28.08.2022, 16:04
Ein Hauch von Anspannung ...Neben Zairym verzog der Kutscher kurz das Gesicht, als Trevor dem Söldner offen widersprach und andeutete, er müsse den Inhalt der Truhen schon aus Prinzip erfahren. Und das Gesicht, das der bärtige Rothaarige dabei machte, wirkte keineswegs freundlich. Die wässrig grünen Augen verfolgten den chaotischen jungen Mann wachsam, während dieser zum nächsten Wagen hopste und sich auf die Ladefläche warf, doch es war der Alte neben Alex, der schließlich das Wort ergriff.
„Ich an deiner Stelle“, wandte dieser sich an Trevor und drehte den Kopf gerade so weit zur Seite, um über die eigene Schulter hinweg gehört zu werden, „würde auf deinen Kumpel hören und unsere Fracht mal besser Fracht sein lassen. Der Boss mag Schnüffler nicht. Und unser Torc hier hinten auch nicht.“ Damit nickte er grob in Richtung des Rothaarigen an Zairyms Seite, der Trevor wie zur Bekräftigung dieser Worte ein zahnloses Lächeln schenkte und dabei unschuldig nach der Flinte griff, die zu seinen Füßen gelegen hatte, um sie mehr als offensichtlich auf seinem Schoß bereitzuhalten. An Trevors Begleiter schien er sich dabei nicht zu stören. Sicherlich verstanden sie die Geste nur als den ‚freundlichen‘ Wink, als die sie gemeint war.
In gemächlichem Tempo näherte sich die kleine Karawane auf diese Weise der langgezogenen Baumgruppe, die ein Lavendelfeld vom Nächsten abgrenzte. In deren Unterholz raschelte es leise, Buschwerk geriet in Bewegung. Doch keiner der drei Kutscher nahm davon Notiz. Sicher nur ein paar Rehe oder Feldhasen, die von den heranrollenden Wagen aufgeschreckt worden waren und ihr Heil in der Flucht suchten.
Einem aufmerksameren Beobachter entging jedoch nicht, dass sich die Bewegungen im Unterholz nicht von ihnen entfernten, sondern im Gegenteil abrupt zu verstummen schienen. Nur das ein oder andere Blatt bewegte sich noch, immer ein Stückchen näher an der Straße, gerade so auffällig, dass es auch die leise Brise hätte sein können, die den Duft der Blüten auf den Feldern an ihre Nasen trug.
Spielleitung für Alex, Trevor, Josiah & Zairym
Talins Frage lenkte den Blick der alten Verkäuferin zunächst auf die Blonde und ihr verzücktes Lächeln wurde ernster, verblasste jedoch nicht gänzlich. „Oh, sie ist nicht gestohlen, falls du das damit sagen willst. Aber du hast Recht: Es ist wirklich nicht leicht, sie aufzuspüren. Mein Cousin stieß vor langer Zeit in den Bibliotheken von Cheliya auf einen Hinweis, der ihn letztlich zu dieser hier führte. Aber es hat ihn unermesslich viel Gold gekostet, sie schließlich auch zu bekommen. Und er hat dabei sein halbes Bein verloren“, fügte sie fast beiläufig hinzu und zuckte leicht mit einer Schulter. Immerhin hatte sie ihn nicht zu diesem Abenteuer gezwungen. Hakon war freiwillig zu dieser Schatzsuche aufgebrochen, mit dem Versprechen, ihr diese Karte zu bringen. Dieses Versprechen hatte er gehalten.
Schließlich mischte sich jedoch die Schwarzhaarige wieder in das Gespräch ein und die Aufmerksamkeit der alten Dame wandte sich wieder ihr zu. Unwillkürlich hob sie eine ihrer buschigen Brauen, begegnete dabei dem Blick der Jüngeren, die sie aus himmelblauen Augen fest ansah. Sicherlich hätte der Ausdruck darin die Kartenhändlerin beeindruckt. So voller Leidenschaft, voller Ehrgeiz, unerschrocken und willensstark. Ein bisschen wie sie selbst in jungen Jahren. Doch ihre Worte bereiteten der Alten Unbehagen. Sie selbst hätte es nie und nimmer bei nur einer Karte belassen, wenn sie die Gelegenheit bekam, an eine zweite zu gelangen. Und wenn dieses Mädchen ihr in ihrer Leidenschaft wirklich so ähnlich war, dann würde sie auch alles daran setzen, an diesen ihren eigenen Schatz zu gelangen.
Plötzlich klang auch die als Witz interpretierte Todesdrohung gar nicht mehr so scherzhaft. Was, wenn sie in ihrem Verlangen, alle sieben dieser Karten zu bekommen, tatsächlich vor nichts zurückschreckte? Unwillkürlich zog die alte Verkäuferin das Pergament näher zu sich heran, entwand es damit den Fingern der beiden jungen Piratinnen, bevor sie sich etwas kratzig räusperte. „Nun...“, begann sie, stellte das Säckchen auf den Tresen und hob die Karte vorsichtig von der Ablage, um den Sand darauf vorsichtig zurück in sein Behältnis gleiten zu lassen und sie dann mit fahrigen Bewegungen wieder zusammenzurollen. „Dann hast du dir eine wirklich schwere Aufgabe aufgebürdet, Schätzchen. Leider weiß ich nicht, wo die anderen fünf Karten sein könnten. Die der Ersten Welt gilt bereits seit Jahrhunderten als verschollen. Und meine, fürchte ich, kann ich dir nicht überlassen.“ Sie wandte sich wieder der Vitrine zu, um das Pergament auf seinem samtenen Podest zu betten, und fuhr mit dem Rücken zu den beiden jungen Frauen gewandt fort: „Aber über den Preis der anderen Karte können wir reden. Ich möchte auch gar kein Gold dafür, wenn du stattdessen noch mehr von diesen Stücken bei dir hast, die aus deiner eigenen Feder stammen.“
Spielleitung für Talin & Shanaya
Rayon und Liam hatten ihren Begleitern kaum den Rücken zugewendet, als die Tür der Taverne ein weiteres Mal aufschwang und helles Nachmittagslicht in den diffus beleuchteten Schankraum ließ. Ein kleiner, offensichtlich aus den einfachsten Verhältnissen stammender Junge schlüpfte hinein, sah sich für einen Moment hektisch um. Auf dem jungen Gesicht lag ein gehetzter Ausdruck, Hilflosigkeit spiegelte sich in seinen dunklen Augen. Sein dunkles Haar war schmutzig, an einigen Stellen verfilzt und struppig, und auch seine Haut starrte vom Dreck der Straße, der in dunklen Flecken Wangen, Arme und Beine bedeckte. Das schlichte Hemd und die kurze Hose, die er trug, wirkten zu groß für seine schlaksige Statur und waren an etlichen Stellen eingerissen oder ungeschickt geflickt.
Sein erster Blick wanderte zum Tresen, wo die beiden Piraten den Wirt mit einer neuen Bestellung ablenkten. Ein Glücksfall für den Jungen, denn der beleibte Mann hinter der Theke hätte Gesindel wie ihn in seiner Taverne sicher nicht geduldet. Das taten die Wenigsten. Also nutzte er die Gunst der Stunde, flitzte hinter einem leeren Tisch entlang auf die Gruppe Männer zu, die ihm am nächsten saßen: Vier raue Seebären, wie es den Anschein machte, die sich ihre Biere schmecken ließen. Unvermittelt erschien er neben ihnen, legte dem einen hilfesuchend eine Hand auf den Unterarm. „Mister, bitte, ich brauche dringend Hilfe“, setzte er flehentlich an, doch der Bärtige schüttelte ihn mit düsterem Gesichtsausdruck ab. „Scher dich weg, Junge. Kannst bei wem anders hausieren geh’n!“
Der Junge zuckte zurück, als hätte er sich gerade einen Schlag gefangen und ließ den Blick hilfesuchend von einem zum anderen weiterwandern. Doch keiner der anderen drei Männer würdigte ihn noch eines Blickes. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als zurückzuweichen und es an einem anderen Tisch zu versuchen. Ein junger, gedrungener Mann saß dort, auf seinem Schoß eine leicht bekleidete Frau in auffällig buntem Kleid, dessen Träger bereits ihre Schulter hinabrutschte. Beide nahmen den Jungen kaum zur Kenntnis und während der Freier sein Gesicht begierig im Dekolleté der Dame vergrub, machte sie nur einen abweisenden Zischlaut in Richtung des Störenfrieds und wedelte ihn mit einer unwirschen Handbewegung hinfort.
Das Kind biss die Zähne zusammen, kämpfte gegen einen Anflug verzweifelter Tränen und wandte sich erneut um. Am nächsten Tisch saßen drei Gestalten: Zwei Männer und eine Frau, die allerdings auf keinem Schoß, sondern auf ihrem eigenen Stuhl saß. Und auch wenn einer der beiden Männer ob der breiten Narbe, die sich quer über sein Auge zog, wirklich bedrohlich wirkte, waren diese drei jetzt seine einzige Chance, ehe er Gefahr lief, vom Besitzer des Wirtshauses vor die Tür gesetzt zu werden. Und draußen auf der Straße hörten ihm die Leute noch weniger zu. Also nahm er sich mit einem Schniefen noch einmal zusammen und trat an den Tisch heran, steuerte bewusst auf die junge Frau zu. Vielleicht war sie empfänglicher für ein Kind, das Hilfe brauchte. Auch wenn es nur ein Straßenkind war.
Hilflos streckte er die Hand aus und zupfte an ihrem Ärmel, bis er sich sicher war, Cassys Aufmerksamkeit erlangt zu haben. Dann versuchte er es ein weiteres Mal. „Miss, ich... bitte. Ich brauche dringend Hilfe. Meine kleine Schwester...“ Weiter kam er zunächst nicht. Seine Stimme brach und er fürchtete sich zu sehr davor, erneut zurückgewiesen zu werden. Irgendjemand musste ihm doch helfen!
Spielleitung für Peregryne, Greo & Cassy
(Rayon & Liam)