04.12.2023, 22:28
Die Unruhen sorgten für eine kleine Ablenkung und Riegan meinte noch, dass seine Männer sich darum kümmern würden. Soula hatte deutlich vor Augen, was mit Kieran passieren könnte und das sorgte zusätzlich dafür, dass sie ebenfalls unruhiger wurde. Während Riegan noch einige Worte an sie richtete, – Abenteuer, Risiko, blah, blah - worauf sie nur nichtssagend lächelte, ging sie ein paar Möglichkeiten durch, was sie jetzt tun konnte auf der einen Seite hatte sie ein gewisses Pflichtgefühl den Piraten gegenüber, andererseits sollte ihr Pflichtgefühl Kieran gegenüber viel größer sein. Ihn hatte Soula schon genug in die Scheiße geritten und das laute Scheppern und der Schuss, der danach zu hören war, reichten aus. Danach ging alles sehr schnell. Eine Wache trat hinaus, während Soula mit lautem Knarzen ihren Stuhl zurückschob und sich in Windeseile erhob. Das würde Soula nicht zulassen, das konnte sie nicht zulassen. Die Augen der Wache, die hinter Riegan stand, fixierten Soula, bemerkten so noch weniger, dass Luciens Schatten sich hinter ihr bewegte. Der Mann hatte keine Möglichkeit zu reagieren, als er auch schon zu Boden sackte. Soula schreckte ein, zwei Schritte zurück. Es war etwas anderes, mit Alex darüber zu sprechen, was passieren könnte und dass es Tote geben würde, oder unmittelbar dabei zu sein. Damals hatte sie noch behauptet, dass ihr bewusst war, worauf sie sich eingelassen hatte. Nun zeigte sich allerdings, dass wissen, etwas ganz anderes war, als erleben. Würde der Captain ihr oder Kieran nicht ebenso skrupellos etwas antun? Carta hin oder her. Was bedeutete die schon für einen Piraten? Soula kannte sich in diesen Gefilden zu wenig aus. Bücher über Piraten hatte es in der Bibliothek nicht gegeben und wenn, wäre das nicht das Thema gewesen, was sie interessiert hätte. Schließlich hätte sie niemals gedacht, dass Informationen darüber jemals so wichtig sein würden. Alles, was sie wusste, waren Geschichten gewesen, Gerüchte, vielleicht nicht mal wahre.
Dann kamen Bilder vom Schiff in ihr Gedächtnis, als Lucien ihr ein Seil zugeworfen hatte, damit sie nicht über Bord ging und am Abend in der Taverne, als sie ihren Gegenspieler verboten gut belogen hatte und der ausgerastet war, mit der Beschuldigung, dass Soula betrogen hatte. Das hatte sie nicht getan und auch da war Lucien gewesen, der sie aus der Schussbahn gebracht hatte. Also passte er irgendwie auf sie auf. War nur zu hoffen, dass Soula lange genug beweisen konnte, dass sie das auch Wert war. Ansonsten… Vertrauen hatte sie in die Crew immer noch nicht. Wenn sie ehrlich war, dann in keinen so wirklich. Immer mal wieder vertraute sie, weil sie dazu gezwungen war, wie in ihrer aktuellen Situation oder vor einigen Tagen auf See. Ohne Vertrauen wäre sie da unter gegangen, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber das waren nur Phasen.
Es waren wenige Sekunden, während ihr diese ganzen Gedanken durch den Kopf gingen. Ihr Blick lag auf Ceallagh, der zur Tür eilte. Sie folgte ihm, obwohl sie nicht wusste, was er dort tun würde. Den Befehl des Captains hatte sie schließlich nicht gehört. Er verriegelte die Tür, noch bevor Soula ihn erreicht hatte.
„Kieran ist dort unten!“, entfuhr es ihr, als Ceallagh an ihr vorbei ging, sich den Männern zuwandte, die sich noch im Raum befanden.
Sie sah zu Lucien, zu dem goldenen Ei, das es ihr auch ein bisschen angetan hatte und sie spielte kurz mit den Gedanken, es sich einfach unter den Nagel zu reißen. Jetzt war eh alles egal, oder? Doch sie verwarf den Gedanken. Sie konnte Kieran nicht verlieren und genau diese Sorge, die Ungewissheit ließen sie nun handeln. Der Stuhl war ihr Ziel, der eigentlich dafür sorgen sollte, dass niemand hinein kam. Soula wollte den Stuhl wieder wegbewegen, denn sie wollte schließlich hinaus! Ihr Pflichtgefühl Kieran gegenüber war größer, stärker, ausgeprägter. Ganz egal, was da unten auf sie warten würde.
[Ostya - nördliches Hafenviertel | Riegans Büro | Lucien & Ceallagh]