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Kapitel 9 - Der Ruf der Königin
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Dec 2014
#1
Ein Hauch von Geheimnis ...
Zuletzt gelang es der jungen Mannschaft der Sphinx doch noch, ein paar Dinge aus dem Rumpf des Handelsschiffes zu bergen, die sich möglicherweise zu Geld machen ließen: Das Hab und Gut der gefangenen und toten Matrosen; in gewachstes Segeltuch eingeschlagene Seidenstoffe, die weder durch Nebel noch durch Wasser Schaden genommen hatten; ein paar recht wertvoll wirkende Gegenstände aus den Kabinen des Kapitäns und seines ersten Offiziers, die noch nicht gänzlich vom Wasser verschluckt worden waren; Seile, Taue, Segeltuch und andere Rohstoffe, die sie für die Instandsetzung der Sphinx benötigen konnten; ja selbst das kleine Arsenal an Waffen, die Rayon und Josiah den übrig gebliebenen Seemännern abgenommen hatten, nahmen die Piraten an sich.
Alles, bis auf eine einzelne Pistole, ein Säckchen Pulver samt Papier und sechs Bleikugeln. Genau eine für jeden Mann, der sich entschied, auf dem Wrack zurückzubleiben und sein Glück lieber mit dem Nebel zu versuchen, als mit einer Bande Gesetzloser. Denn kaum hatte Tarón sich des Unterhändlers angenommen und ihn an Bord der Sphinx gebracht, unterbreitete Lucien den Gefangenen ebendies als Angebot: Mit ihnen bis zum nächsten Hafen zu segeln, oder zu bleiben und auf eine andere Rettung zu hoffen. Fünf von ihnen waren dumm oder wahnsinnig genug, sich zu weigern. Die anderen willigten ein und verbrachten die kommenden zwei Wochen in der Brig der kleinen Draka.
Der shilainische Diplomat, der Ceallagh und Trevor im Inneren der Kapitänskajüte aufzulauern gedachte, entschied sich ebenfalls, auf seinem Schiff zurückzubleiben – wenn auch nicht gänzlich freiwillig. Den beiden Seemännern gelang es, den ohnehin bereits angeschlagenen Leibwächter zu überwältigen und auch den Adligen festzusetzen, ehe Talin am Ort des Geschehens eintraf. Neugierig geworden vom hysterischen Geplapper Vasario de Vegas‘ über dessen unbeschreibliche Bedeutung für die Politik der Ersten Welt brachten sie ihn und seinen Begleiter an Deck und entlockten ihm dort mit ein bisschen Nachdruck weitere Informationen, die schließlich auch erklärten, weshalb der Kapitän des Handelsschiffes die Flucht in den Nebel gewagt hatte, statt sich den Piraten zu ergeben.
Unter anderem erfuhren sie auf diese Weise, wie ernst die Gerüchte um die Unruhen innerhalb der Ersten Welt tatsächlich waren. So sie den Worten des Diplomaten Glauben schenken konnten, stand das Haus Márlyes kurz vor einem Umsturz. „Habt ihr es denn nicht gehört? Die Königin steht allein. Nur die Karean halten zu ihr – wen wundert’s! Und die Tarlenn? Pf, bei dem Gesocks weiß eh nie jemand, auf wessen Seite die sind. Mit ihrem Gewirre um das ehemalige Herzogtum Birlan hat sie das letzte Bisschen Loyalität unter den Herzögen verspielt! Sie hätte diesem Velli nicht so viel Gehör schenken sollen. Das kommt davon, wenn man sich gegen unsere Traditionen stellt. Das Einzige, was sie noch auf ihrem Thron hält, ist dieses lästige Geheimnis um ihr verdammtes Kind. Es sind fast neun Monate vergangen und niemand weiß nun, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist! Aber ich sag euch eins: Ist es ein Mädchen, sind die Tage der Márlyes gezählt! Dann haben wir keinen Thronfolger und die Herzöge warten nur darauf, diesen Platz einzunehmen.
Nun war der Sturz der Königsfamilie zunächst nichts, was die Mannschaft der Sphinx belasten sollte. Ob unter diesem oder dem nächsten König: Dem Gesetz wären sie damit nicht näher, als sie es im Moment schon waren, und immer noch ruhte auf Schiff und Besatzung ein stetig steigendes Kopfgeld. Dennoch behielten sie die Warnung vor einem drohenden Bürgerkrieg im Hinterkopf – schließlich konnte man nie wissen.
Vasario jedoch, der fälschlicherweise annahm, seine Worte hätten für den nötigen Schock als Ablenkung gesorgt, wagte daraufhin den aussichtslosen Versuch, sich auf Talin zu stürzen, um die junge Frau als Geisel zu nehmen und seine Rettung zu erzwingen*. Er scheiterte allerdings bereits im Ansatz, als Ceallagh* sein Handeln vorausahnte und ihn wieder zu Boden zwang* – womit entschieden war, ihn mit den übrigen Gefangenen zurückzulassen. Sein Leibwächter hingegen wechselte ohne Umschweife die Seiten und schloss sich jenen Männern an, die die Überfahrt zum nächsten Hafen in der Brig ausharrten.
Die Sphinx setzte wieder Kurs nach Norden, in der Hoffnung, das Revier der Epogryphen im Schutz des nicht weniger zerstörerischen Nebels verlassen zu können. Doch als sich die Nebelschwaden lichteten und ihnen wieder freie Sicht auf das umliegende Meer gewährten, hatten sie nur gerade so die nördlichen Ausläufer ihres Jagdgebietes erreicht*. Eines der Tiere – keiner konnte sagen, ob es eines derer war, die sie bereits angegriffen hatte, oder ein gänzlich anderes – entdeckte sie aus einiger Entfernung und griff mit einem grausigen Schrei erneut an.
Dieses Mal war die Mannschaft jedoch vorbereitet. Liam und Rúnar, die bereits Posten im Krähennest bezogen hatten, gelang es, den Vogel mit ihrer selbstgebastelten Lampe abzuwehren*. Kurz bevor die scharfen Krallen sie erwischten, blendeten sie ihn mit dem grellen Lichtstrahl, der auf eines der empfindlichen Augen traf und das Tier zum Abdrehen zwang. Mit einem schmerzerfüllten Kreischen warf er sich herum und zog sich – ohnehin am Rande seines angestammten Reviers – wieder zurück in sichere Gefilde.
Liam indes, der beim ersten Angriff der Vögel im Lazarett gestürzt und sich die Hände an den zerbrochenen Medizinfläschen aufgeschnitten hatte, schwankte in diesem Moment. Die wilde Mischung verschiedenster Tinkturen – Gifte wie Heilmittel gleichermaßen – die über die Schnittwunden in seinen Blutkreislauf gelangt waren, forderte nun ihren Tribut*. Schwindel überkam ihn – schlimmer als zuvor – und nur den Bruchteil einer Sekunde später verlor er das Bewusstsein.

Mit * markierte Handlungen wurden von der Spielleitung ausgewürfelt.


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Die folgenden zwei Wochen verbrachte die Crew damit, sich von ihren Verletzungen zu erholen und die Schäden, die Nebel und Vögel hinterlassen hatten, zu reparieren. Glücklicherweise hatte das frisch gestrichene Holz des Rumpfes nur wenig gelitten. Hier und da blätterte die neue Farbe zwar in großen Flocken wieder ab, doch das Material darunter war unbeschädigt.
Anders verhielt es sich mit den Planken an Deck, der Reling, den Masten und unbehandelten Bordwänden. Hier waren die Oberflächen rau geworden, hatte der Nebel Löcher hinein gefressen, die an Schäden durch Säure erinnerten. Und auch das gesamte stehende Gut, die Wanten und das Segelwerk hatten ähnlich gelitten.
Noch schlimmer hatte es sämtliche Gegenstände aus Eisen erwischt. Ob Spule, Nagel, Degen oder Kanone: Über alles hatte sich eine dichte, rote Rostschicht gelegt, die sich durch die dünnsten Bauteile unlängst hindurchgefressen hatte, sodass einige Nägel und dünnere Platten ausgetauscht werden mussten. Lediglich die schweren Bleikugeln und sämtliche Geräte aus Messing rosteten nicht. Und auch im Inneren des Schiffes hielten sich die Schäden in Grenzen, sodass Werkzeuge und Rohstoffe im Frachtraum intakt blieben. Lediglich die vor den offenen Geschützluken stehenden Kanonen hatten an der Vorderseite etwas Rost abbekommen, sahen jedoch besser aus, als die Sechspfünder an Deck.
Wieder einmal hieß es für Alex also, zum Schleifklotz zu greifen und wie kaum vier Wochen zuvor das Holz der Sphinx in Form zu bringen. Skadi nahm sich derweil der beschädigten Kanonen an und Greo übernahm die Führung beim Erneuern von Segelwerk und stehendem Gut. Sie bekamen dabei jede Hilfe, nach der sie verlangten – ein jeder, sofern nicht durch eigene Aufgaben eingespannt, packte an, wo er nur konnte. Dennoch dauerte die Instandsetzung des Schiffes, samt des halb zerstörten Krähennests, beinahe die vollen zwei Wochen auf See, bevor sie den Hafen von Ritu erreichten.
Soula, James und Isala – letztere trotz des verletzten Arms so weit es ihr möglich war – lernten in dieser Zeit von der Mannschaft alles, was es über das Segeln mit der Sphinx und das Leben an Bord zu wissen gab. Wie man die Segel setzte oder einholte, die beiden Anker bewegte, Knoten knotete, Taue austauschte, alle Arten Fehlstellen reparierte, Kanonen putzte und nicht zuletzt wie man Planken schrubbte. Sie halfen Rayon bei der Versorgung der Crew, lernten, wie man warum den Frachtraum so und nicht anders sortierte, wie man sich um die Nutztiere und ihre Pferche kümmerte, was man generell an Bord tat oder lieber bleiben ließ, wie man kämpfte und was eben passierte, wenn man beispielsweise einen Arm verlor.
Auch Jón und Peregryne wurden wie selbstverständlich in sämtliche Arbeiten eingespannt, bis sich unweigerlich die Entscheidung aufdrängte, bei der Crew zu bleiben oder auf Ritu wieder eigene Wege zu gehen. Jón traf seine Wahl bereits früh, ganz im Gegensatz zu Peregryne, der erst kurz vor dem nächsten Hafen seine Unterschrift auf die Carta setzte.
Nur wenige Tage vorher riefen Talin und Lucien die Piraten zusammen, um die noch offene Frage nach einem Quartiermeister zu klären. Durch die vergangenen Monate zu einer recht eng zusammenstehenden Mannschaft geworden, fiel die Wahl mit großer Mehrheit auf Tarón, der sich als erfahrener Stratege bewiesen hatte.

Am 26. Juni erreichte die Sphinx schließlich das kleine, malerische Hafenstädtchen Ostya an der nordwestlichen Küste Ritus. Und bereits als sie in Sichtweite kamen, wurde unter den Arbeitern vor Ort Getuschel laut. Diese roten Segel... war das das Schiff, nach dem die Marine fahndete? Die Piraten, die den Gefangenentransporter versenkt hatten? Hatten sie vielleicht auch etwas mit dem Verschwinden des shilainischen Diplomaten zu tun, von dem gemunkelt wird?
Die Blicke entgingen der Crew jedenfalls nicht, kaum dass sie an der Kaimauer festgemacht hatten, und sie sorgten bei dem ein oder anderen für ein durchaus mulmiges Gefühl, sodass die Captains den letzten Rest Gold von der Reparatur der Sphinx aufwandten und Greo zur nahegelegenen Werft schickten, um einen neuen Satz Segel in neutralem Weiß zu bestellen. In der Zwischenzeit blieben die roten Segel so straff gerefft, dass ihre Farbe zumindest nicht auf den ersten Blick hervorstach.

Sechs Tage liegt der kleine Dreimaster nun im Hafen Ostyas und noch immer zieht er allzu neugierige Augen auf sich, obgleich niemand es wagt, Fragen zu stellen. Die Crew ist derweil hauptsächlich damit beschäftigt, die gestohlene Fracht des shilainischen Handelsschiffes zu verkaufen, die Vorräte aufzustocken, letzte Schäden am Schiff zu beseitigen und alles für eine schnelle Flucht vorzubereiten – nur für den Fall.
Für Müßiggang ist deshalb nur selten Zeit. Dennoch bietet sich Greo, Liam und Rayon zwischen etlichen Besorgungen an diesem Tag doch die Gelegenheit für eine kleine Pause in einem der bescheideneren Wirtshäuser im südwestlichen Handwerkerviertel unweit des Friedhofs. Während Liam und Greo sich schon mal des noch etwas gestrandet wirkenden Peregrynes annehmen und der Gruppe einen Vierertisch zu sichern, verspricht Rayon, etwas später hinzuzustoßen.
Um auf dem bald schließenden Wochenmarkt noch ein paar Feierabendschnäppchen zu ergattern, hatte er sich vor einer knappen Stunde allein zum naheliegenden Marktplatz aufgemacht und befindet sich inzwischen auf dem Weg zurück zum Wirtshaus, um sich den dreien anzuschließen. Seine Route führt ihn dabei über die große Hauptstraße, die beide Orte auf kürzester Strecke verband und trotz der fortgeschrittenen Tageszeit vor Leben nur so strotzt. Breite Wagen rattern über das Kopfsteinpflaster, drängen den Hünen dabei immer wieder dazu, bis zu den Gebäuden auszuweichen. Einheimische gehen ihrem Tagewerk nach, stehen in kleinen Grüppchen beisammen und plaudern oder hasten von einer Erledigung zur nächsten, ohne den hier und da am Rand der Straße kauernden Bettlern Beachtung zu schenken, die das Bild der Stadt tagsüber nun einmal prägen. Vor allem in der Nähe der Marktplätze.
Rayon fällt in diesem Moment vor allem eine dieser Gestalten ins Auge: Eine alte Frau, die unmittelbar an der Ecke zu der Seitengasse hockt, in der der Eingang zum Wirtshaus liegt. Sie kniet auf dem Boden, den Blick ins Leere gerichtet und brabbelt unhörbare Worte vor sich hin. Dabei schwankt sie leicht vor und zurück, als wäre sie in tiefe Grübelei versunken und bemerke nichts von dem, was um sie herum geschah. Unmittelbar vor ihr steht eine kleine, hölzerne Schale mit einigen Münzen darin, doch kaum ein Passant bleibt stehen, um etwas hineinzulegen.

Shanaya und Talin, die auf der Suche nach brauchbarem Krempel durch das angrenzende Händlerviertel schlendern, beschleicht derweil ein seltsam mulmiges Gefühl. Ein Kribbeln im Nacken lässt beide Frauen öfter über die Schulter sehen und hin und wieder erhascht eine von ihnen einen Blick auf eine vermummte Gestalt, die wie ein Schatten zwischen den Häusern verschwindet, bevor man sie richtig erkennen kann. Doch wann immer sie zu der Stelle zurückkehren, wo ihr Verfolger gerade noch gewesen sein muss, gähnt vor ihnen nur eine verlassene Gasse.
Sie beschließen, in einem der Läden abzutauchen, die hier in beinahe jedem Gebäude untergebracht sind. Einerseits, um ihr Ziel, Nützliches für die Weiterreise aufzustöbern, nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Andererseits mit der Absicht, ihren Verfolger vielleicht durch einen Hinterausgang abschütteln zu können.
Bei dem Laden, den sie schließlich wählen, handelt es sich um ein kleines, aber auf den ersten Blick hin hervorragend bestücktes Kartengeschäft, das vor allem das Herz der jungen Navigatorin höher schlagen lässt. Schon nach ein paar Minuten Stöbern wird ihr klar, dass die meisten Schriftrollen hier von guter bis hervorragender Qualität sind und ihren Fundus bestmöglich ergänzen können. Die perfekte Gelegenheit also, um sich für ihre bevorstehenden Etappenziele auszurüsten. Doch als sie sich Talin zuwendet, um mit ihr zu besprechen, welche das sein würden, fällt ihr Blick auf die gläsernen Vitrinen hinter dem Kassentresen. Dort, auf einem erhöhten Podest, ruht eine entfaltete Karte mit höchst ungewöhnlichem Bild. Etwas, das wie das Innere eines riesigen Gebäudes wirkt. Größer noch als ein Schloss und weit verzweigt. Zugleich wirkt das Pergament selbst auf einige Entfernung unsagbar alt, das golddurchwirkte Samtband, das als Verschluss dient, ungeheuer wertvoll. Worum mochte es sich dabei handeln?

Lucien und Ceallagh hatten sich in den vergangenen Tagen überwiegend darum gekümmert, die gestohlenen Stoffe an den Mann zu bringen, die ob der momentanen Marktlage erstaunlich gute Preise erzielten. Ceallagh reaktivierte dafür ein paar alte Kontakte zu Hehlern, die ihm wohlgesonnen waren und zudem keine Fragen stellten. Einer davon verwies sie an eine Größe der örtlichen Unterwelt: Claude Riegan. Ein Mann, der die richtigen Leute für so gut wie alles kannte und mit dem man es sich ganz gewiss auch nicht verscherzen sollte. Doch wollte man in Brancion und Shilain geschmuggelte Waren verkaufen oder suchte entsprechende Aufträge, die für gutes Geld gehandelt wurden, dann kam man an Claude Riegan nicht vorbei. Er war als Sammler ausgewählter und höchst seltener Artefakte bekannt – und für seine Schwäche für hübsche Frauen und Glücksspiel.
Lucien entschied sich deshalb, auch Soula mit ins Boot zu holen, deren Talent er nur wenige Tage zuvor mit eigenen Augen hatte sehen können und das ihnen in diesem Unterfangen durchaus nützlich sein konnte. Ceallaghs Kontaktmann ermöglichte der Dreiergruppe indes ein Treffen mit Riegan, zu dem sie nun auf dem Weg waren.
Ihr Ziel ist die düstere Kneipe am Rande des Hafenviertels, die gemeinhin als Spielhöhle bekannt ist. Im Erdgeschoss – so erzählte man den dreien – treffen sich allerlei schäbige Gestalten und verspielen regelmäßig Haus und Hof, nur um am Ende tot in irgendeiner Nebengasse gefunden zu werden, weil sie ihre Schulden nicht bezahlen können. Im oberen Stockwerk hingegen residiert Claude Riegan mit einer ausgewählten Gästeschar, die unter seinen wohlwollenden Augen ihrem Spiel frönen und um die wirklich hohen Summen wetteifern. Dass dorthin nicht jeder Zutritt hat, versteht sich von selbst. Man braucht Riegans Interesse, um sein Wohlwollen zu erlangen und Zugang zu seinem Netzwerk aus hoch dekorierten Hehlern, Schmugglern und Dieben zu bekommen.

Kaum wieder an Land führte Zairyms erster – oder vielleicht auch erst der dritte – Weg den Söldner zur örtlichen Söldnergilde, um sich neben der spärlichen Prise, die der Überfall auf das Händlerschiff abwarf, noch ein paar Münzen nebenher zu verdienen. Die Aufträge waren simpel, dauerten nie wirklich lange und verlangten auch nicht mehr als eine Person.
Nicht jedoch der, den er an diesem Tag angenommen hatte: Begleitschutz für eine kleine Wagenkolonne, die ein paar Güter eines reichen Adligen aus Ostya auf dessen Landsitz etwas außerhalb der Stadt transportieren soll. Aus drei doppelspännigen Wagen sollte die Kolonne bestehen und zudem zu wertvolle Fracht geladen haben, um sie allein zu verteidigen. Also spannte Rym auch Josiah, Alex und Trevor mit dem Versprechen auf ein bisschen Abenteuer, Abwechslung und die Bezahlung durch vier in das Unternehmen mit ein.
Inzwischen hat der kleine Konvoi die Stadtgrenze hinter sich gelassen und rollt auf der mit Kopfstein gepflasterten Allee in Richtung Süden dahin. Links und rechts der Straße erstrecken sich Lavendelfelder in voller Blüte, die ihren Duft verströmen, und nur in ein paar hundert Metern Entfernung markiert eine kleine Baumgruppe eine Kreuzung. Die Häuser, die sie passieren, werden spärlicher, bis nur noch vereinzelt ein Gebäude zwischen den blauvioletten Sträuchern zu erkennen ist.
Die vier Piraten haben sich auf die drei Wagen aufgeteilt und es sich halbwegs gemütlich gemacht oder behalten die Umgebung wachsam im Blick. Doch bisher rührt sich nichts, außer die fernen Baumkronen im Wind.

Skadi, die sich in den vergangenen Tagen intensiv um das Arsenal der Sphinx gekümmert und dafür bereits den Posten des Mastergunners angenommen hatte, hat es auch heute wieder auf den örtlichen Marktplatz verschlagen, um die Waffenkammer weiter aufzustocken. Ein paar besondere Kugeln für die Sechspfünder hatte sie neulich schon entdeckt – unter anderem Kettenkugeln und Schrotkugeln, die ihnen im Kampf gegen die Vögel sicher von Anfang an gute Dienste geleistet hätten – und so hofft die Jägerin auch dieses Mal auf einen ähnlich außergewöhnlichen Fund, der ihnen weiterhelfen könnte.
Jón hatte sich ihr als Begleitung und Träger angeboten, um die Gelegenheit zu nutzen und die alte Bekanntschaft wieder aufzufrischen. Beide zieht es – nach einem kurzen Plausch mit Rayon, dem sie unterwegs begegnet waren – nun gemütlich von Stand zu Stand, bis Skadi das ungute Gefühl beschleicht, beobachtet zu werden. Doch jedes Mal, wenn sie sich vorsichtig umsieht, fällt ihr in der Masse der Marktbesucher nichts Ungewöhnliches auf. Und selbst Jón wird langsam mulmig zu Mute. Sei es, weil er Skadis Unruhe spürt, oder selbst das Gefühl bekommt, dass man es auf sie abgesehen hat.

Tarón, Isala und Rúnar indes haben den Großteil ihrer Besorgungen bereits erledigt und befinden sich voll bepackt mit allerlei Krempel – Plüschtieren, einer Laterne, Kartenspielen, zwei Säcken Kaffee und einem Spielzeug für die Echse – auf dem Rückweg zum Schiff, um Elian und Gregory von der Wache abzulösen und den beiden Ärzten ebenfalls einen Ausflug in die Stadt zu ermöglichen. Darüber hinaus hatte der frisch gewählte Quartiermeister mit Liam noch am Vormittag verabredet, eine von dem Lockenkopf erworbene Destille in Empfang zu nehmen, die zu Sonnenuntergang geliefert werden soll. Es drängt ihn also, rechtzeitig wieder am Hafen zu sein.
Calwah, der bis dahin erstaunlich gehorsam auf Rúnars Schulter gesessen hatte, verfolgt jedoch in diesem Moment ganz andere Ziele. Diesen Anschein hat es zumindest, als sich das Schuppentier ohne Vorwarnung und unsanft mit den Krallen über das Schlüsselbein seines Reittiers kratzend von Rúnars Schulter abstieß, mit ausgebreiteten Flügeln zwei Meter weit voraus segelte und wie angestochen die Gasse hinabsauste, um hinter der nächsten Biegung zu verschwinden.

Doch nicht alle Piraten hielt es auf der Sphinx. James war die Begegnung mit den Epogryphen augenscheinlich zu viel geworden. Das, oder die Tatsache, dass ausgerechnet Tarón zum Quartiermeister gewählt worden war. Die Crew würde es wohl nie erfahren. Denn Scheiß auf Wettschulden, Scheiß auf Piraten – der junge Adlige sah zu, dass er Land gewann, kaum hatte der Dreimaster am Hafen angelegt. Er würde einfach ein Jahr in Ostya verbringen, sich irgendwie durchschnorren und seinen Leuten Zuhause hinterher ein paar dramatische Geschichten erzählen, die ihm irgendjemand anderes aufgetischt hatte. Zumindest die eine – die, in der das Schiff der Piraten von einem riesigen Echsenvogel beinahe versenkt worden war – stimmte immerhin.
Und auch zwei alteingesessene Mannschaftsmitglieder entschieden sich, die Crew auf Ritu zu verlassen. Farley packte nach einem sehr lauten und sehr heftigen Streit mit seinem Kindheitsfreund Elian seine Sachen zusammen, verabschiedete sich von den anderen und ging seiner eigenen Wege, ohne dem jüngeren Montrose auch nur einen letzten Blick zu schenken.
Enrique verschwand dagegen sehr viel leiser und womöglich nicht für immer. Letzteres war jedoch etwas, das er nur Lucien in einem letzten Gespräch anvertraute. Es gab zu viel, das seines Eingreifens bedurfte, erklärte er seinem Captain. Zu viele offene Rechnungen, die auszuufern drohten. Er war gezwungen, zu handeln. Nur für ein paar Monate, bestenfalls, würde er die Sphinx verlassen und sich um alles kümmern, um am Ende, so er nicht starb oder im Gefängnis landete, zurückkehren. Das Schiff und die Crew würde er schon finden. Sie waren auffällig genug. Also ließ Lucien ihn seiner Wege ziehen – wenn auch alles andere als glücklich damit.





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# Gruppe A: Liam, Greo und Peregryne haben sich einen Vierertisch in einem bescheidenen Wirtshaus im Hafenviertel gesichert und warten in geselliger Runde darauf, dass auch Rayon zu ihnen stößt.
Rayon befindet sich auf der Hauptstraße nur wenige Meter vor der Seitenstraße, in der sich der Eingang zum Wirtshaus befindet.
# Gruppe B: Talin und Shanaya befinden sich im Kartenladen des Händlerviertels.
# Gruppe C: Ceallagh, Soula und Lucien befinden sich zwei Querstraßen von der Kneipe entfernt im billigsten Teil des Hafenviertels. Sie werden von Claude Riegan bereits erwartet.
# Gruppe D: Zairym, Josiah, Alex und Trevor haben sich bereiterklärt, einer kleinen Wagenkolonne Begleitschutz zu geben. Sie haben sich auf die Wagen verteilt und es sich gemütlich gemacht. Die Umgebung ist ruhig.
# Gruppe E: Skadi und Jón schlendern auf dem großen Marktplatz von Stand zu Stand und suchen nach weiteren Waffen für das Arsenal der Sphinx. Allerdings beschleicht beide immer wieder das Gefühl, verfolgt zu werden.
# Gruppe F: Tarón, Isala und Rúnar sind auf dem Weg zurück zum Schiff, um eine Lieferung entgegenzunehmen und Gregory und Elian von ihrer Wache abzulösen. Doch noch etliche Querstraßen vom Hafengelände entfernt haut Calwah ohne Vorwarnung um die nächste Ecke ab.
# Gregory & Elian sind nicht anspielbar.


02. Juli 1822
28 °C, überwiegend sonnig mit wenig Wolken
später Nachmittag
81 % Luftfeuchtigkeit, 28 °C Wassertemperatur
Shortfacts
# Schauplatz: Die an der nordwestlichen Küste der Insel Ritu gelegene Hafenstadt Ostya
# Am Vormittag des 21. Junis fand die Wahl des Quartiermeisters statt, bei der sich die Crew für Tarón entschied.
# Am 26. Juni legte die Sphinx im Hafen von Ostya an.
# Am Abend des 30. Juni bieten Lucien und Talin Skadi den Posten des Master Gunner an. Am 01. Juli wird die Mannschaft davon in Kenntnis gesetzt.

# Shanayas Arm ist wieder gänzlich verheilt, sodass sie sich wieder uneingeschränkt bewegen kann.
# Isalas Wunden sind fast verheilt. Die Schorfschicht über den Kratzern spannt nur bei ungünstigen Bewegungen etwas.
# Liam hat die Auswirkungen der Gifte inzwischen überwunden und fühlt sich nur nach längerer körperlicher Aktivität noch etwas schneller schlapp als vorher.
# Lucien und Tarón haben hin und wieder einen leichten Hustenreiz, der sich nicht gänzlich lindern lässt.
# Gregory & Elian sind nicht anspielbar.
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