18.10.2023, 21:32
So überraschend es auch war, er wollte wirklich eine Antwort auf seine Frage. Nicht nur, wer diese netten Herren waren, die sie überfallen hatte, sondern auch, wo ihr letztes Gruppenmitglied abgeblieben war. Wie sollte er sonst dem Commodore erklären, warum er ein Crewmitglied verloren hatte? ‚Tut mir leid, Commodore. Der Clown hatte so genervt, dass ich ihn erschießen musste.‘? Doch das Lockenköpfchen schien ihm nicht antworten zu wollen. Rym selbst hatte es im Moment auch nicht eilig und so wartete er einfach ab und beobachtete den anderen Mann dabei, wie er sich hinab beugte und eine der Leichen untersuchte.
Ryms Augenbraue ruckte in die Höhe, hatte er den anderen nicht für einen Leichenfledderer gehalten. Kurz darauf zuckte auch die andere Augenbraue hoch, als er das Wort Marine hörte. Es wunderte ihn nicht, dass Soldaten einen Konvoi überfielen – davon hatte er schon genug gesehen – aber dass sie es aus dem Hinterhalt, als Banditen verkleidet taten? Das war ihm neu. Doch er konnte nicht wirklich reagieren. Lautes Geraschel und Bewegung im Lavendelfeld ließen ihn angespannt in die Richtung gucken und erneut verfluchen, dass seine Waffe untauglich war. Doch er musste gar nicht so angespannt auf einen Angriff des unförmigen Etwas warten, denn kaum war es in ihrer Nähe, machte es den Mund auf und der Bärtige fragte sich, warum die Kugel unbedingt den Gaul und nicht den Chaoten getroffen hatte.
Ein wahrer Redefluss peitschte über ihn hinweg, viel zu viel und viel zu schnelle Bewegung tanzte um ihn herum und Rym konnte einfach nicht mehr anders. Er vergrub sein Gesicht in beiden Händen und sah einfach nicht mehr den Deppen oder seinen Pferdekopf an. Er stellte auch einfach keine Fragen, woher besagter Kopf kam oder warum er überhaupt hier war. Stattdessen stellte er einfach nur noch sein Leben in Frage.
„Warum Zairym?“, murmelte er vor sich hin, „warum musstest du fragen, wo er ist? Hättest du es nicht einfach auf sich beruhen lassen können? Ein einfaches: ‚Hey, Lockenkopf, ist der Chaot gestorben? Ja? Nun, dann werden wir das schon irgendwie dem Captain erklären.‘ Aber nein! Stattdessen klingst du fast besorgt! Und das ist es, was du bekommst. Einen Wahnsinnigen mit einem Pferdekopf!“
Unendlich müde rieb er sich ein paar Mal über das Gesicht, bevor er seine Hände fallen ließ und sich lieber auf andere Dinge konzentrierte, die während Trevors Auftauchen, untergegangen waren. Sein Blick fiel zweifelnd auf den Lockenkopf, bevor er ebenso zweifelnd zu dem Attentäter weiter wanderte. Waren denn hier wirklich alle verrückt geworden? Oder hatte er irgendetwas verpasst? Statt weiterhin in seinen Bart zu murmeln, hob er die Hand, um die beiden Männer, die gewöhnlich bei Verstand waren, und wenn es sein musste, auch den Verstandslosen, auf sich aufmerksam zu machen.
„‘Tschuldigung, Herr Meuchelmörder. Ich komme deinen Ideen wirklich gerne nach, aber darf ich euch kurz daran erinnern, dass ihr – und ich gerade irgendwie auch – Piraten seid? Wir sind hier, lebend, Banditen und Kutscher sind auch hier, aber tot. Wir sollten diese Kisten schwer bewacht, mehr oder weniger, aus der Stadt schmuggeln. Will von euch wirklich keiner wissen, was da drin ist? Jetzt, wo euch niemand davon abhält? Und wenn es wertvoll ist, will es keiner von euch?“
Er taste die Leiche vor sich ab und zog einen Dolch heraus, bevor er auf einen der Wagen sprang und sich an einer der Kisten zu schaffen machte. Als er das befriedigende Knacken von Holz hörte, lächelte er zufrieden und stieß den Deckel auf. Er stieß einen leisen Pfiff aus und hob einen Kelch hoch. Gewicht und Schattierung nach zu urteilen, offensichtlich aus Gold.
„Wenn das sonst keiner von euch will, dann müssen wir auch nicht teilen.“
Er warf einen fragenden Blick in die Runde.
[Lavendelfeld | auf einem der Wagen | mit Alex, Josiah, Trevor]