06.09.2022, 19:27
Er hätte vermutlich weghören sollen. Die Unterhaltung zwischen zwei Fremden ging ihn schließlich nichts an. Jedenfalls nicht, solange sie keine relevanten Informationen für den Jungen enthielt. Andernfalls war es natürlich durchaus praktisch, dass Cole stets mit gespitzten Ohren durch die Straßen lief. So manch einer würde kaum glauben, was man auf diese Weise alles aufschnappen konnte. In der aktuellen Situation jedoch, in welcher der Blonde es eigentlich darauf abgesehen hatte, sich so schnell und unbemerkt wie möglich davonzustehlen, war seine Neugier eher hinderlich. Oder sein gutes Gehör. Oder beides.
Cole hatte der Frau, die ihn eben noch so freundlich gefragt hatte, ob alles in Ordnung sei, längst den Rücken gekehrt und hatte keine Ahnung, mit wem sie sich unterhielt. Es wäre ihm auch vollkommen egal gewesen, wenn nicht die Antwort der angesprochenen Person in kurz aufhorchen ließ. Es war nicht einmal ein innerer Disput zwischen Vernunft und Wissensdrang, sondern vielmehr ein Reflex, völlig automatisch, der den Jungen nun doch einen Blick über die Schulter werfen ließ. Und hätte nicht eine Verkettung unglücklicher Zufälle dazu geführt, dass er die Angesprochene kannte – sie waren immerhin einmal flüchtig aufeinandergestoßen, damals vor einer Minute – er hätte es vermutlich einfach auf sich beruhen lassen. Nur, dass ihm jetzt auch noch die Worte eines alten Freundes wieder einfielen, dass man zusammenhalten müsse, ganz besonders dann, wenn man Dinge tat, die dazu führten, dass dein Porträt eines Tages einen Steckbrief zieren könnte. Ob es das im Falle seiner Aufprall-Partnerin tatsächlich tat, wusste Cole natürlich nicht. Nicht sicher zumindest, auch wenn ihre Antwort eigenartig spezifisch war. Wessen er sich allerdings sehr sicher war, war dass die andere Frau – die freundliche – sie dessen verdächtigte. Das war deutlich aus ihren letzten Worten zu hören, die sie offenbar noch an ihn gerichtet hatte, ohne bemerkt zu haben, dass er längst nicht mehr neben ihr stand.
In der Viertelsekunde, in der sich beide Frauen voneinander abwandten, kaute Cole unschlüssig auf seiner Unterlippe herum, zog scharf die Luft ein und kam zu keinem Schluss, ob das, was in seinem Kopf herumschwirrte klug oder überhaupt notwendig war. Und dann rannte er trotzdem los. Vorbei an der freundlichen, misstrauischen Frau und genau in Richtung der vermeintlichen Kopfgeldträgerin.
„Schwesterherz!“
Er hätte auch ‚Mama‘ sagen können, aber dafür wirkte sie dann doch noch etwas jung – oder Cole zu alt. Aber den kleinen, verirrten Bruder konnte er wohl noch spielen. Um klar zu machen, dass er auch wirklich sie meinte, fiel er der Dunkelhaarigen im nächsten Schritt kurzerhand in die Arme, nur um sich dann wieder zu der anderen Frau umzudrehen.
„Vielen Dank, dass Sie meine Schwester gefunden haben! Ich habe sie schon überall gesucht!“
Man hätte Cole in diesem Moment nicht fragen dürfen, warum er das hier machte. Und wenn man es doch tat, hätte er vermutlich seinen Geburtstag als Grund vorgeschoben. So oder so war sein verzweifelt-erleichterter Gesichtsausdruck durchaus publikumsreif. Blieb zu hoffen, dass er auch die misstrauische Frau überzeugte. Aber wer so einen niedlichen kleinen Bruder hatte, konnte ja wohl keine schlimmen Dinge tun, oder?
„Wollen wir nach Hause gehen? Mutter wartet sicher schon.“
Worte, deren Bedeutung Cole nie verstehen würde, aber er war gut darin, sie nachzuplappern. Seine Hand griff nach dem Unterarm der jungen Frau und er machte Anstalten, sie einfach wegzuziehen, bevor sie sich noch selbst verraten konnte. Nur bis zur nächsten Ecke. Dann hätte er seine gute Tat für den Tag vollbracht.
Cole hatte der Frau, die ihn eben noch so freundlich gefragt hatte, ob alles in Ordnung sei, längst den Rücken gekehrt und hatte keine Ahnung, mit wem sie sich unterhielt. Es wäre ihm auch vollkommen egal gewesen, wenn nicht die Antwort der angesprochenen Person in kurz aufhorchen ließ. Es war nicht einmal ein innerer Disput zwischen Vernunft und Wissensdrang, sondern vielmehr ein Reflex, völlig automatisch, der den Jungen nun doch einen Blick über die Schulter werfen ließ. Und hätte nicht eine Verkettung unglücklicher Zufälle dazu geführt, dass er die Angesprochene kannte – sie waren immerhin einmal flüchtig aufeinandergestoßen, damals vor einer Minute – er hätte es vermutlich einfach auf sich beruhen lassen. Nur, dass ihm jetzt auch noch die Worte eines alten Freundes wieder einfielen, dass man zusammenhalten müsse, ganz besonders dann, wenn man Dinge tat, die dazu führten, dass dein Porträt eines Tages einen Steckbrief zieren könnte. Ob es das im Falle seiner Aufprall-Partnerin tatsächlich tat, wusste Cole natürlich nicht. Nicht sicher zumindest, auch wenn ihre Antwort eigenartig spezifisch war. Wessen er sich allerdings sehr sicher war, war dass die andere Frau – die freundliche – sie dessen verdächtigte. Das war deutlich aus ihren letzten Worten zu hören, die sie offenbar noch an ihn gerichtet hatte, ohne bemerkt zu haben, dass er längst nicht mehr neben ihr stand.
In der Viertelsekunde, in der sich beide Frauen voneinander abwandten, kaute Cole unschlüssig auf seiner Unterlippe herum, zog scharf die Luft ein und kam zu keinem Schluss, ob das, was in seinem Kopf herumschwirrte klug oder überhaupt notwendig war. Und dann rannte er trotzdem los. Vorbei an der freundlichen, misstrauischen Frau und genau in Richtung der vermeintlichen Kopfgeldträgerin.
„Schwesterherz!“
Er hätte auch ‚Mama‘ sagen können, aber dafür wirkte sie dann doch noch etwas jung – oder Cole zu alt. Aber den kleinen, verirrten Bruder konnte er wohl noch spielen. Um klar zu machen, dass er auch wirklich sie meinte, fiel er der Dunkelhaarigen im nächsten Schritt kurzerhand in die Arme, nur um sich dann wieder zu der anderen Frau umzudrehen.
„Vielen Dank, dass Sie meine Schwester gefunden haben! Ich habe sie schon überall gesucht!“
Man hätte Cole in diesem Moment nicht fragen dürfen, warum er das hier machte. Und wenn man es doch tat, hätte er vermutlich seinen Geburtstag als Grund vorgeschoben. So oder so war sein verzweifelt-erleichterter Gesichtsausdruck durchaus publikumsreif. Blieb zu hoffen, dass er auch die misstrauische Frau überzeugte. Aber wer so einen niedlichen kleinen Bruder hatte, konnte ja wohl keine schlimmen Dinge tun, oder?
„Wollen wir nach Hause gehen? Mutter wartet sicher schon.“
Worte, deren Bedeutung Cole nie verstehen würde, aber er war gut darin, sie nachzuplappern. Seine Hand griff nach dem Unterarm der jungen Frau und er machte Anstalten, sie einfach wegzuziehen, bevor sie sich noch selbst verraten konnte. Nur bis zur nächsten Ecke. Dann hätte er seine gute Tat für den Tag vollbracht.