01.06.2024, 14:41
Es war amüsant diese beiden Piraten bei ihrem „Liebesspiel“ zu beobachten. Ceallagh grinste immer mal wieder in seinen Krug hinein, während er sich einen Schluck genehmigte und damit ganz offensichtlich das Schweigen ausnutzen konnte, um nichts zu der Situation verbal beitragen zu müssen. Ohnehin fühlte er sich auf seinem Beobachterposten viel zu wohl, um mehr als nur Blicke sprechen zu lassen. Etwas, das Lucien vielleicht weniger behagte, der zwar gewohnt offen und „freundlich“ zu ihm war, doch eine Gewisse Distanz in Augen und Verhalten trug. Nicht umhin traf man ihn selten an und meist in Begleitung der Dunkelhaarigen oder des Waffenliebhabers mit „Rauschebart“. Nichts, das ihn störte – dafür hatten sie zu viele Jahre getrennt voneinander verbracht, als dass er sich irgendwelchen kindischen Phantastereien hingegeben hätte. Doch er war neugierig geworden. Konnte noch immer nicht ergründen, was Lucien dazu bewog ihn auf Abstand zu halten. Doch er hatte genug Zeit und Ausdauer, um dem Leben und Schicksal selbst die Arbeit zu überlassen und keinen Finger rühren zu müssen. Ganz davon ab, dass die Crew seine Neugier gleichermaßen auf Spur hielt. Einige von ihnen sogar auf eine gänzlich neue Art und Weise, die den Blonden gleichsam vielsagend grinsen ließen. Manchmal kam er sich vor wie in einem Paradies gefüllt mit Abenteuern, Rätseln und amüsanten Spielzeugen.
“Kein Bedarf.“, entgegnete er auf Shanayas Frage und stellte den Krug vor sich auf dem Holztisch ab. Sein Magen hatte bisher keinen Bedarf an etwas, das nicht aus gegorenem Obst, eingelegtem Zuckerrohr oder Körnern bestand. Er begnügte sich also gern mit dem, was noch in seinem Krug von Rand zu Rand schwappte und sah nur kurz aus den Augenwinkeln Shanaya nach, die sich von Lucien erhoben hatte und die Treppen hinauf verschwand.
“Ich hab mich mit dem Händler von neulich getroffen…“, setzte er beiläufig an, ohne den Blick auf Lucien zu heften, mit dem er sprach. War im Begriff ihn über den Austausch mit ihrem neuen Geschäftspartner zu informieren, als sich etwas Kaltes in seinen Rücken bohrte. Skeptisch zogen sich die dunklen Brauen für den Bruchteil einer Sekunde zusammen. Bis er amüsiert schnaubte, kaum dass ihn die Worte des Zweiten erreichte, der knapp hinter Lucien aus dem vermeintlichen Nichts getreten war.
“Sind wir das nicht schon längst?“ Sie waren gesuchte Piraten. Standen in zahlreichen Berichten der Marine und sorgten für Gerüchte und Spekulationen. Sie WAREN bereits Geschichte. Im Gegensatz zu den beiden hinter ihnen, die wohl nur Vorreiter der eigentlichen Bedrohung waren, die sie so nachdrücklich ankündigten. Hätte er für jeden Hinterhalt in seinem Leben eine Münze bekommen, wäre er reich genug, um die Herrschaften mit einer riesigen Leibwache ihrer Leben zu berauben.
Immerhin musste der Hüne nicht lange warten, um den Kopf der Schlange zu sehen, die ihm und Lucien gerade liebevoll in den Oberkörper beißen wollte. Wobei das hier wohl eher seinem Kapitän als ihm galt, wie ihm beim Anblick des Kruges und der Intensität der Blicke klar wurde, die allein seinem Freund aus Kindertagen galten. Wie unhöflich. Man hätte zum Schein immerhin auch an ihn denken können, oder nicht? Das hätte immerhin darüber hinweg getröstet, dass der narbige Kerl frappierende Ähnlichkeiten mit ihm aufwies. Es war bemerkenswert. Als säße er seinem fiesen, nicht im Ansatz so gut aussehenden Bruder gegenüber. Wobei. Irgendwie hatte der Mann, der sich gegenüber von Lucien niedergelassen und die Kapuze vom Kopf gezogen hatte, eine seltsame Ähnlichkeit mit seinem Onkel. Was die Hitze in seinem Magen eher anstachelte, als abkühlte. Da brauchte es nicht noch zusätzlich die Androhung das Leben aus dem schmalen Körper der Navigatorin zu hauchen, sollten sie nicht kooperieren.
Somit tat Ceallagh das, was er am besten konnte. Ignorieren was man ihm sagte und einfach schweigend beobachten, was sich gerade für ein faszinierendes Theaterstück vor ihm abspielte. Griff nach seinem Krug. Erntete daraufhin einen schmerzhaften Stich im Rücken, den er mit einem leisen Zischen quittierte und dennoch das Bier trank, das ihm die Dunkelhaarige immerhin freundlicherweise spendiert hatte. Der Fremde machte nicht den Anschein, als hegte er irgendein Interesse an ihm. Also benahm er sich auch wie ein Statist, der er in den Augen des anderen war.
Hörte zu und grübelte. Darüber, wieso er einen bewaffneten Handlanger in die oberen Räume schickte um Shanaya zu holen, wenn er mit ihnen (oder viel mehr Lucien) einen Handel einzugehen versuchte. In welchem Verhältnis standen die beiden? Offensichtlich in keinem Guten, wenn der Kerl sie „zu besitzen“ versuchte und dafür ihr Einverständnis brauchte. Alles an diesem Monolog schrie nach „Machtgehabe“. Und so ganz erschloss sich Ceallagh nicht, wieso. Wieso sie am Leben lassen, wenn sie ihm doch im Weg waren? Wofür der ganze Aufwand? Wofür das heimliche Versteckspiel in der Taverne, um dann unvorhergesehen aufzutauchen? Ihnen eine Pistole in den Rücken zu halten, wenn sie Shanaya gleichsam unbeobachtet in einer Seitengasse hätten verschleppen können.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Ceallagh Luciens Reaktion. Trank bis zum letzten Schluck seinen Krug leer um ihn geräuschvoll auf den Tisch zu stellen und tief durchzuatmen. Ganz als habe ihn all das Gerede kaum beeindrucken können.
“Könnte ein bisschen reifer sein.. meint ihr nicht auch?“ Auch wenn er sich auf das Bier in seinem Krug bezog, könnte man durchaus einige Parallelen zu ihrem Mitspieler ziehen.