13.06.2022, 15:40
Ceallaghs nur halb lachende Bemerkung lockte ein Schmunzeln auf Luciens Lippen, als dieser mit seinen beiden Begleitern im Schlepptau der Biegung der Straße folgte und kurze Zeit später nicht weit entfernt den schon bekannten Eingang zur Kneipe erspähte. Denn er erinnerte sich durchaus an das angespannte Verhältnis zwischen seiner kleinen Schwester und seinem alten Freund von der Mytilus, ahnte überdies, woher es kommen mochte und dass es hauptsächlich von Talin ausging.
„Nur keine Sorge, Soula und ich sorgen schon dafür, dass du nicht noch schlechter da stehst, als ohnehin schon“, gluckste er.
Eine Antwort erwartete der junge Captain jedoch nicht. Denn seine Aufmerksamkeit richtete sich nun mehr und mehr auf das Gebäude, auf das sie sich zubewegten. Ein unbestimmtes Gefühl beschlich ihn – eine ungeahnte Anziehungskraft, die ihn beharrlich drängte, diesen Schauplatz zwielichtiger Geschäfte zu betreten, zu verweilen, sich mitreißen zu lassen. Das Gleiche hatte er bereits gefühlt, als er das letzte Mal mit Soula allein hier gewesen war. Wie ein Sog, ein sachtes, vorfreudiges Kribbeln im Bauch, dem er unbedingt nachgeben wollte. Und das stärker wurde, mit jedem Schritt, den er näher kam.
Für einen Augenblick achtete Lucien deshalb kaum noch auf seine beiden Begleiter, bis Ceallaghs Stimme ihn aus seinen Gedanken riss und ihn den Blick wenden ließ. Ob alles klar war?
„Hm? Ja, sicherlich“, gab er leichthin zurück. Nicht sicher, worauf der Blonde sich bezog. Hatte er gerade abwesend gewirkt, ohne es selbst zu merken? Unwillkürlich schüttelte er den Kopf, versuchte, dieses unbestimmte Drängen in seiner Brust zumindest auszublenden.
In diesem Moment erreichten sie den Eingang der Kneipe und wie zur Begrüßung öffnete sich die breite Holztür, schwang mit einem lauten Rumps so weit auf, dass der Knauf gegen die Hauswand knallte. Auf der Schwelle erschien ein breit gebauter Hüne in dunkler Kleidung, der einen anderen Mann am Kragen gepackt hatte und ihn mit einem beherzten Wurf zur Tür hinaus beförderte.
„Ich glaube, du hast für heute genug“, schnarrte er der Gestalt am Boden mit tiefer, schleppender Stimme hinterher, wollte sich anschließend umdrehen und wieder in die Kneipe verschwinden, als er die drei Gestalten bemerkte, die unter dem vor sich hin schaukelnden Schild stehengeblieben waren. „Was wollt ihr?“, blaffte er die drei unwillkürlich an und vermittelte – wenn nicht kurz zuvor schon, dann spätestens jetzt – den Eindruck, heute hier der Rausschmeißer vom Dienst zu sein.
„Wir wollen zu Claude Riegan“,
erwiderte Lucien ruhig und hakte noch immer gelassen die Daumen in seinen Gürtel. Der Hüne gab ein spöttisches Schnauben von sich. „Das wollen alle. Warum sollte ich ausgerechnet euch zu ihm lassen?“
„Weil er uns bereits erwartet.“
Zumindest, wenn alles geklappt hatte. Doch diesen Kommentar schluckte der junge Captain wohlwissend. Dreiste Selbstverständlichkeit war oft der erfolgversprechendere Weg.
Prompt verfinsterten sich die Züge des stämmigen Mannes und er knurrte ein halb verständliches „Wir werden sehen“, bevor er sich abwandte und wieder ins Innere des Gebäudes marschierte. Die Tür ließ er jedoch offen, was ganz nach einer Einladung aussah. Oder zumindest so ähnlich. Also warf Lucien Soula und Ceallagh einen kurzen Blick zu und nickte dann einladend in Richtung Tür.