02.09.2022, 12:08
Während Shanaya mit vollkommener Sicherheit in den blauen Augen die alte Frau betrachtete, machte sie sich schon einmal darüber Gedanken, wie sie an die restlichen Karten kommen würde. Sie hatte, bis zu dem Moment in dem Liam ihm die Karte der Kälte gezeigt hatte, noch nie von diesen Karten gehört. Und jetzt sollte es davon sieben (vielleicht sogar acht?) geben. Eine Tatsache, die ein loderndes Feuer in Shanaya zündete, das sicher nicht all zu schnell erlöschen würde. Die junge Frau lauschte der Erzählung ihres Gegenübers. Die Bibliotheken von Cheliya. Ein vielsagender Blick galt Talin, in dem ihre Freundin erkennen würde, was Shanaya gerade durch den Kopf ging. Und sie musste nicht einmal ihren zwei Lieblings-Captains Honig um den Mund schmieren, da ihr Kurs sie drüher oder später sowieso dorthin führen würde. Kurz huschten ihre Gedanken zu Ceallagh, zu Liam, die sie in diese Suche garantiert mit einbeziehen konnte. Wen es viele Informationen zu diesen Karten geben würde, wären sie schon längst zu ihr durch gedrungen… und vielleicht hätte sie schon mehr als eine in ihrem Besitz. Immerhin waren es fast zwei, dessen war die Schwarzhaarige sich noch immer sehr, sehr sicher.
Die alte Verkäuferin wollte ihr aber noch immer einen Strich durch die Rechnung machen, zog die Karte nach Shanayas letzten Worten ein wenig zu sich und schien besorgt, dass sie ihre Worte wahr machen würde. Tja, sie schreckte nun leider wirklich nicht vor viel zurück, um ihre Ziele zu erreichen. Ob das nun ein paar Monate auf dem Schiff ihres Bruders waren oder ein, zwei Leichen mehr auf ihrer Liste. Kleinigkeiten. Sie ließ sich von der Missbilligung der Frau gegenüber jedoch nichts anmerken, biss sich nur leicht bei den Worten ihres Gegenübers auf die Zungenspitze. Sie wollte die Karte zurück in die Vitrine legen, drehte ihnen den Rücken zu und Shanayas Blick legte sich für zwei Herzschläge auf ihre Karte, die noch auf dem Tresen lag. Eins ihrer wertvollsten Stücke… und die konnte man ihr für kein Geld abkaufen. Leicht neigte die Schwarzhaarige den Kopf, verdrängte den Gedanken daran, der sie nur ablenken würde und setzte wieder ihr charmantes Lächeln auf. Sie hatte noch ein paar Karten dabei… aber wollte sie diese eintauschen? Ohne zu antworten wandte Shanaya sich ihrer Tasche zu, zog zwei Seiten Papier hervor, auf denen feine Linien zwei Inseln formten.
„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, aber ich denke...“
Ein dumpfes Geräusch unterbrach Shanaya. Blinzelnd warf sie einen Blick an ihre Seite – wo Talin nicht mehr stand. Die Blonde hatte sich zu der alten Verkäuferin begeben – die nun am Boden lag. Scheinbar nicht wirklich bei Bewusstsein. Shanaya blinzelte, schnaufte dann leise und lachte schließlich auf. Gut… dann eben so.
„Ich bin entsetzt, dass du nicht zugelassen hast, dass ich sie mit meinem Charme überrede. Ich hatte sie fast! Eine alte Frau zu schlagen… ich bin immer wieder begeistert von dir.“
Gespielter Vorwurf schwang in Shanayas Stimme mit, in ihren blauen Augen lag jedoch mehr ein amüsierter Ausdruck, ein Lachen untermalte ihre letzten Worte. Das einzige, was diesen schmähte war der Gedanke daran, dass sie diesen Laden vermutlich nie wieder betreten brauchte… vielleicht konnte sie das aber noch irgendwie retten? Die zwei Karten, die sie gerade hervor gezogen hatte, platzierte die Schwarzhaarige auf dem Tresen, zog ihre Karte der Insel der Drachenritter wieder vorsichtig zu sich. Bei den beiden anderen prüfte sie dir Rückseite, drehte sie um und griff nach einer Feder, die in einem Tintenglas auf dem Tresen stand. Mit geübten Bewegungen malte sie in jeweils eine Ecke der Rückseite ein verschwungenes A und ein S. Ein kleines Symbol, das sie immer wieder erkennen würde. Dann drehte sie die Karten wieder auf die richtige Seite, stellte die Feder zurück. Zusätzlich griff sie noch in ihre Tasche, fischte ein paar Münzen aus ihrem Lederbeutel und legte sie neben die Karten. Vielleicht half das ja, die Alte zu besänftigen. Damit sie diesen Laden noch einmal betreten konnte… nur… was taten sie, wenn sie jetzt wieder aufwachte? Sie konnten eine Scheibe zur Straße zerbrechen, ihr gestehen, dass sie verfolgt wurden und jemand etwas durchs Fenster geworfen hatte, was leider die Falsche getroffen hatte? Sie konnte lügen… sie hatten einen Deal abgeschlossen, dann war der Angriff gekommen… und Shanaya und ihre Freundin hatten flüchten müssen. Aber weil sie eine ehrenhafte Bürgerin war, hatte sie ihre Schuld beglichen. Natürlich. Und die fremde Karte, die nur in der dritten Welt funktionierte? Nein… die hatten sie nicht ergaunert. Das musste ihr Verfolger gewesen sein. Bedauernswert, jetzt musste sie dieser Karte hinterher jagen. Schade aber auch. Immerhin wurden sie ja wirklich irgendwie verfolgt. Ein Gedanke, der ihr die ganze Zeit leise im Hinterkopf herum geschwirrt war.
Talin lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder um, mit einem Lächeln, und einem vornehmen Neigen ihres Kofpes, nahm Shanaya das Transportgerät entgegen und trat nun selbst um den Tresen herum. Sie griff noch nach einem anderen Zylinder, ließ sich jedoch nicht viel Zeit, die beiden Karten zu bewundern. Mit schnellen Bewegungen, bei denen sie die Zähne fest aufeinander biss, um die Wärme auszuhalten, verstaute sie die Karte in dem kleineren Zylinder, dann die zwei Karten, die sie ausgesucht hatte, die Karte der Drachenritterinsel und die zu dem Ort, der verschollen war, in den den Größeren. Das kleine Beutelchen, in den die Alte den Sand gefüllt hatte, landete in ihrer Tasche. Erst, als sie alles sicher verstaut hatte, hob sie die blauen Augen zu Talin.
„Was jetzt, Captain? Es verlockt viel zu sehr, dass ich mich hier noch etwas umsehe… ich habe da noch ein paar gesehen, die mich sehr interessiert haben.“
Hin und her gerissen betrachtete sie ihre Freundin, ließ den Blick dann über das Sofa zu den Regalen wandern. Und… es gab ja auch noch diese Treppe. Gab es da oben vielleicht noch mehr wertvollen Kram? Sollte sie bei der Alten vielleicht noch einmal nachtreten, damit sie genug Zeit hatten? Fragen über Fragen.
[Kartenladen | Talin & die ko geschlagene Alte]