25.09.2023, 02:09
Kaum hatte die kleine Truppe angefangen, über den Verbleib von Trevors Leiche zu diskutieren, tauchte am Horizont ein unförmiger Blob auf.
Gut, am Horizont war übertrieben. Er war irgendwo da, wo Himmel, Lavendelpflanzen und äußere Baumgrenze aufeinandertrafen. Allerdings war ohnehin nichts außer Lavendel und Himmel zu sehen und der Blob sah nach der typischen Art von Blob aus, die in solchen Moment aus der Erde gespuckt wurden, schnell näher kamen und sich dann als menschen...artig? entpuppten. Nach einigen Herzschlägen konnte man schon einen aufgeregt winkenden Arm ausmachen. Dann zwei Beine, die von Lavendelpflanze zu Lavendelpflanze sprangen und sehr darauf bedacht waren, nicht in die Vertiefungen zwischen den Pflanzreihen zu treten. Als nächstes stellte sich heraus, dass der Arm gar nicht (oder zumindest nicht hauptsächlich) wank, sondern durch die Luft ruderte, um das Gleichgewicht zu halten. Lavendelpflanzen waren nämlich sehr unangenehme Landeplätze und der Blob hielt rechts einen zweiten Blob umklammert, der ihm ordentlich Schlagseite verpasste. Schließlich konnte man eine Stimme ausmachen:
„–erdet nicht glauben, wAS MIR GERADE PASSIERT IST!!“
Und dann machte der Blob auch schon einen letzten großen Satz, landete auf der Straße und nahm endgültig Trevorform an. Seine Stiefel hingen zusammengeschnürt um seinen Hals, Lavendelblüten lugten aus seinen Hosentaschen und Hemdtaschen und Haaren und unter seinem Arm klemmte ein glatt abgetrennter Pferdekopf. Das war der zweite Blob gewesen.
„Ich hab eine z– oh!“
Beinahe wäre Trevor in den toten Banditen hineingerannt, dem Alex zuletzt die Verkleidung zerschnitten hatte. Seine Augen wurden groß angesichts der Marineuniform – andererseits, das mussten sie auch. Die Haut über seinem linken Wangenknochen war aufgesprungen und die Farbe und beginnende Schwellung um sein Auge herum ließen vermuten, dass Trevor die nächsten Tage als halbblinder Regenbogen verbringen würde. Aber er strahlte von einem Ohr zu anderen und das Blut war nicht weit heruntergetropft, sondern hatte sich in seinen Mundwinkeln gesammelt. Er wirkte nicht im Geringsten geknickt, dass er gerade einen bestimmt epischen Kampf mit fliegenden Kugeln und Messern und Fäusten und heldenhafter Rettung einer entführten doppelköpfigen Meerjungfrau verpasst hatte.
Stattdessen studierte er die Leichen wie ein erfahrener Kriegsveteran streitende Kinder auf einem Spielplatz anschauen würde (das war ein seltsames Hobby für einen Kriegsveteran, aber es gab sicherlich eine völlig legitime Erklärung dafür), registrierte die Kutscher und alle anderen, die den Straßenstaub um sie herum langsam in Pfützen aus dunklem Matsch verwandelten. Er sah seine Crewmitglieder an. Dann hinunter auf den Toten in Marineuniform. Dann wieder hoch. Dann wieder hinunter. Dann deute er mit der freien Hand auf die Bäume hinter sich und sagte:
„Ich wette, da liegen jetzt ein paar nackte echte Banditen in dem Wäldchen.“
Er bückte sich zu dem Außen-Bandit-innen-Marinesoldat-Bonbon (Vitamine und Naschen!) hinunter, packte einen Zipfel des zerschnittenen Stoffes und zog ihn unter dem Toten hervor.
„Nicht dass ich nachgeschaut hätte. Aber. Ich mein, die müssen geklaut sein, oder? Oder?! Was wenn nicht. Was haben die sich gedacht, als die sich morgens angezogen haben? ‚Hey Boss, meinste ich soll meine Uniform drunter ziehen?‘ – ‚Ja klar, einmal Marine, immer Marine!‘“
Hey, er konnte die Soldatenstimmen ganz hervorragend nachahmen! Gut, vielleicht war er ein bisschen zu enthusiastisch. Kriminelle Marine, wuhu! Er wischte seine rußverschmierten Hände an dem Stoff ab, bugsierte den Pferdekopf unter seinem Arm hervor – Trevors gesamte rechte Körperhälfte war dunkelrot gefärbt, bis hin zu den Zehen – und wickelte ihn darin ein.
„Und dann sind sie in der Julisonne die Straße entlang gestiefelt, kein Schatten nirgendwo, und haben sich wer weiß wie lange in dem Wäldchen versteckt!“
Er wuchtete das Paket auf die Ladefläche einer der Kutschen. Nach kurzem Nachdenken legte er auch die beiden Stiefel dazu. Der linke, der oben zugebunden war, fiel sofort um, wackelte und ruckelte und buckelte und erweckte ganz allgemein den Anschein, als würde er gleich aufspringen und davon hüpfen. Trevor zückte seinen Dolch, rammte ihn in das Holz und wickelte die Schnürsenkel um den Griff, als würde er ein Miniaturpferd an einem Pflock festbinden.
„Andererseits, es macht ihnen dann doch sicher nichts aus, wenn ich mir ihre Schuhe borge, oder. Ich hatte schon mal welche! Sehr bequem. Liegt jetzt aufm Meeresgrund. Tief unten. Beim Schatz.“
Der Gedanke ans Absinken packte ihn unvermittelt. Er drehte der Kutsche den Rücken zu, runzelte die Stirn, rutsche daran hinab. Was war das, die Welt war so langsam plötzlich. Nein, Moment, nicht ganz, er hatte bloß bisher auf doppelter Geschwindigkeit geredet und hantiert und geatmet und jetzt, jetzt – seine Finger zitterten. Er blinzelte heftig.
„Oh, hallo“, sagte er zu Josiahs Opfer neben sich, bevor sein Kopf auf die Schulter des Toten kippte.
[Lavendelallee | bei Alex, Josiah und Zairym | kommt von hinter dem Wäldchen | jetzt an idk welcher Kutsche, kuschelt mit Josiahs vorletztem Opfer | sagt pseudoschlaue Sachen, klingt aber wie eine zerkratzte CD auf doppelter Geschwindigkeit]