04.06.2022, 18:14
Nur mit Mühe schaffte Talin es, ihr aufkommendes Lachen hinter einem Husten zu verstecken. Ebenso fiel es ihr verdammt schwer, ihre Gesichtszüge nicht entgleisen zu lassen. Noch nie hatte sie jemanden sich so sehr einschmeicheln sehen, wie Shanaya. Und das Schlimme war, es schien auch noch zu funktionieren. Der Blick der älteren Dame schien sich zu entspannen, ja fast sanft zu werden. Als hätte sie nur darauf gewartet, dass die Dunkelhaarige ihr Honig um den Mund schmierte. Und bei all dem, wollte sie sogar über den Preis einer der Karten verhandeln! Talin musste neidlos zugeben, dass sie Shanaya für ihr schauspielerisches Können beglückwünschte. Aber vielleicht hatte ihre Freundin einfach mehr Talent mit älteren Frauen, als die Blonde. Wieso hatten sie überhaupt darüber nachgedacht, die Alte zu berauben, wenn es doch so einfach sein konnte? Wobei sie sich diese Frage recht schnell selbst beantworten konnte. Denn immerhin wollte die Verkäuferin nur eine der beiden Karten hergeben. Bei den Verhandlungen würde Talin sich mit Sicherheit nicht einmischen, da diese Frau nicht so leicht zu manipulieren war, wie andere Vertreter ihrer Zunft. Dafür aber merkte Talin an anderer Stelle auf. Schließlich trat sie doch näher an den Tresen heran, an dem die beiden anderen standen und musterte die Frau und die Vitrine neben ihr neugierig. Sie schenkte der Frau ein bezauberndes unschuldiges Lächeln und griff die Worte von ihr auf, versuchte es, Shanaya gleich zu tun, denn ihr war aufgefallen, dass die Verkäuferin gern mit ihrem Wissen angeben wollte. Den Stolz in ihrer Stimme konnte man nicht überhören.
„Entschuldigt, wenn ich die Verhandlungen unterbreche, aber ich bin auch furchtbar neugierig. Wieso gibt es nur sieben solcher Karten? Und wie funktionieren sie? Diese da ist leer. Wie soll man sie lesen, wenn nichts darauf steht?“
An dieser Stelle verschwieg sie lieber einmal, dass sie sowieso wenig Ahnung davon hatte, eine Karte richtig zu lesen. Dafür aber ließ sie ihre Neugierde und Aufregung in ihrer Stimme mitschwingen. Denn genau das war es, was sie in diesem Moment fühlte. Nur weil sie von der Dame, diesem ganzen Laden und den immer wieder aufkommenden ‚Schätzchen‘ nicht angetan war, hieß nicht, dass sie das Abentuer, dass hinter diesen Karten lauerte, nicht zu schätzen wissen. Aus diesem Grund wollte sie Shanaya ja auch helfen, sie in ihren Besitz zu bringen. Und wenn sie eine der beiden Karten doch würden klauen müssen. Dann würde Shanaya sich eben einen anderen Kartenladen suchen müssen. Innerlich schnaubte Talin, denn der Gedanke sorgte nur für ein kurzes schlechtes Gewissen, als sie die Dunkelhaarige von der Seite ansah. So viel Geld wie sie für die beiden Karten würden aufbringen mussten, hatten sie mit Sicherheit niemals dabei und dieser Gedanke war es auch, der das schlechte Gewissen wieder zum Verstummen brachte.
[Im Kartenladen | bei Shanaya]