23.07.2022, 21:38
Bestechen war vielleicht das falsche Wort. Der Eiswein war mehr eine subtile Art, ihre Expertise sichtbar zu machen. Denn auch wenn Ceallagh und so viele andere Schmuggler der ersten Welt Männer großer Worte waren, zählten letztlich Taten, um zu überzeugen. Vor allem bei einem Mann wie Riegan, der nicht nur seinen Ruf, sondern seinen Einfluss zu wahren hatte.
Nicht umhin hatten sich Lucien und er einige Tage, nein, gefühlt Wochen auf dieses Treffen vorbereitet. Um nicht an etwas zu scheitern, das urplötzlich laut polternd durch den Türrahmen des Hauses rauschte und einen recht betrunken Leib auf die Straße warf. Türsteher oder Barmann. Es war trotz der Schürze an seinem Leib schwer zu sagen, die nahezu mit seiner dunklen Kleidung verschmolz. Was Ceallagh als erstes auffiel: die halbe Glatze, die unter dem Tuch auf seinem Kopf hervor blitzt. Dann der Goldzahn, als sich das Gesicht ihnen zuwandte und aufgebracht irgendetwas polterte, dessen sich Lucien dankenswerter Weise annahm, während er schweigend den Kerl und den Raum hinter ihm musterte.
Also doch ein Leibwächter. Die wohl nahe liegendste Position angesichts seiner Größe. Er war massiv gebaut. Etliche Kilo schwerer als er selbst. Ceallagh musste sich ein Grinsen verkneifen, als der Blick des Fremden ihn streifte und mit so viel Misstrauen und leiser Aggression gespickt war, dass sie nicht nur in seinen Augen, sondern seiner ganzen Körperhaltung feststeckte. Zu gern hätte er diese unausgesprochene Herausforderung erwidert. Ins Wespennest gestochen. Doch Lucien war ihm zum einen zuvor gekommen. Und zum anderen war das nicht Teil ihres Plans. Zumindest für den Anfang war es entscheidend gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Sobald sie drin und mit viel Glück in Riegans Reich eingetreten waren…
Ceallagh kam kaum weiter in seinen Gedanken. Sah bereits über seine Schulter zu Lucien und Soula zurück, die wie zwei Gegensätze nebeneinander standen. Der eine selbstsicher und der Dinge harrend, die da kamen. Die andere am Stoff ihres Kleides knibbelnd und allmählich nervös werdend. Auch wenn dies vielleicht nur für ihn und Lucien ersichtlich war. Immerhin kannten sie ihre „übliche“ Körperhaltung. Den Ausdruck auf ihren Zügen. Die aufgeregte Neugierde.
Ceallagh spürte wie das Funkeln in seinen Augen aufkeimte und das Zittern auf seinen Lippen zu einem schmalen Grinsen heranwuchs. Nur um daraufhin die Treppen in Richtung des Eingangs zu nehmen und mit ausgestreckter Hand voraus zu gehen. Das alte Holz zurückhaltend, damit seine Begleiter ins Innere der Taverne eintreten konnten.
Alkohol schlug ihnen wie eine warme, dicke Wand entgegen. Wenn auch bei weitem nicht so penetrant wie in den anderen Spielunken der Stadt. Vielleicht war das die Macht von Ruhm und Reichtum, der sich nicht nur auf den Flaschen am anderen Ende des Raumes abzeichnete. Mit Gold verzierte Etiketten. Schwungvolle Schriften, die aus dieser Distanz schwer wie gar nicht zu entziffern waren. Riegan machte keinen Hehl daraus, dass Gold eines der vielen Dinge war, die ihn ruhig schlafen ließen.
“Die Einrichtung ist mehr wert als die halbe Insel.“ Was sicherlich nicht vollends stimmte, doch sowohl bei Lucien, als auch bei Soula auf Zustimmung treffen würde.
Für einen kurzen Moment wandten sich die blau-grünen Augen zu seinen Begleitern herum. Musterte sie, während er mit einer Hand die Tür hinter ihnen schloss und sich des leisen Klackerns gewahr wurde. Würfel auf Holz. Ratschen und Gleiten von dickem Papier. Heiseres Lachen und wütendes Brummen.
[Ostya - nördliches Hafenviertel | vor und dann in der Kneipe | mit Soula und Lucien]