08.01.2023, 14:38
Die Worte der Soldaten hallten gedanklich in Dahlamon Thalis Verstand wider. Sie brauchte einige Sekunden, um die gesprochenen Laute in ihrem Kopf in ihre Sprache zu übersetzen, um ihnen einen Sinn zu verleihen. Ein Lächeln zog sich über ihre Lippen, als sie ihre Chance witterte ihre momentane Bleibe verlassen zu können. Mit einer schnellen Bewegung öffnete sie eine Flasche, deren Inhalt eine brennende Flüssigkeit war. Mit ein paar großen Schlucken stürzte sie die klare Flüssigkeit hinunter.
Der Geschmack, ekelhaft.
Die Wirkung, eine Karusselfahrt im Kopf und ein nach Rum stinkender Atem.
Ihr Blick wanderte zu einem Stofftuch, welches sie einem Obdachlosen entwendet hatte, dem sie auf ihrer Flucht begegnet war. Er hatte den Fetzen als Decke genutzt. Hastig schlang sie die Decke um den Körper und rümpfte ihre Nase.
Der Geruch, ein Mix aus Pisse, Kot und Erbrochenen.
Der betrunkene Obdachlose hatte anscheinend im Verlaufe der Zeit seinen gesamten Körperinhalt auf seiner Schlafstätte entleert.
Als betrunkener Bettler getarnt würde sich niemand für sie interessieren. Ganz im Gegenteil, der Gestank würde die Leute von ihr fernhalten. Und mit dem Stoff, den sie sich tief ins Gesicht zog würde somit keiner auf die Idee kommen ihr aus nächster Nähe ins Gesicht zu schauen um sie zu fragen, ob sie die gesuchte Person auf den Steckbriefen war, die in der gesamten Stadt verteilt ihre Verbrechen an den Pöbel verkündeten.
Ein letztes Mal blickte sie sich um, um sicher zu stellen, dass sie nichts vergessen hatte.
Der Keller, eine verwahrloste Unterkunft die mit einer Ruine gleichzusetzen war.
Schimmel und Moder durchzogen das Gewölbe. Hier ein Haufen Schutt, daneben eine verendete Ratte. Sonst nichts Außergewöhnliches.
Mit großen Schritten marschierte sie die Stufen empor, die in dieses Loch hinab führten, wobei ihre Beine mehr als eine Stufe auf einmal nahmen.
Die Tür öffnete sich.
Ein Quietschen.
Die Scharniere, alt und rostig.
Nicht mehr zu gebrauchen!
Die Sonne, quälend stechend in den Augen!
Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich an das helle Licht gewöhnt hatte. Wie lange war sie in dem Keller verblieben und hatte sich von Rum statt von Brot und Wasser ernährt? Sie wusste es nicht mehr. In gebückter Haltung, den Blick gesenkt, schob sie sich durch die Massen. Nun wirkte sie nicht groß und bedrohlich. Krank und gebrechlich. Stinkend nach Kot und Urin wie ein von Skorbut zerfressener Totgeweihter, der nicht mehr im Stande war seine Körperöffnungen zu kontrollieren. Ihr Ziel: die Mitglieder der Crew des Schiffes mit den roten Segeln. Diejenigen, die sie kurz zuvor aus ihrem Versteck beobachtet hatte und die sich nun in einen unweiten Hinterhof befinden mussten.
[Keller an der Kreuzung | Danach auf der Straße | In der Nähe von Isala, Rúnar, Tarón, Beiros]