05.03.2024, 12:37
Wieder ein Grinsen, wieder ignorierte er es. Ihm war bewusst, was Gregory versuchte, immer und immer und immer wieder. Aber er konnte – vielleicht wollte er auch einfach nicht – sich von guter Laune anstecken oder gar aufmuntern lassen. Denn das würde bedeuten, zu vergessen, langsam aber stetig. Und noch schlimmer: Für ihn würde es auch bedeuten, dass er bereit war zu vergeben. Und das konnte er wirklich nicht. Niemals.
Elian ballte die Hände zu Fäusten, als die Wut ihn wieder einmal zu übermannen drohte. Doch bevor er sich hinreißen lassen konnte, weckten ihn die zwei ausgestreckten Fäuste des Schiffsarztes ihn hoch, ließen ihn leicht zusammen zucken und zurückweichen. Sie holten ihn wieder ins Hier und Jetzt und aus dem Tunnel heraus, in den er sich zu verlaufen drohte. Er ließ sich länger Zeit, als vermutlich angebracht gewesen wäre, um sich für eine Hand zu entscheiden, Währenddessen ließ er Gregorys Worte wie plätscherndes Wasser über sich ergehen. Er sollte nicht darüber nachdenken, sollte lieber eine Hand wählen. Aber die Worte des Arztes hallten in ihm nach. Einen Ruf beschert. Einen Ruf BESCHERT? Ja, verdammt, dass hatten diese verdammten roten Segel in der Tat. Und was hatte es ihnen gebracht? Die wichtigsten Menschen in seinem Leben waren fort, weil diese Segel ihnen einen ‚Ruf beschert‘ hatten, die Kopfgeldjäger auf die aufmerksam gemacht hatten. Sie hätten diesen Stoff schon viel früher austauschen – er ließ die Gedanken in seinem Kopf verhallen wie Rauch, als er spürte, wie er wieder die Fäuste ballte, sein Herz schneller schlug und ihm das Blut durch die Ohren rauschte. Wütend stieß er eine Hand in die Tasche, versuchte diese Gefühlsregung vor Gregory zu verbergen, und stieß dabei auf das Stück Pergament. Dieses eine Stück Pergament. Die Wut verhallte so schnell, wie sie gekommen war und dieses dumpfe Gefühl blieb zurück.
Mit ausdrucksloser Miene deutete er schließlich auf eine der Hände des Arztes und nahm bei dessen Worten den weißen Bauer in seine leicht zitternde Hand. Offensichtlich war die Wut noch nicht gänzlich verraucht, hatte sich nur wieder schlafend in ihn zurückgezogen.
Gerade als er den Bauern auf das Brett zurückstellte, bemerkte er Bewegung auf dem Kai. Er drehte sich in die Richtung der schnell näher kommenden Person.
„Keine Ratte oder streitende Huren mehr“, meinte er nur, als er Rúnar dabei beobachtete, wie er auf doe Sphinx zusprintete und so schnell er zu können schien, die Planke hinauf an Deck kam. Völlig aufgelöst, dabei ihre Namen rufend. Elian zog für einen kurzen Moment neugierig eine Augenbraue in die Höhe, trat dann aber schließlich einen Schritt zurück. Abwartend, teilnahmslos. Als ginge ihn die Panik in der Stimme des anderen Mannes gar nichts an. Sollte sich Gregory darum kümmern, wenn ihm danach war. Der Montrose interessierte sich nicht dafür.
Ihr Blick blieb noch eine Weile auf Shanya und den Gegenstand in ihrer Hand gerichtet. Wirklich angestrengt überlegte sie, wie die Legende ging, die sich um das Musikinstrument rankte, aber es wollte ihr partout nicht einfallen. Nun, es würde schon nicht so schlimm sein. Es war ja nicht so, als würde die Dunkelhaarige mit ein bisschen Musik das Ende der Welt einläuten, oder? … oder? Doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, drehte sich die junge Frau auch schon um und verschwand wie ein Sturm aus Eile und Genervtheit aus dem Zelt. Was nur noch sie und den Wahrsager zurückließ. Dann also keine Legenden und Geschichten zur Ocarina.
Lissa stieß ein leises Seufzen aus, während sie kurz die ihr gegeben Schatulle in der Hand kurz hin und her drehte, bevor sie sie auf den nächstbesten, nicht in sich zusammenfallenden Stapel stellte. Dann glitt ihr Blick zurück zu dem Mann und sie kniff leicht die Augen zusammen, während sie über seine Worte nachdachte und gleichzeitig überlegte, ob sie ihn für seine Dreistigkeit, etwas aus ihrem Zelt mitnehmen zu wollen, bestrafen sollte. Doch stattdessen zuckte sie leicht mit den Schultern.
„Ich habe deine Fähigkeiten nie angezweifelt. Ich denke nur, dass du mehr in den Karten lesen kannst, als du zugibst und das du den Leuten nur das erzählst, was sie hören wollen. Aber ich zweifle nicht daran, dass du die Fähigkeit besitzt, die Karten lesen zu können.“
Nochmals zuckte sie mit den Schultern und drehte sich dann zu ihren Schmuckstücken um, überlegte, wie sie sie neu ordnen könnte und ob sie darauf wirklich Lust hatte. Doch die nächsten Worte und die sich entfernenden Schritte ließen sie sich wieder zu dem Wahrsager umdrehen. Nachdenklich neigte sie den Kopf hin und her, bevor sie leicht lächelte und ihm Richtung Zeltausgang folgte.
„Danke für das Angebot. Aber du musst die Karten nicht fragen. Mir wollte noch nie vorher jemand etwas klauen – oder hätte es auch nur geschafft.“
Stolz richtete sie sich ein bisschen mehr auf, warf sie in eine siegessichere Pose, als die Plane zurückgeschlagen wurde und die Kundin des Wahrsagers wieder auftauchte. Mit einem wesentlich ehrlicheren Lächeln nahm sie ihr die Kugel wieder ab und wedelte dann leicht mit der Hand, als wollte sie alle verscheuchen. Sie hatte geschafft, was sie schaffen wollte. Die anderen Dinge in ihrem Zelt standen eh nicht zum Verkauf.
„Geht nur, geht. Bevor mir hier noch etwas abhanden kommt, nicht wahr, Hübscher?“
Sie zwinkerte Aric zu.