03.11.2022, 20:45
Ein Grinsen ruhte auf ihrem Gesicht und sie zuckte nur gelassen und nichtssagend mit den Schultern. Als würde sie Shanaya verraten, dass es sie überhaupt nicht störte, als blutrünstig zu gelten, wenn sie beide ihren Hintern damit aus einer brenzligen Situation retten konnten, oder gar, dass sie in der Tat vor hatte, der Dunkelhaarigen die nächsten Monate mit dem Wort ‚Schätzchen‘ auf die Nerven zu gehen. Manche Dinge musste man nicht aussprechen, man schwieg und genoss sie einfach. Genauso wie die Tatsache, dass sie nun endlich aus diesem Laden verschwinden würden. Shanayas Liebe zu Karten in allen Ehren, aber Talin war es wirklich wohler, wenn sie sich wieder in der Menschenmenge verstecken konnten. Auch wenn der Einwand der Jüngeren die Blonde aufhorchen und das andere Mädchen mustern ließ. So vollbepackt, wie sie war, währe es sinnvoller, sie würden erst zum Schiff gehen und dabei aufpassen, dass ihnen niemand weiter folgte – nur um sicher zu gehen. Genau das war es auch, was sie ihr sagen wollte.
Doch bevor Talin den Mund aufmachen konnte, hörte sie etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Das Leise knarren einer Tür, das Geklapper von Geschirr. Verwirrt sah sie sich um, konnte nicht entdecken, bis sie ihren Kopf hob und oben im Obergeschoss einen Mann entdeckte, der sie und die ganze Situation noch nicht bemerkt hatte. Jaaaaa. Mist?
Ihre Gedanken rasten. Wäre es eine Geschichte, könnte sie so schnell wie der Blitz losstürmen, die Treppe nehmen und den Mann ebenso mit einem Schlag außer Gefecht setzen, wie die alte Dame. Doch das hier war kein Märchen und sie würde es niemals rechtzeitig schaffen, ohne dass er sich nicht zur Wehr setzen würde. Was blieb ihnen dann noch? Ihn erschießen? Auch wenn die Straßen vor dem Laden belebt waren, wäre ein Schuss mit ziemlicher Sicherheit zu hören. Also blieb nur noch eines...
Talins Gedanken setzten aus, als der Mann sie schließlich entdeckte, die Situation in sich aufnahm und mit Hilfe seiner bewusstlosen Arbeitgeberin und der leeren Vitrine schnell darauf schließen konnte, wer die beiden Frauen waren. Sein Schrei riss Talin aus der Starre. Sie stieß ein paar sehr unschöne Flüche aus, darunter auch über ihr Pech, dass sie sich nur über die alte Dame Gedanken gemacht hatten, sie könnte wieder aufwachen. Statt sich weiter einer Tat beschuldigen zu lassen, die sie eindeutig begangen hatten, oder dem Mann Zeit zugeben, sie in irgendeiner Form dingfest zunehmen, packte sie Shanaya beim Handgelenk und zog sie leicht. Zum Glück war die Tür und damit die Sicherheit der Straßen nicht fern. Dennoch konnte sie sich einen Kommentar nicht ganz verkneifen, als sie die Tür aufriss und die Dunkelhaarige vor ließ, bevor sie ihr nach draußen folgte.
„Ich fürchte, du wirst doch nicht so schnell hierher zurückkommen können.“
Und statt, wie sie eigentlich geplant hatte, den Weg zum Schiff einzuschlagen, nahm sie die Beine in die Hand und lief in Richtung Markt, um dort für den Moment untertauchen zu können. Zu unsicher der Gedanke, ihnen könnte jemand folgen und sie bei der Sphinx aufgreifen.
[im Kartenladen, dann auf den Straßen Ostya Richtung Markt | mit Shanaya]