27.08.2022, 16:52
Liams Blick verweilte kurz auf Per, dessen Aussage zwar beiläufig klang, aber irgendwie mehr Botschaft transportierte, als sie den Anschein machte. Doch was auch immer der Hintergrund war – jetzt und hier war nicht der Zeitpunkt, um es herauszufinden. Und der Lockenkopf war mit Sicherheit auch nicht der, der Per derart nahe stand, um Geschichten aus seiner Vergangenheit aufzuarbeiten, die er nicht von sich aus an Außenstehende brachte. Auch Greo konzentrierte sich mehr darauf, Cassy einen möglichen Ausweg aus ihrem Dilemma zu weisen. Liam nippte an seinem Bier und war gespannt auf ihre Antwort, wusste allerdings selbst, dass es nichts für jedermann – oder jederfrau – war, sein Leben der Musik zu widmen. Musik öffnete viele Türen, verlangte aber nach leichtem Gepäck und einem Lebensstil voller Verzicht. Es waren nicht nur ausgelassene Abende in Tavernen und auf Festen – zwischendrin lagen die Tage, an denen das Gold kaum für eine richtige Mahlzeit oder eine Überfahrt reichte. Wenn man zusätzlich noch alleine unterwegs war, stand Einsamkeit wohl ebenso hoch auf dem Programm.
Doch noch bevor Cassy zum Antworten kam, öffnete sich die Tür der Taverne und Rayon trat herein, was all ihre vorherigen Sorgen um ihren Freund in Luft auflöste. Liam lächelte verständnisvoll bei der Erklärung des Hünen, allerdings hatte er von sich aus beschlossen, sich alleine abzusetzen. Er hatte gewusst, worauf er sich einließ – umso mehr Erleichterung glaubte er nun aber im Schmunzeln des Dunkelhäutigen erkennen zu können. Wie aufopfernd, dass er all diese Mühen und Unannehmlichkeiten nur für die Crew auf sich nahm, die ihm – wie er mitteilte – schier die Haare vom Kopf fraß. Seine kleine Neckerei konnte Rayon dennoch nicht auf sich sitzen lassen. Der Lockenkopf schmunzelte breit und sah zu seinem Freund hinauf, der sich gleich darauf an die Blonde wandte und ihr mit seiner charmanten Art versicherte, dass es sich bei ihren Worten lediglich um Spaß handelte.
„Ich dachte bloß, ein bisschen Urlaub von den ‚gefräßigen Mäulern‘ würde dir auch mal guttun.“, stellte Liam daraufhin klar und zuckte mit den Schultern. „Aber wie es scheint, bin ich wohl der, den ihr hier ersetzen könnt.“
Nicht, dass er sich Sorgen machte – immerhin hielt die Crew der Sphinx mehr zusammen als ihre individuellen Talente und Fähigkeiten. Sie wurden gesucht. Für gar nicht mal so wenig Gold. Am sichersten waren sie, wenn sie beisammenblieben.
Pers Einwand, als Liam vorschlug, die nächste Runde zu besuchen, war durchaus berechtigt. Doch der Musiker begegnete ihm mit einem beiläufigen Schmunzeln. Wenn es darum ging, war er um keine Ausrede verlegen.
„Naja. Ein Bier ist kein Bier.“, offenbarte er weise, ehe sein Blick von Per zurück zu Rayon wanderte und ihm ein warmes Lächeln schenkte. „Außerdem lässt man keinen Freund alleine trinken. Wo kämen wir denn da hin?“
Damit stand er auf, nahm noch einen letzten großen Zug aus seinem Krug und wandte sich ab, um mit Rayon zur Theke aufzubrechen. Er hätte es seinem Freund auch nicht übelgenommen, hätte er sich nach den Strapazen auf dem Markt endlich ausgeruht – seine Hilfe ausschlagen kam ihm aber ebenso wenig in den Sinn.
„Du lachst, dabei bin ich froh, dass endlich wieder beide Hände tun wie sie sollen. Das will ich nutzen, bevor ich mir die nächste Kugel fange.“, brummte er skeptisch, als sie noch in Hörweite zu ihrem Tisch waren.
Das Lächeln auf seinen Lippen sagte aber eindeutig, dass er seinem Freund diesen Spaß alles andere als übelnahm. Wer austeilte, musste auch einstecken können. Und Liam konnte definitiv beides.