12.11.2017, 19:34
Noch völlig in die absurdesten Vorstellungen über Trevors aufgekratzte Tollpatschigkeit – vom Versuch fragwürdige Pilze zu essen, bis hin zu einer wilden Verfolgungsjagd nach einem Karnickel – vertieft, bemerkte die Blonde erst verspätet, dass Gregory in ein Buch vertieft in seinem Kämmerlein saß. Oder zumindest wirkte er so, als würde er lesen. Seine Reaktion, als sie ihn angesprochen hatte und sein Gestammel zeigten ihr, dass er mit seinen Gedanken ganz wo anders gewesen war, als bei seinem Buch.
Talin blinzelte ein paar Mal, bevor sie neugierig den Kopf schief legte. Trevors Fähigkeiten mit einer Klinge umzugehen oder die Vorräte zu finden, waren für den Moment vergessen. Auch für ihre mitgebrachten Sachen wären schon vergessen gewesen, wenn Gregory nicht in diesem Moment darauf gedeutet hätte. Nur einen kurzen, abschätzigen Blick über die Schulter hatte sie für die alten Stoffe übrig, bevor sie wieder den Braunhaarigen ansah und nickte.
„Ja, ich dachte mir sie sind besser als gar nichts. Wenn wer blutet oder eine Wunde gereinigt werden muss, ist doch egal, womit du es behandelst. Hauptsache es ist sauber, richtig?“
Sie ging schließlich um den Tisch herum und auf den jungen Mann zu. Dabei maß sie das Abteil nur mit einem flüchtigen Blick, blieb kurz an einzelnen Geräten, Flaschen und Büchern hängen. Sie kannte sich mit dem Ganzen nicht aus und ihr Interesse an der Medizin war auch nicht sonderlich groß. Aber vielleicht spürte sie gerade deswegen eine so große Erleichterung, dass Gregory mit an Bord war. Wäre er nicht gewesen, dann wären die Verwundeten, nun ja, vermutlich nicht gestorben, aber immer noch in einem ziemlich kritischen Stadium. Und während Gregory zwischen seinen Patienten und der Reling hin und her gerannt war, hatte Talin ihm gegenüber einen gewissen Respekt entwickelt. Denn jeder Dummkopf konnte sehen, dass diese Tätigkeit nicht seine erste Berufswahl gewesen war. Das er dennoch sein möglichstes für alle tat, ließ ihn in ihrer Achtung steigen. Und vielleicht, weil sie ihn mit den Verwundeten und vor allem mit Trevor gesehen hatte, wunderte sie sich jetzt über sein seltsames, abwesendes und völlig zerstreutes Verhalten.
Vor dem Braunhaarigen blieb sie stehen und lehnte sich möglichst lässig an die Wand, um ihre Neugierde nicht so offensichtlich zu zeigen. Es schien ja etwas zu sein, was ihn wirklich sehr beschäftigte. Ob es einem aus ihrer Crew doch schlechter ging, als sie dachte? Oder was es etwas anderes? Wenn sie nur darüber nachdachte, dann würde sie zu keinem Ergebnis kommen. Also heftete sie den blaugrünen Blick auf Gregory und musterte ihn.
„Was ist los? Du hast mir nicht richtig zugehört und dein Buch wahrscheinlich auch nur angestarrt. Stimmt was nicht? Kann ich helfen?“
[improvisierten Lazarett auf dem Kanonendeck | bei Gregory]