu, dachte, dass es sicherlich Viele geben würde, die jederzeit auf der Sphinx anheuern würden, gerade wegen dieser Aktion, doch das diese Leute allesamt grausam und von fragwürdigem Charakter sein würden und dass sie erwarten würden, dass sie sowas häufiger täten. Aber so jemanden als Arzt..?
Und dann fragte er sich, als sie fort fuhr, ob sie wusste, dass ihre Beschreibung, bis auf den letzten Punkt, seiner Meinung nach auch auf Enrique passten und dass er das Aussetzen dessen gesunden Menschenverstandes befürchtete, sollte die dritte Frau an Bord ihr Geheimnis dem ehemaligen Lieutenant auf falsche Weise oder zum falschen Zeitpunkt offenbaren?
Nein, bestimmt nicht, dann würden sie dieses Gespräch nicht so führen müssen.
Als sich dann ein Schatten über ihr Gesicht legte beschlich ihn das Gefühl, dass auch sie auf Erleichterung hofft, was auch immer gerade speziell auf ihren Schultern lastete. War dem so? Sollte er sich darauf einlassen?
Bei ihrem Auflachen zog er die Stirn kraus und dachte sich zunächst seinen Teil. Anschließend versuchte er ihre Worte in das Bild seiner Erfahrungen mit diesem Mann einzufügen.
War er auf Talins Tod aus?
Hielt ihn nur die ihm eingetrichterte Disziplin oder die vermeintlich Lucien geschuldete Dankbarkeit davon ab?
War ihm, wie sie sagte, was sie betraf, der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen und er wartete nur auf eine Gelegenheit?
Oder stand etwas ganz Anderes zwischen den Beiden?
Doch ehe er diese Gedanken zuendebringen konnte wechselte die Blonde das Thema.
Es war ein mehr als knapper Bericht, er sorgte kaum für ein klareres Bild. Denn Gregorys Meinung nach fehlten noch ein paar wichtige Details, gerade wenn er ihr helfen sollte, herauszufinden, was der Schwarzhaarige über sie dachte.
Doch da wechselte Talin auch schon wieder zum alten Thema zurück, nur richtete sie den Fokus auf die andere Hälfte, die Ursache, des Problems und warf ihn beinahe erneut vollständig aus der Bahn:
Kaladar.
Was sollte er zu ihr sagen?
Was konnte er sagen, ohne dass er zu viel verriete?
Und wie?
Oh, wie er solche Situationen hasste!
Auf seinem Gesicht war nichts von seinen Gedanken zu sehen gewesen, bis zu eben jenem Moment, wo sie den vermeintlichen Namen aussprach:
Kaladar.
Er zuckte, abgelenkt von seinen Grübelleien, leicht zusammen, sein Blick huschte zum Captain zurück und beinahe hätte er die Augen fest zusammengekniffen. So verengten sie sich nur ein bisschen und seine Lippen wurden schmal.
"Kaladar? Nun, — s-seine Verletzungen",
Darn! Konzentrier dich!,
"waren zum größten Teil o—"
Sein Blick fuhr zum Neuankömmling herum. Wieder verfluchte er sich, dass er, ob seiner Grübeleien, nicht ausreichend auf die Umgebung geachtet hatte. Dennoch blieb sein Gesichtsausdruck neutral. Das war schon fast ein Reflex, so häufig wie irgendwer — nicht nur Trevor — bei ihm hereingeplatz war.
Farley. Er lächelte fast, überließ es aber Talin auf dessen ersten Satz zu reagieren sondern registrierte erleichtert, dass der junge Mann sich noch einen weiteren Pluspunkt verdiente, als er ihm wider erwarten das Geliehene zurückreichte.
"Freut mich, dass ich helfen konnte."
Dann wandte er sich zu Talin zurück. Er war kurz davor gewesen ihr einiges Vertrauliches zu enthüllen. Jetzt fuhr er stattdessen ruhig aber auch distanzierter fort:
"Seine Verletzungen waren größtenteils oberflächlich, Schwindel und Übelkeit, nach etwas Ruhe, recht schnell weg. Ein paar tiefere Wunden sind zwar soweit ganz gut am Verheilen, übermäßig belasten sollte er sie aber nicht. Dummerweise scheint er da Shanaya recht ähnlich zu sein und sich nicht lange ruhig verhalten zu können. Ich hätte ihn jedenfalls ans Bett fesseln müssen, um ihn daran zu hindern, sich der Jagdgruppe anzuschließen."
Vielleicht trieb diese Frau aber auch "diese" Sache um und alles, was damit zu tun hatte. Was das alles war wusste er nicht. Und noch viel weniger, wie der Schwarzhaarige das dann aufnehmen würde. Doch gerade das musste er für sich behalten und tat es auch.
Beschwichtigend hob er die Hände.
"So schlimm, dass das notwendig gewesen wäre ist es aber nicht. Ich mache mir da eher Sorgen, dass er nicht auf sich und die Verletzungen achtet, gibt es doch einiges, was ihn zu beschäftigen scheint. Was kann ich nicht sagen."
Die entspannte Maske auf seinem Gesicht ließ in keinster Weise durchblicken, wie präzise er genau diese Worte für seinen letzten Satz wählte oder wie vielschichtig dieser war. Und dass er obendrein damit die volle Wahrheit sagte erleichterte Gregory ungemein...
{ Cesarea | am westlichen Strand (bei Scortias, Trevor, Skadi, Rayon and Cornelis) | erst am Boden, dann mit Futter auf einem Baum in aller Sichtfeld, dann etwas abseits im Gebüsch |
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| Gregory | im Lazarett (Kanonendeck) | bei Talin und Farley }
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| Gregory | im Lazarett (Kanonendeck) | bei Talin und Farley }