07.06.2022, 11:16
In Büchern. Als Liam ausholte, um ein wenig über die vermeintliche Herkunft Sinecas zu erzählen, zumindest das, was er wusste, fühlte Per einen leichten Stich. Er dachte daran, wie einfach es für Liam sein musste, ein beliebiges Buch aufzuschlagen, darin zu blättern und neues Wissen in sich aufzusaugen. Dabei ging es ihm weniger um das Wissen an sich, sondern vielmehr einfach nur um die Fähigkeit und die Möglichkeiten, die sich damit eröffneten. Vielleicht rührte das, was viele als allgemeines Desinteresse an der Welt und den Geschichten ihrer Bevölkerung wahrnahmen auch aus eben genau dieser Unfähigkeit. Weil seine einzige Möglichkeit in dieser Hinsicht zuhören war und zuhören auch schnell anstrengend werden könnte, vor allem für jemanden, der keinerlei Ahnung hatte wie das, was er hörte, eigentlich aussah, welche Zeichen man wie Bausteine zusammensetzen musste, um ein sinnergebendes Ganzes zu erhalten.
Er dachte daran, wie viel Liam in seinem Leben gelesen, in wie vielen Büchern er bereits geblättert hatte. Dachte an das kleine Notizbuch in seiner Manteltasche und streckte ohne den Blick zu senken reflexartig den rechten Arm danach aus, nur um sich zu versichern, dass er es unter dem abgenutzten Leder noch ertasten konnte. Und tatsächlich schien zumindest in seiner Manteltasche alles wie gewohnt.
Sein Blick rutschte ein Stück zur Seite zu Sineca, die ihn vermutlich mindestens so skeptisch beäugte wie er sie, als er sie zum ersten Mal auf dem Schiff gesehen hatte. Mittlerweile hatte er sich an den ungewöhnlichen Anblick gewöhnt. Aber...
Nicht aus dieser Welt. Wie sich das anfühlen musste, die einzige ihrer Art in einer fremden Welt zu sein. Sineca hatte zwar Liam und wenn er die beiden so nebeneinander oder aufeinander – besser gesagt eine auf dem anderen – sitzen sah, schienen sie so vertraut als wären sie im selben Bau zur Welt gekommen. Nur war Liam leider eben doch keine Katze.
„Naja, du bist wohl der einzige, der noch sowas wie eine Chance hat zu ihr durchzukommen.“, erwiderte er scherzhaft mit einem Funken Ernst. „Man hat zumindest den Eindruck, dass sie dir vertraut. Wie steht der Rest der Crew eigentlich zu ihr?“
Er streute einen knappen Seitenblick zu Greo, ohne den Mann mit dem Hut jedoch direkt darauf anzusprechen, während Liam einen ordentlichen Teil seines Krugs leerte als stünde seine bierige Ehre auf dem Spiel – davon abgesehen, dass sie nie eine Wette abgeschlossen hatten und hier also niemandes Ehre in Gefahr war.
Apropos Bier. Per grinste bloß, weil er glaubte zu wissen, worauf Liam anspielte. Aber ganz davon abgesehen – das Bier schmeckte heute wirklich nicht besonders. Vielleicht war auch es einfach die Spannung, die in der Luft knisterte wie zwei Dutzend gezündete Kanonen.
Er hob den Krug, leise lachend. „Macht‘s einem leichter bei einem Krug zu bleiben. Schätze, dann bleibt zumindest diesmal der Kater aus, was?“
Als sich einer der verbliebenen Sessel füllte, drehte er zeitweilig den Kopf, lauschte der kleinen Einleitung, die Liam der Musikerin bot, bestätigte mit einem knappen Nicken und lehnte sich schließlich in seinem eigenen Sessel zurück. Musterte Cassy einen Moment lang, bevor er nach Liam das Wort ergriff.
„Schätze, Liam... und Sineca kennst du dann ja schon.“ Als unterstützende Geste streckte er den Daumen aus seiner rechten Hand, auf Liam, bevor er ihn in einer Art Halbkreis in Richtung Greo bewegte und schließlich sich selbst. „Das hier is’ Greo und ich bin Per.“ Peregryne war eh so gut wie tot (für ihn) und für Grim sah er keine Notwendigkeit.
„Bist du von hier oder auch... ich meine, oder bist du nur auf Durchreise?“