30.10.2022, 03:08
„Ich, ein Schnüffler?!“
Völlig schockiert griff Trevor sich ans Herz. So hatte ihn noch niemand genannt. (Gut, das eine Mal, aber da war er auf der Suche nach Ellhans geheimen Rumvorrat gewesen und hatte seine Nase buchstäblich einsetzen müssen, nicht in dem übertragenem Sinn, den der alte Kutscher ihm hier vorwarf; das zählte nicht.)
„Nie im Leben. Torc und dein Boss – wer war das noch gleich? – müssen sich keine Sorgen machen. Es gibt absolut keinen Grund, mich nicht zu mögen!“
Er drehte sich halb um und schenkte Kutscher Torc auf dem Wagen hinter ihnen ein blendendes Lächeln, gepaart mit einem von diesen Winkern, bei denen man mit jedem Finger einzeln wackelte. Tss, er hätte ja nicht vier Jahre als Pirat überlebt, wenn er sich von jedem zahnlosem Mann mit Flinte einschüchtern lies, der auf seinem Schatz hockte. Außerdem, wenn die drei (vier, mit der Meerjungfrau. Oder fünf, weil sie zweiköpfig war?) Kutscher ach so wehrhaft waren, wozu hatten sie dann die Crew der Sphinx angeheuert?
„Hey, ich hab auch noch Zehen.“
Trevor machte eine weitere halbe Umdrehung auf seiner Truhe und knüpfte nahtlos an das vorherige Gespräch mit Alex an – indem er ihm seinen Fuß vors Gesicht hielt. Hinter einem Loch im Stiefel wackelte sein großer Zeh, große mathematische Genies brauchten nämlich Luft zum Denken. Dem Kutscher reichte das offenbar als Beweis für Trevors absolute Vertrauenswürdigkeit und er wandte sich wieder dem Staub der Straße zu.
Trevor hielt tatsächlich kurz die Klappe. Seine linke Augenbraue wanderte mit jeder Sekunde höher, die Alex damit verbrachte, zwischen ihm und dem alten Mann hin und her zu sehen.
Ha, da! Kaum hob der andere die Hand zum Ansatz einer geheimnistuerischen Geste, strahlte Trevor triumphierend auf. Klar, er hätte auch ohne „Erlaubnis“ (pff) nachgeschaut. Aber Komplizen machten die Sache doch gleich viel unterhaltsamer! Er senkte seine Stimme auf das gleiche Verschwörungslevel.
„Finde du eine Abl–“
Josiahs Pfiff unterbrach ihn. Er warf kurz einem Blick zu ihm, zum Feld, zum Kutscher. Wieder zum Feld. Da war nichts. Außer Blümchen. … Hey! Schicksal!
„Oh, habt ihr das gesehen?! Gehört?! Gero– äh, was auch immer. Ich fürchte, wir sollten all unsere Aufmerksamkeit einem potenziellen Überfall widmen, keine Zeit für Meerjungfrauensuche.“
Er setze den ernsten Söldner-Blick auf, den er vorhin bei Zairym geübt hatte, und zückte seinen Dolch. Selbstverständlich hatte er ein Schlossknacker-Talent ungeahnten Ausmaßes (das auch besser ungeahnt blieb), aber wenn er die Truhe nicht gerade hintenüber und dem nächsten Pferd vor die Hufe werfen wollte, war eine Klinge immer noch der schnellste Weg. Außerdem konnte er sich damit auch gleich verteidigen, falls etwas oder jemand wirklich gerade ein Lavendelbad nahm. Oh hey, oder die Truhe auf ihn werfen. Jep, das war definitiv der Grund, warum er sich jetzt daran zu schaffen machte. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
[Lavendelallee | mit Alex im ersten Wagen | nahe Josiah und Zairym]