07.06.2022, 13:08
Die Sphinx bewegte sich auf den Wellen im Hafenbecken schwach auf und ab, stieß hin und wieder mit einem sachten „umpf“ gegen die Sandsäcke, die den Rumpf vor einem Zusammenstoß mit der Keimauer schützten. Elian hatte sich einen Platz am Bug des Schiffes gesucht und war ausgesprochen froh darüber, dass die gesamte restliche Mannschaft – von Gregory einmal abgesehen – von Bord gegangen war, um ihren Besorgungen nachzugehen. Ohne viel Federlesen hatte er sich freiwillig angeboten, hier die Stellung zu halten, obgleich ihm ehrlich gesagt ziemlich egal war, ob irgendjemand versuchte, dieses Schiff zu stehlen, oder ein Trupp Soldaten des Weges kam, die roten Segel erkannte und sie in Gewahrsam nahm. Er wusste nicht mal, ob er Widerstand geleistet hätte.
Demnach war es wohl nur schlau, auch den Schiffsarzt an Bord zu lassen, um ein Auge auf die Sphinx zu haben. Und vielleicht auch auf den Montrose. Was auch immer. Ihm war es gleich. Dabei hätte ihn diese Bevormundung früher wirklich wütend gemacht. Wobei sie ‚früher‘ wohl auch nicht notwendig gewesen wäre.
Der Montrose ließ den Blick auf das Pergament in seiner Hand sinken, strich mit dem Daumen über die in dunkler Tinte geschriebenen Zeilen, die er einst zur Erinnerung aufgehoben hatte. Und die nun alles waren, was ihm noch geblieben war. Doch als er sich nähernde Schritte hörte, zuckte er zusammen, schob den Brief mit einer schnellen, reflexartigen Bewegung in seine Umhängetasche und hob den Kopf, um wieder auf den Hafen hinauszusehen. Nur kurz sah er dabei zur Seite und zu dem Mann, der sich zu ihm gesellte und an einem der Taue festhielt.
„Hm“, erwiderte er unbestimmt. „Das Gleiche.“ Was so vielleicht nicht ganz stimmte, da er die ganze Zeit über nicht darauf geachtet hatte, was um ihn herum geschah. „Warum sollte es auch anders sein?“ Ein Hauch Zynismus mischte sich in seine Stimme. Denn sie hatten schon ein Mal gedacht, dass nichts wäre und das hatte ihn die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben gekostet. Doch jetzt hatte er schließlich nichts mehr zu verlieren. „Was ist mit dir? Hast du keine Lust, dir die Stadt anzusehen?“