12.10.2022, 20:37
Es war der stämmige Seebär, der sich schließlich als eigentlicher Eigentümer der kleinen Echse zu erkennen gab, obgleich Beiros den Rest der Gruppe nichtsdestotrotz als dessen Familie wertete. Ganz so, wie sie es ihm zunächst eröffnet hatten. Doch da Tarón in diesem Moment das Sprechen übernahm, richtete sich die Aufmerksamkeit des Barden auch ganz und gar auf ihn. Ein amüsiertes Schmunzeln erschien auf seinen Lippen, das auch die tiefen Heiterkeitsfältchen an seinen Augen betonte.
„Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Tarón“, erwiderte er zunächst mit einem unerschütterlich herzlichen Lächeln, das erst mit dem nächsten Atemzug ein wenig verblasste. „Basiliskenfarn wächst nur auf einer einzigen Insel in der Vierten Welt, die ich hin und wieder besuche, wenn es meine Zeit erlaubt.“
Für einen Moment zögerte er, warf zunächst dem Falken einen nun deutlich aufmerksameren Blick zu und wandte dann den Kopf herum, um zu Isala und der immer noch vor sich hin gurrenden Echse zu sehen. Etwas an diesem Thema widerstrebte dem Barden sichtlich und er verbot sich – nur vorsichtshalber – den genauen Standort besagter Insel Preis zu geben. Zwar bezweifelte er rein instinktiv, das Tarón und seine Freunde zu jenen Menschen gehörten, die einem Basilisken Böses wünschten, doch sicher wissen konnte er das nach einer derart kurzen Begegnung nicht. Also beschränkte er sich auf unverfänglichere Informationen, die Raum für Spekulation ließen.
„Dort, wo auch seine Art einst heimisch war.“ Beiros löste den Blick von Calwah und richtete die dunklen Augen wieder auf Tarón. Ein bekümmerter Zug lag nun auf seinen Lippen. „Euer kleiner Freund ist eine wahre Seltenheit. Ihr solltet gut auf ihn Acht geben.“
Und Letzteres war nicht nur ein gut gemeinter Rat. Da lag etwas in seiner Stimme, eine Eindringlichkeit, ein Flehen, vielleicht eine Warnung, die Beiros jedoch nicht weiter ausführte. Stattdessen griff er erneut in seine Umhängetasche und holte einen weiteren Schwung Blätter hervor, die er den beiden Männern ihm gegenüber anbietend entgegenhielt.
„Wenn Ihr es wollt, überlasse ich Euch gern ein Bündel meines Farnvorrats. Nur für den Fall, dass Euch Eure Echse mal wieder abhanden kommt. In getrockneter Form wird er es über mehrere hundert Schritt riechen können.“
Elian gab sich die größte Mühe, Gregorys strahlendes Lächeln einfach zu übersehen. Da ihm das allerdings nicht sonderlich gut gelang, stieß er nur ein leises Seufzen aus und nickte auf den Vorschlag des Schiffsarztes schlicht. Dann wandte er sich ohne jedes weitere Wort ab und machte sich auf den Weg Unterdeck.
Die von unzähligen Gängen durch den Schiffsrumpf sicher gewordenen Schritte führten ihn ohne Zögern zum Lazarett und auch wenn es vielleicht gerade einmal fünf Minuten dauerte, bis er das Schachbrett aus dem Schrank geholt hatte, in dem es lag, genoss er den kurzem Moment des Alleinseins durchaus. Er ging sogar so weit, erst noch die Figuren durchzuzählen, als müsse er sichergehen, dass sie keine verloren hatten, bevor er sich schließlich dazu aufraffte, den Rückweg anzutreten. Natürlich fehlte keine der insgesamt 32 Spielfiguren und er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Vielmehr schindete er Zeit ohne Grund. Ohne sie mit Sinn oder wenigstens Grübelei zu füllen. Dann verließ er das Lazarett und kehrte an Deck zurück.
Gregory war immer noch da. Und noch immer lag der Hafen in ruhiger Dunkelheit. Trotzdem rang er sich zu einem schwachen Versuch von Konversation durch, als er an die Kiste herantrat, die ihnen als Tisch dienen sollte, und sowohl Spielbrett als auch Figurenschatulle darauf abstellte.
„Und? Hat sich da unten irgendetwas getan?“
Er nickte in Richtung des Hafengeländes, bevor er den Blick hob und den Schiffsarzt in der Dunkelheit in den Blick fasste. Sie würden auf jeden Fall noch eine Lampe in der Nähe brauchen, wenn sie die Spielzüge ihres Gegenübers überhaupt erkennen wollten.
Wohlig seufzend klopfte sie sich auf den Bauch, der nun wieder gut gefüllt war, nachdem er sie vor nicht allzu langer Zeit wütend angeknurrt hatte. Sie dachte wirklich, sie könnte es aushalten und wollte in ihrem Zelt verharren, vielleicht einmal wieder in einem ihrer Bücher schmökern, während das Gefühl des Anwesendsein müssens ihr Herz schneller schlagen ließ. Aber letztlich hatte das knurrende Ungeheuer, zu dem sich ihr Magen verwandelt hatte, gewonnen und Lissa hatte sich auf die Suche nach etwas zu Essen begeben. Und dieses leckere, gefüllte und noch warme Brot war genau das Richtige für sie gewesen. Wahrscheinlich waren nur aus diesem Grund auch ihre Schritte wieder beschwingter, als sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Zelt machte.
Während sie über den Markt schlenderte, sah Lissa sich nach allen Seiten genau um, musterte neugierig die feilgebotenen Dinge, das lecker riechende Essen und die Spiele, die sie zum Schmunzeln brachten. Sollte sie es nicht vielleicht auch einmal probieren mit dem Hammer auf die Platte zu schlagen und dem Metallstück dabei zusehen, wie es in die Höhe schoss und laut gegen die Glocke schlug? Mit dem richtigen Hammer würde sie das vermutlich schaffen können.
Die Braunhaarige hatte sich gerade dazu entschieden genau das zu tun, als ihre Füße wie von selbst eine andere Richtung einschlugen. Neugierig, wohin ihre untere Körperhälfte sie führen wollte, schaute sie sich wieder um und entdeckte eine ältere Frau an einem karg aussehenden Stand. Ein erfreutes Lächeln stahl sich auf Lissas Gesicht, aber bevor sie die Frau ansprechen konnte, wurde diese von einem Mann abgelenkt. Also blieb die Alleshändlerin stehen und ergab sich dem Warten. Während sie die beiden Menschen beobachtete, holte sie ihren wunderschön, roten Apfel heraus, rieb diesen ein paar Mal an ihrem Ärmel, bevor sie herzhaft hineinbiss und mit einem belustigten Grinsen den Mann dabei beobachtete, wie er der Frau die Karten legte. Lissa fand Tarotkarten unglaublich faszinierend. Sie meinte schon einmal gehört zu haben, dass die richtige Legung einen das Leben retten konnte. Oder hatte sie es irgendwo gelesen? Nun ja.
Doch ihr Lächeln schwand bald und wich einem Stirnrunzeln, während ihre Biss in den Apfel eher zaghafter und nachdenklich wurden. Sie kam nicht umhin, näher an den Tisch zu treten, um genauer hören zu können, was der Mann der alten Dame blaues vom Himmel log. Er machte seinem Beruf damit keine Ehre, Geld für Lügen zu nehmen. Aber genau das tat er.
Lissa runzelte die Stirn, als sie das Gold sah, welches den Besitzer wechselte und wie die Frau schließlich glücklich mit den gehörten Lügen von dannen zog. Lissa drehte sich wieder zu dem Mann, biss in ihren Apfel, während sie ihn zweifelnd dabei beobachtete, wie er seine Karten mischte. Unschlüssig, ob sie jeden weiteren Kunden warnen oder ihn auf seine Machenschaften ansprechen sollte. Schließlich gewann ihre Neugierde die Oberhand, denn sie wollte verstehen, warum er nicht einfach ehrlich sein konnte – so wie sie selbst.
Sie warf den Griebsch in ihrer Hand zur Seite, hockte sich neben den improvisierten Tisch des Mannes und sah ihn mit leicht gerunzelter Stirn an.
„Du hast sie angelogen, Hübscher.“