08.01.2018, 22:37
Yaris war kein Seefahrer, doch auch er genoss es, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen oder die Wärme der Sonne auf der Haut zu spüren. Eine angenehme Wärme mit einer milden Brise vom Land her, die die frische salzige Luft mit sich trug. Ganz anders als in den Städten. Selbst die Küstenstädte konnten das nicht bieten. Hier roch die Luft meist nach Fisch, den man dort fing und an den zahllosen Buden verkaufte. Kein hektischen, überfülltes Treiben. So entspannt war Yaris schon lange nicht mehr gewesen. Entspannt und gelöst. Eine Idylle in der man die Härte der Realität fast vergessen konnte. Aber eben nur fast. Nur war er nicht gewillt, sich derer jetzt bereits wieder zu erinnern.
Stattdessen sank sein Blick aus grünen Augen auf die kleine Gestalt der Brünetten, die sich ihm inzwischen genähert hatte und ihm ein sanftes Schmunzeln zuwarf. Ihre Worte waren gedrungen von Schalk, der ohne jeden Zweifel einen Teil ihrer Persönlichkeit ausmachte. Sie entlockte ihm damit zwar kein Lächeln, doch immerhin wurde sein Blick weicher. Was mehr war, als der Attentäter für gewöhnlich an Kommunikation für seine Umwelt übrig hatte, und was man getrost bereits als Lächeln bezeichnen konnte. “Ich werde darauf zurückkommen, Missy.“ Eine Anrede, die er in Ermangelung ihres Namens verwendete, an den er sich im Moment nicht erinnern konnte.
Er wandte sich um, während sie zu den beiden Männern hinüberschlenderte, die mehr oder minder geschäftig an der Reling lehnten. Es war ungewohnt, dass andere so ungezwungen in seiner Gegenwart waren. Dieses Mädchen hatte keinerlei Scheu, was vielleicht daran lag, weil sie nicht wusste, was er tat und weswegen er auf diesem Gefangenschiff gewesen war. Auf der anderen Seite, sie war eine Piratin, ein Freigeist. Einmal mehr drängte sich ihm unweigerlich die Frage auf, ob er hier hin passte. Ob er sich in diese Gemeinschaft einfügen konnte. Überhaupt in eine Gemeinschaft. Sein Leben lang war er nie Teil von einer gewesen. Hatte sie immer nur vom Rande aus beobachtet – so wie in diesem Augenblick. Von seiner Randposition bedachte er das Trio an der Reling. Ihren lockeren Umgang miteinander, wobei es wohl die kleine Brünette war, die das alles noch ein bisschen weiter auflockerte. Munter plauderte sie mit den beiden jungen Männern. Yaris konnte nicht hören, was Thema war, doch irgendwo lag das Interesse an der Bordwand des Schiffes. Hin und wieder befürchtete er sogar, sie würde ins Wasser springen wollen oder hinabstürzten, so weit, wie sie sich hinüberbeugte.
Ein wenig Sehnsucht schwang in seinem Inneren mit, während er die Drei beobachtete. Dank seines Vaters und dank seiner Berufswahl war er in diesen zwischenmenschlichen Interaktionen eine absolute Niete. Selbst wenn er sich dazu entschied, auf dem Schiff zu bleiben und Teil der Crew zu werden, er würde immer anders sein. Denn er konnte sich selbst nie so munter drauflosplaudernd sehen. Diese Momente gab es nicht oft, in denen er dem Jungen und dem Mann nachtrauerte, der er hätte sein können. Denn daran ließ sich nichts mehr ändern.
Jetzt war es Yaris, der sich an ein Fass gelehnt auf das Deck niederließ, um seine neugewonnene Freiheit zu genießen, während er das Trio an der Reling weiterhin beobachtete. Dabei ruhte eine Hand locker auf dem Knie und nach einer Weile traute sich die Schiffssamtpfote doch tatsächlich noch näher und beschnupperte neugierig seine Finger. Ihre Schnurrhaare kitzelten an seinem Handgelenk dabei, doch Yaris zwang sich, still zu halten.