27.04.2023, 12:57
So lange wie möglich versuchte Alex die Szenerie, um Liam im Blick zu halten, auch wenn er unmöglich so schnell über die Bande hüpfen konnte, als dass er ihn wirklich vor irgendetwas hätte bewahren können. Angespannt hielt er die Luft an – und atmete auf, als Liam tatsächlich rechtzeitig auswich und sich von der Bande entfernte. Als Alex den Blick von seinem Freund löste, der hier so fehl am Platz wirkte wie ein Reh inmitten einer Stadt, hörte er seinen vorherigen Gegner bereits schwer die Luft einziehen und ausholen. Ein wenig genervt davon, sich mit ihm abgeben zu müssen, als im richtigen Kampfgetümmel mitzumischen, zog er den Oberkörper zurück und hörte die Faust an seinem Gesicht vorbeischnellen. Dass er dem Mann an seiner Seite keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte, hatte ihn überheblich werden lassen – zu seinem eigenen Nachteil. Alex griff nach seinem Handgelenk, drehte es und zog den Arm mitsamt seines Besitzers nach unten, bloß um ihm im nächsten Moment einen kräftigen Tritt zu verpassen. Mit einem Ächzen kippte sein Gegner nach hinten und Alex nutzte die kurze Pause, um sich schwungvoll über die Bande zu werfen. Eine Hand versuchte, ihn aufzuhalten, griff allerdings ungeachtet ins Leere.
An Liams Seite hatte sich inzwischen eine weitere Gestalt gestellt. Es war nicht der Typ, der gemeinsam mit ihm den Ring betreten hatte – wohin war der eigentlich verschwunden? – sondern zierlicher, femininer.Auf seinen Lippen zeichnete sich für einen kurzen Moment Belustigung ab. Das wurde ja immer verrückter. War Liam etwa hier, um seinen Mann für eine Frau zu stehen? Ha, so dumm war selbst er nicht. Vermutlich war ihm die Flamme gefolgt, weil sie sich die große Liebe erhoffte. Erklärte allerdings immer noch nicht, was Liam hier tat. Der Kommentar, dass sie das hier lieber den Männern überlassen sollte, blieb ihm dann aber doch im Halse stecken, als er zu den beiden aufgeschlossen hatte, und Gorilla-Flint kampfbereit ins Gesicht sah.
„Na sieh mal einer an – die Amazone höchst persönlich?“, stellte Alex mit einem Seitenblick fest. Dann war das hier wohl etwas Persönliches zwischen Flint und ihr. Um Liam die Peinlichkeit zu ersparen, sich von einer Frau verteidigen zu lassen, würde er das hier trotzdem liebendgern selbst übernehmen. Dafür waren Freunde immerhin da. „Bekommst du nicht genug davon, diesen Riesenaffen zu vermöbeln?“
Auf die Idee, dass die Amazone wegen Liam hier war, kam er selbstredend nicht. Liam war nicht der Typ für Untergrundkämpfe – zumindest nicht, wenn es um mehr ging, als Preisgeld abzugreifen. Andersherum gesehen – er war ein Musiker, ein Künstler. Nichts, wofür Menschen mit derartigem Kampfgeist wie hier viel übrig hatten. Alex hörte die Schritte in ihrem Rücken. Sein letzter Gegner schien sich wohl nach einem weiteren Tritt zu sehnen. Der zweite Handlanger war an Flints Seite aufgeschlossen, während der Gorilla wutentbrannt die Zähne bleckte. Er öffnete den Mund und Alex war bereit, seine kleine, unnötige Ansprache dazu zu nutzen, seinem Freund hinter ihnen ein weiteres Mal die Fresse zu polieren, doch das plötzlich anschwellende Gekläffe ließ ihn aufhorchen. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Ein schmerzerfüllter Schrei folgte, weitere gleich darauf und Alex wandte sich zwangsläufig um – der Kerl, der Liam vorhin noch festgehalten hatte, tat es ihm gleich. Die Menge, die eben noch gewaltbereit pulsiert hatte, hatte sich in einem Durcheinander verirrt – und zwischendrin blitzten immer mal wieder fellige Leiber auf, die Alex erst einen Moment später zuzuordnen versuchte. Das wurde ja wirklich immer besser. Der Blick des Lockenkopfes löste sich von der Menge. Kurzerhand nutzte er die Gelegenheit, dem Handlanger vor ihm mit einem gezielten Tritt die Beine unter dem Körper wegzuziehen, während er noch versuchte, die Situation zu begreifen.
„Ups, ‘tschuldige.“, warf er ihm leichthin mit einem Grinsen an den Kopf und wandte sich dann wieder zu den anderen vier Gestalten herum. „Das wäre gerade übrigens ein guter Zeitpunkt für uns, zu verschwinden, Liam. Nur für den Fall, dass du hier fertig bist.“ Flint sah das offensichtlich anders, denn seine wutentbrannte Fratze presste irgendetwas wie ‚So einfach kommt hier keiner davon‘ zwischen den Lippen hindurch.
]Mit einem Schritt nach vorne wollte er Skadi packen, während der Kerl an seiner Seite dazu ansetzte, Liam davon abzuhalten, seinem Boss auf den Sack zu gehen.