20.06.2023, 20:58
Lissa’s Blick blieb noch einem Moment länger an der sitzenden jungen Frau hängen, die offensichtlich immer weniger begeistert von ihrem Spitznamen war. Was sprach denn gegen das ‚Schätzchen‘? Sie meinte es doch nur gut. Besser, als wenn sie einfach immer wieder nach den Namen fragen musste, oder? Denn – mal ehrlich – Namen waren absolut nicht Lissas Stärke. Aber mehr als ein entschuldigendes Kopf neigen, konnte sie der jungen Frau eh nicht schenken, da zwei weitere Personen ins Zelt purzelten. Und da war es wieder. Dieses dringende Gefühl, ein kurzer Knoten in der Brust, gefolgt von einem erleichterten Lösen. Der Grund für ihre Anwesenheit, oder nicht?
Die Alleshändlerin hinterfragte ihre eigenen Gefühle nicht, denn die wussten immer, wann sie etwas zu tun hatte, richtig? Und genau das war der Fall, als sie den Namen der Blonden hörte. Deshalb hatte sie ihnen gut gelaunt vorgeschlagen, sich in ihrem Zelt zu verstecken. Auf den Gedanken, dass sie mit ihren Worten, sie hätte etwas für Talin, Zweifel sähte, kam sie gar nicht. Sie wusste nur, dass sie die junge Frau zu sich ins Zelt bringen musste, weil sie nicht mit dem, was sie ihr geben wollte, über den Markt rennen wollte. Am Ende war Talin wieder weg und Lissa stand dann im Regen – im übertragenen Sinne.
Am Ende wollten die beiden Frauen immerhin mit ihr mitkommen und schon wollte sie sich auf den Weg machen, als der Wahrsager dazwischen sprang. Lissa legte verwirrt die Stirn in Falten, was sich schließlich in ein nachdenkliches Runzeln verwandelte. Sie tippte sich überlegend mit den Fingern ans Kinn, denn ganz Unrecht hatte der Wahrsager nicht. Wenn die beiden vor jemandem auf der Flucht waren, wäre es gut, sich in einem Zelt zu verstecken, was niemand findet, aber schlecht, wenn man ihnen direkt dahin folgt. Doch sie selbst war überfragt, was eine gute ‚Ablenkung‘ wäre. Sie blickte von den beiden Frauen zu dem Wahrsager – der andere Mann hatte aus ihr unerfindlichen Gründen die Beine in die Hand genommen – und schließlich zu der sitzenden Blonden. Sie fragte sich, ob sie sich wieder ein wenig von ihrem Gefühlsausbruch beruhigt hatte, wollte ihr aber nicht zu nahe traten, indem sie ihr auch noch eine Hand auf die Schulter legte.
„Kennst du dich hier aus, Schä ... Liebes? Weißt du eine Möglichkeit, wie wir hier vor Ablenkung sorgen können?“
Es war vielleicht falsch die junge Frau in den Plan mit einzubeziehen, falls sie überhaupt nicht helfen wollte, aber wieder sagte ihr ein Gefühl, dass dieser Plan am wenigsten gefährlich oder verrückt oder völlig abwegig war.