04.12.2017, 19:52
Noch einmal zuckten seine Mundwinkel belustigt, da sein Gegenüber für sein Angebot nur ein trockenes Schnauben übrig hatte. Wie immer hatte Lucien weder das eine noch das andere erwartet, sondern nahm die Entscheidung des Älteren mit gewohnter Gelassenheit hin. Mit einem leichten Neigen des Kopfes deutete er ein verstehendes Nicken an, dann wandte er sich endgültig ab und folgte dem Lockenkopf in Richtung Schiffsbug.
Der Attentäter hatte die Carta noch nicht unterschrieben, war kein Pirat und kein Teil der Crew, dessen Captain Lucien nun sein sollte. Sein Geschäft war der Tod. Es bestand also auch nicht die Notwendigkeit, dass er sich mit der Mannschaft abgab, sich gut mit ihnen stellte. Und solange sich an dieser Tatsache nichts geändert hatte, sollte es dem Dunkelhaarigen Recht sein.
Ohne sichtliche Eile schloss er zu dem Lockenkopf auf, der sich nur mit einem kurzen Blick über die Schulter davon überzeugte, dass Lucien ihm folgte und sich dann weit über die Reling beugte, um die Stelle ausfindig zu machen, von der die Rede gewesen war. Der junge Captain indes ließ die Hand flüchtig über das Holz der Brüstung gleiten, von der sich an vielen Stellen trockene Splitter lösten. Ein paar davon stachen ihm leicht in die Handfläche, ließen die Haut jedoch unverletzt.
Unwillkürlich kehrte der Blick aus grünen Augen zu dem jungen Mann an seiner Seite zurück. Gerade noch rechtzeitig, um dessen Geste zu bemerken.
'Aspen'. Jetzt, da er den Namen hörte, erinnerte er sich daran, dass Talin ihn erwähnt hatte. Einer der Männer, die mit ihr auf die Morgenwind gekommen waren, um ihn raus zu holen. Er erinnerte sich dank der anschaulichen Demonstration sogar an dessen Gesicht. Leider wollte ihm darüber hinaus der zweite Name, der im Bericht seiner Schwester gefallen war, trotzdem nicht einfallen.
Aber Prinz Eisenherz? Mit einem belustigten Schmunzeln lehnte sich der Dunkelhaarige rücklings gegen die Reling, stützte die Ellenbogen links und rechts seines Oberkörpers auf das Holz und verlagerte seinen Schwerpunkt ein wenig nach hinten, um einen Blick auf den Rumpf der Sphinx zu werfen. Er hielt erst inne, als sein Gegenüber erneut das Wort ergriff und damit bestätigte, was Lucien insgeheim schon vermutet hatte. Ein leises Schnauben war die Antwort darauf.
„Ich hab' schon so eine Ahnung, worum es geht, also muss ich dir für die Rettung wohl dankbar sein. Für ein Gespräch dieser Art hätte ich gerade nicht genug Geduld.“ In den grünen Augen blitzte der Schalk auf. Seine Laune war im Moment einfach zu gut, um irgendetwas übermäßig ernst zu nehmen. Da stand ihm eher der Sinn nach losem Geplauder.
Bei dem man sie gleich darauf jedoch ein weiteres Mal unterbrach.
Als die kleine Schwarzhaarige sich zu ihnen gesellte, erlosch das Funkeln in seinen Augen kurz, machte zunächst Überraschung, dann reiner Neugier Platz. Damit, dass sie den beiden Männern folgte, hatte der Dunkelhaarige nun nicht gerechnet. Sie hatte eher den Anschein erweckt, sich mehr für dieses Katzentier zu interessieren. Aber scheinbar löste ein neues Gesicht auf dem Schiff eine noch ganz andere Faszination aus. Ihr prüfender Blick entging dem Dunkelhaarigen jedenfalls nicht und er erwiderte ihn mit einem gelassenen Lächeln, nutzte den Moment, um sie seinerseits kurz genauer zu mustern. Genauer, als er es auf dem Gefangenendeck der Morgenwind hatte tun können. Jung, etwa das Alter seiner Schwester, ein hübsches Gesicht und beeindruckend blaue Augen. Nett...
Als sie sich mit aller Selbstverständlichkeit zwischen den beiden Männern an die Reling lehnte, folgte sein Blick ihr, bevor er mit einem Lachen in der Stimme den Kopf schüttelte.
„Dann wärt ihr die einzige ehrliche Piratencrew von der ich je gehört habe.“ Die grünen Augen huschten zu Liam zurück, dessen Namen Shanaya beiläufig verraten hatte. Glück gehabt. Damit blieb ihm die Peinlichkeit erspart, raten zu müssen. „Prinz Eisenherz ist also – vermute ich – der Schiffszimmermann. Welche Aufgaben übernehmt dann ihr beide hier?“