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They come for You, they come for Me
Crewmitglied der Sphinx
für 0 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
#6
Die Worte lagen wie Gift auf seiner Zunge, noch während er sie aussprach. Die tiefgrünen Augen glühten vor unterdrückter Wut. Nein. Nein, er dachte nicht im Traum daran, zu verschwinden. Dachte nicht im Traum daran, sie zurückzulassen. Im Stich zu lassen. Und trotzdem wich Lucien weiter zurück in die Schatten. Weiter zurück, bis zu dem Tor, das auf den Markt führte. Bis die Stapel Kisten den direkten Blick auf ihn verbargen. Doch nach wie vor konnte er sie hören. Leise zwar, entfernt, aber er verstand, was Shanaya sagte. Was sie ihrem Gegner anbot, um ihn abzulenken. In seinem Inneren kämpften Zorn und Übelkeit um die Vorherrschaft. Düstere Schatten griffen nach seinem Verstand. Sie tat, was sie tun musste. Aber er war da, er konnte ihr helfen. Er würde diesem Typen den verdammten Schädel zertrümmern, wenn er nur konnte. Ohne lange darüber nachzudenken, was er tat, zog Lucien seinen Degen und huschte um den Stapel Kisten herum, hinter dem er sich verborgen hatte. Nur für den Fall, dass der Blonde den Blick noch einmal hob, um zu prüfen, ob der junge Captain zurückkam. Oh, er kam zurück. Aber nicht von dort, wo ihn das dämmrige Zwielicht verschluckt hatte, sondern von der Seite. Und kaum erhaschte er erneut einen Blick auf Shanaya und ihren Peiniger, erlosch jeder Funke Vernunft in seinem Handeln. Dass er nicht nach der Pistole griff und den Mann einfach erschoss – und damit jeden Schläger im Umkreis von hundert Metern alarmierte – lag schlicht an der Tatsache, dass er den Degen bereits in der Hand hatte. Und dass es ihm zu schnell gegangen wäre.
Noch während Shanaya dem Blonden das Hemd über den Kopf streifte, ihn für diesen kurzen Moment blind machte, erschien Lucien über ihr. Mit der freien Hand packte er den Wächter von hinten an seinem Oberteil, dessen Kragen noch an seinem Hals lag und sich unter der Gewalt, mit der der Dunkelhaarige ihn hochriss, um seine Kehle straffzog. Ein halberstickter Schrei drang aus dem hellen Stoff, der ihm den Atem abschnürte, bevor er in blinder Panik mit seinem Messer durch die Luft fuchtelte. Die Klinge schnitt dem jungen Captain über die Brust, zerteilte den Stoff seines eigenen Hemdes, hinterließ eine lange, blutige Linie auf seiner Haut. Doch er achtete nicht darauf, stieß den binden Mann brutal gegen eine der Kisten und rammte ihm den Degen mit aller Gewalt durch den bloßgelegten Bauch, bis die Spitze der Waffe, von der Wirbelsäule abgelenkt, hinten am Rücken wieder austrat und sich in eine der Holzleisten bohrte. „Schwanz frisst Hirn, was?“, knurrte er leise, kaum hörbar, dicht an dem von Stoff bedeckten Ohr des Mannes, bevor er das Heft des Degens losließ und zurücktrat. Den Mann an die Kiste genagelt und noch immer mit seinem Hemd über dem Gesicht langsam sterben ließ. Dann wandte er sich zu Shanaya um, ging neben ihr in die Hocke und ließ den Blick mit ernsten Zügen über ihr Gesicht huschen, bevor er die Hand hob und sacht an ihre Wange legte. „Alles in Ordnung?“


Die Momente zogen sich dahin, jede Bewegung kam der jungen Frau vor, als würde sie Ewigkeiten dauern. Sekunden kamen ihr wie Stunden vor. Einsame Stunden, in denen sich noch entscheiden würde, was mit ihr geschehen würde. Ob sie hier heraus kam oder den Gelüsten des Blonden zum Opfer fiel. Ekel kochte wie heißes Gift durch Shanayas Körper, alles in ihr stellte sich gegen das, was sie tat. Aber gerade jetzt blieb ihr keine andere Wahl, egal, wie sehr sie sich dagegen sträubte. Trotz der Angst, auf sich allein gestellt zu sein, wartete Shanaya beinahe sehnsüchtig auf einen Schuss, auf sich nähernde Schritte. Der Blonde nuschelte vor sich hin, erzählte von all den schönen Dingen, die er mit ihr vor hatte, sodass Shanaya nur hoffend die blauen Augen schloss. Sie musste nur selbst an eine Waffe kommen, so konnte sie ihn einfach los werden… sie musste nur… In diesem Moment wurde der Mann von ihr weg gerissen, ein überraschter Laut drang über ihre Lippen, ging beinahe in dem Schrei des Blonden unter. Shanaya öffnete sofort die Augen, zuckte zusammen, als der Mann unter dem Hemd mit der Waffe nach Lucien schlug. Sie wollte aufstehen, schaffte es jedoch lediglich, ihren Oberkörper aufzurichten. Sich die Hand, die nicht verletzt war, auf den Hals zu legen, das Blut ein wenig zurück zu halten. Es war nicht viel, trotzdem sorgten beide Verletzungen dafür, dass der Schwarzhaarigen schwummrig war, die Übelkeit tat ihr Übriges. Nur blinzelnd konnte sie den Kopf zu den beiden Männern drehen, gerade, als Lucien dem Fremden den Gnadenstoß gab. Es war absurd, aber ihr Herz schlug deutlich schneller, trieb sanfte, einnehmende Erleichterung durch ihre Adern. Wieder war sie Lucien unendlich dankbar, freute sich umso mehr auf das… kleine Geschenk, das auf ihn wartete.
Die blauen Augen blickten einige, stille Sekunden zu dem Mann, der mit einem Degen an die Kiste gebannt war, bis Lucien plötzlich in ihr Blickfeld trat, sie leicht zusammen zucken ließ. Die Hand an ihrer Wange, die sanfte Berührung und seine Worte beruhigten ihrer Körper, trotzdem traten wieder Tränen in ihre Augen. Sie hätte in diesem Moment nichts lieber getan, als sich einen Moment an den Dunkelhaarigen zu schmiegen, um sich zu beruhigen, um einen Herzschlag Schutz zu suchen, in seiner Nähe Kraft zu tanken. Aber etwas hielt sie zurück, ließ sie nur eine Hand heben, die sich locker in sein Hemd krallte. „Du bist verletzt...“ Kurz legten sich die blauen Augen auf den Schnitt auf seiner Brust, ehe sie zurück zu seinen Augen fanden. Unruhe lag in ihrem Blick, ihre Hand schloss sich etwas fester um den Leinenstoff, zitterte dabei nur noch mehr, genau wie ihr ganzer Körper. Mit dem Handrücken der verletzten Hand versuchte Shanaya ihre Wangen zu trocknen, bis neue Tränen ihre Haut benetzten.


Seine Züge wurden weicher, verloren die Härte, mit der er sich der beiden Wächter entledigt hatte, als Shanaya die Hand in sein Hemd grub. Langsam, vorsichtig, ließ sich Lucien auf ein Knie sinken, kam der Schwarzhaarigen damit noch ein Stück näher. „Ist nicht schlimm“, versicherte er ihr leise, sah nicht einmal hinab, um den Schnitt zu begutachten, der sich über seine Brust zog. Er brannte, wie Schnitte es nun einmal taten, war aber sonst nicht der Rede wert. Stattdessen begegnete er ihrem Blick, fing die Unruhe darin auf. Die Angst, die ihre himmelblauen Augen trübten. Tränen, die all das hinausschwemmten. Sanft, unendlich zärtlich, strich er mit dem Daumen über die feuchte Spur, die sich über ihre Wange zog, wischte die Tränen damit fort, nur damit gleich darauf neue ihren Platz einnehmen konnten. „Ich bin noch hier, kleine Sirene. Alles ist gut. Er ist tot, er kann dir nichts mehr tun.“ Oder zumindest würde er bald tot sein. Aber das waren Feinheiten, auf die es jetzt nicht ankam.
Ohne lange darüber nachzudenken, legte er die freie Hand an ihren Rücken, zog sie näher zu sich heran – bereit, sie jederzeit loszulassen, wenn ihr die Berührung zu viel wurde. Spürte das Zittern nun umso deutlicher, das ihren gesamten Körper erfasst hatte. Wahrscheinlich hatten sie nicht viel Zeit, um sich von dieser Begegnung zu erholen. In ein paar Minuten würde jemand das offene Fenster auf dem Dach oder den herrenlosen Wagen vor der Tür entdecken. Und doch war all das in diesem Moment noch zweitrangig. Alles, woran Lucien dachte, war der Wunsch, sie zu beruhigen und sich um den Schnitt an ihrem Hals zu kümmern. Erst das eine, dann das andere. Er hauchte ihr einen sachten Kuss auf die Schläfe, ließ die Hand, die zuvor noch an ihrer Wange gelegen hatte, vorsichtig durch das rabenschwarze Haar gleiten, bevor er seine Lippen dichter an ihr Ohr brachte. Nur einem Gefühl, einer simplen Intuition folgend. „Es war nicht dein Bruder.“


Für einige Momente fühlte Shanaya sich noch wie fest geschraubt, von einer Angst gelähmt, die viel zu tief in ihr verankert war. Erst, als Lucien zu ihr sprach, realisierte die junge Frau, dass er neben ihr kniete. Noch einmal glitt ihr Blick zu dem Schnitt auf seiner Brust, richtete Die Blauen Augen einen Moment später dann wieder auf seine, noch immer Sorge und Angst in ihrem Blick. Aber sie nickte, versuchte sich vergebens mit einem tiefen Atemzug zu beruhigen. Seine Worte halfen zwar, das Zittern ihres Körpers ebbte jedoch erst ab, als er sie zu sich zog, ihr eine Sicherheit gab, die ihr Herz beruhigte, ihr wie ein Anker Halt gab. Auch das, was sich eben noch in ihr gegen seine Nähe gestemmt hatte, verflog, ließ die Schwarzhaarige die Arme heben und sie um den Körper des Mannes schließen, darauf achtend, sich nicht zu sehr gegen seine Wunde zu lehnen. Nur einen Moment Sicherheit genießen. Auch, wenn sie wusste, dass sie weiter mussten... sie brauchte die Wärme, die Lucien mit seiner Nähe auslöste, um das Gefühl von Ekel herunter schlucken zu können. Ihr Körper beruhigte sich, je enger sie sich an den Dunkelhaarigen schmiegte, die sanfte Berührung in ihrem Haar ließ sie Die Blauen Augen schließen, noch einmal tief durchatmen. Seine leisen Worte sorgten noch einmal für einige Herzschläge, in denen sich ihr Körper angespannte, der Griff in Luciens Hemd fester wurde. Sie fühlte sich beinahe ertappt, schauderte mit dem Bild vor ihren Augen. Aber auch sie löste sich wieder, vertrieben von dem sanft klopfenden, sehenden Herzen. Er war hier. Er ließ sie nicht allein.
"Einen Moment lang war ich nicht sicher, ob du zurück kommst." Ein leises Schluchzen kam ihr über die Lippen, mit dem sie versuchte, sich noch ein wenig mehr in Luciens Hemd zu verstecken. Sie wollte ihn nicht los lassen, nur widerwillig löste sie die Umarmung also etwas, ohne groß von ihm zu weichen. Auf ihren Lippen lag jetzt ein unendlich sanftes Lächeln, voller Wärme. Und vor allem Dankbarkeit darüber, dass er nicht gegangen war. Dass er sie wieder einmal nicht allein gelassen hatte und ihr Halt gab, so sie es am meisten brauchte. Irgendwann gewöhnte sie sich hoffentlich daran. "Lass es uns zu Ende bringen." Ihre Stimme nur ein leises Flüstern, ein Schluchzen, mit dem sie sich nun leicht zurück lehnte. Mehr als deutlich, dass sie diese Nähe eigentlich noch nicht aufgeben wollte.


Mit einem leisen, tonlosen Seufzen zog er Shanaya fester an sich, kaum dass er spürte, wie sie sich von selbst gegen ihn drückte. Das Zittern in ihren Gliedern ebbte allmählich ab, ließ damit auch ihn und die brodelnde Sorge in ihm ruhiger werden. Er lehnte das Gesicht in ihr Haar, atmete ihren inzwischen schon so vertrauten Duft ein und wartete darauf, dass der Ansturm ihrer Gefühle wieder abklang, während seine Finger immer wieder sanft durch die dunklen Strähnen glitten. Bis Shanaya ihre Stimme wiederfand und ihm mit ihren Worten ein sachtes Schmunzeln entlockte. „Ich habe doch gesagt, dass du jetzt nicht mehr alleine sein musst.“ Widerstandslos, wenn auch etwas unwillig, lockerte er seine Umarmung, ließ der jungen Frau Platz, damit sie sich ein Stück zurücklehnen und zu ihm aufsehen konnte. Strich ihr mit einer sanften Berührung das Haar hinter ihr Ohr und begegnete ihrem Blick. Nahm die Dankbarkeit darin schweigend an und wischte noch einmal mit dem Daumen über ihre tränenfeuchte Wange, bevor er sacht nickte. Es wurde Zeit, von hier zu verschwinden, ehe sie erneut unliebsame Gesellschaft bekamen. Statt jedoch aufzustehen, legte Lucien die Hand an ihre Wange, überbrückte die kurze Entfernung zwischen ihnen und küsste sie. Ruhig, sanft, aber intensiv. So lange er es wagte, bevor der Drang, aufzubrechen, zu stark wurde und er sich vorsichtig von ihr löste. Dennoch viel zu kurz. Und er bedauerte die Unterbrechung sofort. Trotzdem schenkte er ihr ein Lächeln. „Komm, verschwinden wir.“ Langsam stemmte Lucien sich in die Höhe, streckte dann die Hand nach ihr aus, um sie mit sich auf die Beine zu ziehen. Gerade in dem Moment, als eine weitere Stimme das dämmrige Licht in der Halle zerschnitt. „Ihr da! Bleibt, wo ihr seid!“
Der Blick des Dunkelhaarigen schoss in die Höhe, zu dem Fenster, durch das sie ins Innere des Lagers gelangt waren und in dessen Öffnung nun das Gesicht eines weiteren Handlangers erschienen war. Zeit zu gehen. Er griff nach Shanayas Hand und zog sie ohne lange zu zögern in Richtung des hinteren Tores. „Dann hoffen wir mal, so einen Gaul zum Laufen zu bringen, ist wirklich nicht so schwer.“


Shanayas Lächeln blieb, verlor nicht an Wärme, auch wenn sie ein wenig Abstand zwischen sich gebracht hatte. Selbst, wenn alles in ihr sich nach dieser Nähe sehnte, wusste sie, dass sie nicht ewig so hier sitzen konnten. Umso mehr, auch wenn sie bisher Spaß an dieser ganzen Aktion gehabt hatte, wollte sie es jetzt hinter sich bringen und zur Ruhe kommen, ihrer beider Wunden versorgen. Luciens Worte entlockten ihr ein leises, ergebenes Lachen. "Vielleicht gewöhne ich mich irgendwann daran..." Sie hatte einfach viel zu lang jeden Kampf allein bestritten. Luciens Nicken nahm sie im ersten Moment als Zeichen zum Aufbruch, auch wenn sie das sachte Streichen durch ihr Haar gern noch einen Moment länger genossen hätte. So war Shanaya einen Moment lang überrascht, als Lucien sich zu ihr neigte, sie küsste - und ihr damit den letzten Rest an Anspannung nahm. Für einen Moment vergaß Shanaya, in welcher Situation sie sich befanden, konnte ausblenden, dass die Wunde an ihrem Hals jetzt zu Schmerzen begann, wo jegliche Angst von ihr wich. Sie erwiderte nur den Kuss, voller Zuneigung. Dieser Moment hätte noch ewig dauern können, aber als Lucien sich von ihr löste, erwiderte sie sein Lächeln, nickte dann ihrerseits. Es wurde wirklich Zeit, aufzubrechen.
Gerade, als sie, mit seiner Hilfe, wieder aufrecht stand und eine Hand unbewusst an ihren Hals legte, erklang von dort, wo sie gekommen waren, eine Stimme. Eindeutig, zu wem sie gehören konnte. Lucien griffen nach ihrer Hand, noch bevor Shanaya den Blick wieder gesenkt hatte, ließ ihr Lächeln damit noch einmal etwas wärmer werden, sie folgte ihm jedoch sofort. Schnell waren sie durch die Tür, aus dem Blickfeld der anderen Wächter. Draußen erwartete sie der Karren, das träge mahnende Pferd, das davor gespannt war. "Sind deine Hände unverletzt?" Mit einem Lächeln hob sie die verletzte Hand, ihre gesunde lag nun wieder an ihrem Hals. Sie glaubte nicht, dass sie so das Pferd führen konnte. Schnell warf sie einen Blick zu den Säcken, die auf dem Karren lagen. Sie hatten alles da, was sie brauchten. Sie konnten aufbrechen.


Ihre Antwort ließ ihn flüchtig und doch seltsam abwesend lächeln - auch wenn Shanaya davon vielleicht nichts mehr sah, weil er sich in gerade diesem Moment dem Hallentor zuwandte, und sie mit sanft aber bestimmt mit sich zog. Irgendwann. Irgendwann würde sie sich daran gewöhnen, dass es Menschen gab, denen sie am Herzen lag. Menschen, die an ihrer Seite standen. Und ein Teil von ihm wusste, dass er nur den Grundstein legte, ihr nur zeigte, wie es sich anfühlen konnte. Und dass nicht er es sein würde, bei dem sie letztlich fand, wonach sie suchte. Denn sein Platz war ein anderer. Doch nicht jetzt. Jetzt hatten sie bei Weitem andere Sorgen. Er stieß einen der Torflügel auf, schreckte das träge vor sich hin mahlende Pferd auf, das vor den Karren gespannt war und ließ gleich darauf Shanayas Hand los, um sie anzusehen. Sein Blick huschte auf die Schnittwunde auf ihrer Handinnenfläche und er verstand rasch, worauf sie hinauswollte. Also nickte er nur. „Ich kümmere mich um das Pferd. Steig hinten auf und schau nach, ob in diesen Säcken wirklich Kaffee drin ist. Nicht, dass wir am Ende noch den falschen Wagen klauen.“ Ein amüsiertes Schmunzeln huschte bei diesem Gedanken über seine Lippen. Nach allem, was in den letzten Minuten passiert war, wäre das nun wirklich die Krönung. Besser, sie vermieden diese Art Patzer.
Ein Anflug von Nervosität wallte in ihm auf, als er sich dem kräftigen Braunen zuwandte, der ihn mit hocherhobenem Kopf und unruhig spielenden Ohren beobachtete. Die Nüstern waren gebläht, die Augen geweitet und selbst ohne jegliche Erfahrung mit diesen Tieren war Lucien klar, dass es Angst hatte. Gut... damit waren sie schon mal zu zweit. Wer wusste schon, was dieses Biest tun würde, wenn es glaubte, dass er ihm schaden wollte. „Wenn du mich beißt, mach ich Wurst aus dir“, versicherte er dem Vieh, machte dabei einen zögernden Schritt in Richtung seines Kopfes. Dann packte er ohne lange nachzudenken das Zaumzeug. Der Braune scheute. Mit einem Knarren ruckelte der Wagen ein Stück nach vorn. Doch da Lucien das Geschirr am Backenstück gegriffen hatte, kam das Tier nicht weit, schnaubte nur unruhig. Der Blick des Dunkelhaarigen fiel derweil auf die Zügel, folgte ihrem Verlauf über das Selett nach hinten, wo sie auf den Kutschbock führten und dort lose an einer Halterung hingen. Dann wandte er sich an Shanaya und lehnte sich gleichzeitig mit der Schulter gegen die des Pferdes, um das Tier in Richtung der Gasse zu drängen, die vom Lager wegführte. „Wie sieht’s aus?“


Von Luciens Gedanken, von dem abwesenden Lächeln, bekam Shanaya in diesem Moment nichts mit. Ihr Blick glitt zu dem Karren, zu ihrem Fluchtweg und suchte die Umgebung nach fremden Gesichtern ab. Vorerst schienen sie jedoch außer Reichweite zu sein. Luciens Aufforderung entlockte der jungen Frau ein kurzes Nicken, als der Mann sich dem Pferd zu wandte und sie den letzten Schritt zu dem Karren trat. Einige Jutesäcke lagen dort, fest verzurrt. Noch einmal ließ Shanaya den Blick schweifen, ehe sie beide Hände auf das Holz legte und sich daran auf den Karren zog. Schnell hatte sie eins der Bänder durch trennt, das den Sack verschloss- und zum Vorschein kam genau das, was sie suchten. Luciens Stimme ließ sie aufmerken, ein warmes Lächeln auf ihre Lippen treten, das auch in ihrer Stimme lag. "Da hast du deinen Nebenverdienst. Pferdeschlächter." Eine absurde Vorstellung, trotzdem wurde ihr Lächeln noch einen Hauch sanfter, während sie sich erlaubte, ihren Captain für zwei Herzschläge zu beobachten. Erst mit einem Kopfschütteln wandte sie sich schließlich wieder den Säcken zu. Ein wenig versteckt lag ein deutlich kleinerer, direkt neben einer dunklen Flasche. Neugierig zog sie ihn auf, fand einige Karotten, etwas Brot und Äpfel. Lucien erkundigte sich gerade, als Shanayas Hand schon eine der Möhren gegriffen hatte. Sie erhob sich, trat näher zu ihm und biss einmal von dem Gemüse ab, ehe sie es in seine Richtung streckte. Vielleicht wurden die zwei ja so Freunde. Mit diesem Gedanken schmunzelte die Schwarzhaarige, legte wieder eine Hand an ihren Hals. "Genug Kaffee, um Talin ein paar Wochen zu versorgen."

Obwohl er dem Dunkelhaarigen nicht wirklich zu trauen schien, bewegte sich der Braune wie von ihm verlangt zur Seite, drehte den Karren dabei mit schabenden Rädern so weit, dass er in Fahrtrichtung die Gasse hinab wies. Gleichzeitig schnaubte Lucien spöttisch. „Ich glaube nicht, dass ich mit Pferdewurst am Ende reich werde.“ Sein Blick kehrte zu der Schwarzhaarigen zurück, die ihm in eben diesem Moment eine angebissene Möhre entgegenhielt. Nur kurz fragte er sich, wie sie jetzt daran denken konnte, ihren Hunger zu stillen, als ihm dämmerte, worauf sie wirklich hinaus wollte – und dass der Bissen, den sie sich gegönnt hatte, wohl nur der günstigen Gelegenheit geschuldet war. Also nahm er die Karotte entgegen, tippte sich damit gegen den imaginären Hut und wandte sich wieder dem Pferd zu, das bereits die Ohren nach vorn gedreht hatte und aus neugierigen Augen zu ihm hinter schielte. Noch immer hielt er das Tier am Zaumzeug fest, doch kaum kam der Leckerbissen nur in die Nähe seines Kopfes, spitzte es bereits die Lippen und drängte gegen seinen Griff, um danach zu angeln. Lucien ließ das Pferd los, streckte ihm zeitgleich die Möhre ins Maul und brachte hastig seine Hände in Sicherheit, bevor er sich der Kutsche zuwandte und sich mit ein paar eiligen Schritten einen Weg hinauf auf den Kutschbock suchte. „Und Talin sollte hiervon besser nichts erfahren“, erinnerte er Shanaya beiläufig. „Ich will das Zeug verkaufen und nicht zusehen, wie sie es austrinkt.“ Er warf ihr einen amüsierten Blick zu und griff nach den Zügeln, löste den lockeren Knoten, der sie zusammenhielt. Auf der anderen Seite der Halle drangen laute Stimmen zu ihnen hinüber, stammten vielleicht sogar bereits aus ihrem Inneren. Es wurde Zeit, zu verschwinden... „Und jetzt? Wie kriegt man das Vieh zum Laufen? Siehst du was zum Draufhauen?“

Shanaya bemerkte nicht einmal bewusst, dass ihre Hand sich wieder auf die Wunde an ihrem Hals gelegt hatte. Sie übte leichten Druck aus, konnte so zumindest etwas von dem pochenden Schmerz lindern. Luciens Kommentar zu der Pferdewurst entlockte der jungen Frau schließlich ein zustimmendes Schnaufen, damit ließ sie das Thema ruhen und schmunzelte über die ‚Ohne-Hut‘ Geste des Mannes. Die kam ihr vertraut vor, wenn auch nicht von Lucien. Ihr Lächeln wurde jedoch noch ein wenig breiter, während sie beobachtete, wie Lucien sich wieder mit dem Pferd und der Möhre beschäftigte. Ihr lag dazu ein Kommentar auf der Zunge, den sie vorerst jedoch herunter schluckte. „Ich schweige wie ein Grab.“ Jetzt huschte ihr Blick kurz zu der Halle, noch erkannte sie jedoch niemanden. „Frag mich nicht, ich will nicht wissen, wie oft ich Ärger bekommen habe, weil ich mich mit den Pferden der Insel beschäftigt habe. Aber…“ Shanaya reckte den Kopf etwas, blickte zu den Füßen des Mannes. „Was ist damit?“ Etwas längliches, schwarzes. Egal, was das war, um dem Pferd einen Klaps zu geben, würde es sicher reichen.

Unwillkürlich huschte sein Blick zum Hallentor. Die Stimmen wurden lauter, deutlicher, was ihren Aufbruch umso dringlicher machte. „Na, wahrscheinlich lernt man in deinen Kreisen eher, wie man IN einer Kutsche sitzt, nicht, wie man sie in Bewegung setzt“, erwiderte er mit einem Schmunzeln in der Stimme. „Aber das wäre jetzt wirklich praktisch gewesen.“ Ihr Kopf erschien am Rande seines Blickfelds, was ihn den Kopf wenden und auf ihren Wink hin nach unten sehen ließ. „Hm“, machte er interessiert, beugte sich umständlich nach unten und hob den langen, dünnen Stock auf, der dort lag. Eine schlanke Schnur entrollte sich, als er den Stock aufrichtete, sodass das ganze Ding an eine Angel erinnerte. Wenn das mit dem Draufhauen also nicht funktionierte, banden sie eine Möhre ans Ende und hielten sie dem Pferd einfach vor die Nase. Den Rest erledigte schon die Gier. „Also schön, probieren wir unser Glück. Setz dich lieber hin und halt dich fest.“ Er ließ die Zügel locker, warf dem Braunen noch kurz einen kritischen Blick zu, bevor er die Peitsche fester griff, leicht nach hinten ausholte und die feine Schnur mit ordentlich Schwung auf die breite Kruppe des Pferdes sausen ließ. Es knallte und klatschte gleichzeitig. Das Tier riss mit einem ohrenbetäubenden Wiehern den Kopf in die Luft, machte einen gewaltigen Satz nach vorn und schleuderte die beiden Piraten nach hinten. Unsanft prallte Lucien mit dem Rücken gegen die hölzerne Lehne, die seinen Fall jedoch bremste und ihn stützte, als das Pferd aus dem Stand in einen panischen Galopp fiel und die Gasse hinunter preschte.

Shanaya hätte jetzt zu gern dazu passend einen höfischen Knicks gemacht, um die Worte des Mannes zu untermalen, gab aber nur erneut ein zustimmendes Geräusch von sich. Lucien fand etwas, das nach einer Peitsche aussah und Shanaya hob mit einem amüsierten Schmunzeln eine Augenbraue. Sie streckte die Hand aus, klopfte dem Dunkelhaarigen auf die Schulter. „Ich glaub an dich!“ Die Schwarzhaarige lachte, tat dann wie geheißen und ließ sich auf den Säcken nieder. Dabei erkannte sie noch ein zusammen gelegtes Tuch zwischen die Säcke gequetscht, als auch schon ein Ruck durch den Karren ging. Sofort spannte sich Shanayas Griff um die Holzsprossen zu ihrer Seite fester, auch wenn der Ruck einmal Schmerz durch ihren Körper, den Hals und die Hände zucken ließ. „Nur so rein theoretisch… weißt du, wie du den Gaul wieder zum Stillstand bekommst?“ Shanaya hilft sich fest, rief gegen den Fahrlärm an und warf einen Blick zurück, wo gerade eine Schar Männer auf den Hof gelaufen kamen, den sie gerade verlassen hatten. „Oder zumindest, wie du es lenkst, damit wir nicht vor die nächste Wand krachen? Die sind nicht sehr begeistert da hinten!“

Für einen kurzen Augenblick hörte und sah Lucien nichts anderes, als das Donnern der Pferdehufen auf dem Asphalt, der Fahrtwind, der ihm in den Ohren rauschte, das Rumpeln der hölzernen Räder übers Pflaster und der dahinsausende Boden unter ihnen. Er war voll und ganz damit beschäftigt, ob der unerwarteten Gewalt der Geschwindigkeit sein Gleichgewicht zu halten und sich auf dem Kutschbock wieder aufrecht hinzusetzten. Hastig nahm er die Zügel wieder auf und notierte sich gedanklich, dem Vierbeiner nicht gleich wieder eine überzubraten, wenn es nicht zwingend notwendig wurde, bevor Shanayas Worte zu ihm durchdrangen und er den Kopf leicht in ihre Richtung neigte, um sie besser zu verstehen – ohne dabei die Straße aus den Augen zu lassen. Ganz kurz stieg ein Lachen in seiner Kehle auf, das eher trocken-ironisch als amüsiert klang. Doch die Schwarzhaarige nahm ihm seine Antwort bereits vorweg. Anhalten... pft... Viel dringender war die Frage, wie man lenkte. Denn auch wenn die Gasse noch ein kleines Stück geradeaus führte, steuerten sie zielgenau auf die Fassade eines kleineren Gebäudes zu, vor dem die Straße nach links und rechts eine Biegung einschlug. „Sehen wir gleich“, rief er über die Schulter zurück. „Ich vertraue ein bisschen darauf, dass dieses Vieh selbst nicht gegen eine Wand brettern will... Folgen sie uns?“ Da er es nicht riskieren wollte, sich umzudrehen, musste Shanaya die Lage im Blick behalten.

Luciens Lachen ließ Shanayas Schmunzeln kurz etwas hämisches annehmen. Wie sie schon gesagt hatte, so schwer konnte das an sich ja nicht sein. Aber da sie selbst nicht wirklich eine Ahnung hatte… das war etwas, wo sie nie aufgepasst hatte. Ein kurzer Blick zurück zu der Halle, wo sie auf die inzwischen große Entfernung nur sehen konnte, dass einige der Männer schnell wurden. Langsam und etwas taumelig, mit den Händen an den Kutschbox geklammert, erhob die Schwarzhaarige sich, machte sich selbst ein Bild von dem, was vor ihnen lag. „Wohin wolltest du flüchten? In den Norden?“ Irgendein Gedanke in diese Richtung kam ihr, vielleicht sollten sie ihren Fluchtweg dem anpassen. „Eine Hand voll ist zurück in die Halle gerannt, aber ich sehe zumindest niemanden auf einem Pferd… Aber…“ So gut es ging beugte die Schwarzhaarige sich im Schutz des Kutschbockes nach unten, griff in einen der Säcke und nahm eine Hand voll Kaffee heraus. „Eine kleine, falsche Fährte schadet nicht.“ Jetzt musste sie nur noch warten, in welche Richtung das Pferd einschlug… „Wer könnte dem Gaul besser erklären, was links ist, als du?!“ Ein deutliches Lachen lag in der Stimme der jungen Frau, die die Hand fest um die Bohnen schloss und darauf wartete, diese von der Kutsche werfen zu können.

Lucien gab nur ein vernehmliches, aber bestätigendes „hmhm“ von sich. Konzentrierte sich wieder deutlich mehr auf die Aufgabe, dem davonstürmenden Pferd zu verdeutlichen, in welche Richtung sie als Nächstes wollten. Norden jedenfalls, das war sein Plan gewesen. Raus aus der Stadt, weg vom Hafen. Um dann zur Sphinx zurückzukehren, wenn sich der Staub gelegt hatte. „Hoffen wir, dass wir außer Sicht sind, bevor sie uns folgen können...“ Er warf seiner Begleiterin einen flüchtigen Seitenblick zu, sah, wie sie nach einem der Säcke griff und dabei etwas von einer falschen Fährte sagte. Doch bei ihrem nächsten Satz schnaubte er nur spöttisch. „Alles klar. Nach links, kommt sofort. Aber verpulver mir nicht zu viel von meiner teuren Ware!“ Lucien grinste, sah wieder nach vorn. Sie hatten die Kreuzung beinahe erreicht. Jetzt galt es – und wie schwer konnte das schon sein? Seine Hand schloss sich fest um die Zügel, dann zog er sie kräftig zu sich ran, riss den Kopf des Tieres damit nach links. Eben dorthin, wo sie hinwollten. Das Pferd gab erneut ein quiekendes Wiehern von sich, das in seinen Ohren seltsam gequält klang, warf sich jedoch beinahe sofort in die Kurve und riss den Wagen samt der beiden Piraten hinter sich her. Das Gefährt neigte sich bedrohlich, verlor mit dem linken Rad beinahe den Kontakt zur Straße, bevor sie herum waren und wieder zurück in die Spur sackten. „Ha! Geht doch. Ist gar nicht so schwer...“

„Wir haben immerhin einen großen Vorsprung, wir könnten Glück haben…“ Mit leicht zusammen gekniffenen Augen richtete Shanaya den Blick noch einmal zurück, erkannte jedoch noch immer niemanden, der ihnen schnell folgen wollte. Bei den weiteren Worten des Mannes wurde ihr Grinsen wieder etwas breiter, gab ein unwilliges Brummen von sich. Immerhin arbeitete sie daran, dass sie ihre Hintern hier mehr oder weniger heil heraus bekamen! Viel Zeit, sich auf ihren Wurf vorzubereiten blieb der jungen Frau jedoch nicht, als Lucien die Zügel herum riss und dem Pferd genau zeigte, wo dieses Links war. Es gab ein gequältes Geräusch von sich, auf das Shanaya jedoch nur halbherzig lauschte. Mit einer Bohne, die sie zwischen die Zähne geklemmt hatte, drehte die Schwarzhaarige sich in die Richtung der rechten Gasse, holte weit auf und ließ die Bohnen in die Richtung der Gasse fliegen – was vermutlich nur funktionierte, weil sie so oder so verstreut liegen sollten. Jetzt kippte der Karren, ließ sie einmal mit dem Gleichgewicht kämpfen, ehe die ruckelige Fahrt wieder weiterging wie zuvor. Die Kaffeebohne war derweil in ihrem Mund verschwunden, sie drehte sie mit der Zunge hin und her. „Siehst du, sage ich doch!“ Shanaya lachte, klopfte dem Mann noch einmal auf die Schulter.

Lucien schnaubte erneut in einer Mischung aus freundschaftlichem Spott und ehrlicher Belustigung. „Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dir zu widersprechen“, erwiderte er. Stellte sich trotz allem noch die Frage, wie er diesen Gaul in ein halbwegs gemäßigteres Tempo bekam, das nicht gleich nach Flucht schrie und jeden Soldaten in Sichtweite auf sie aufmerksam machte. Oder überhaupt anhielt. Aber immerhin – lenken ging.

Die Fahrt ging in einem ähnlich haarsträubenden Tempo weiter, wie sie auch angefangen hatte, bis Lucien die Zügel aus reiner Intuition heraus ein Stück anzog und das Pferd mit einem dankbaren Schnauben in einen ruckeligen Trab verfiel. Da hatten sie die Stadtgrenze bereits hinter sich gelassen und offenes Feld durchquert. Der Rücken des Braunen glänzte im Mondlicht dunkel vor Schweiß, Dampf stieg aus seinem Fell auf, als sie schließlich ein kleines Wäldchen erreichten, das ihnen ein wenig Deckung bot und Lucien den Wagen vom Weg hinunter und zwischen die Bäume lenkte. Nicht weit von der Straße hatten sie eine zerfallene Scheune entdeckt, die groß genug war, um Pferd und Wagen zu verstecken, bis sich der Staub etwas gelegt hatte. „Schau mal nach, ob du das Tor irgendwie auf kriegst...“, wandte er sich an die Schwarzhaarige und zog die Zügel an, bis der Braune zum Stehen kam, damit Shanaya vom Kutschbock springen konnte.


Shanaya war ganz froh, als die Fahrt ein wenig ruckeliger wurde und sie nicht mehr durchgeschüttelt wurden. Noch glücklicher darüber war aber wohl das Pferd, das sich noch eine zweite Möhre verdient hatte. Die Scheune lag abgelegen genug, ganz nach Shanayas Geschmack. Hierhin würde man ihnen nicht unbedingt folgen und sie konnten hier etwas Zeit verbringen, bis sie wirklich sicher zum Hafen zurückkehren konnten. Die Kutsche kam zum Stehen, Shanaya nickte nur auf die Worte ihres Captains hin und sprang mit einem eleganten Satz vom Kutschbock. Suchend ließ sie die blauen Augen schweifen, erkannte jedoch nichts, was dafür sprach, dass hier Menschen hausten. Keine Feuerstelle, kein Rauch von irgendwo. Umso sicherer waren die Schritte, mit denen sie sich dem Tor näherte. Es brauchte einiges an Kraft, um das verrostete Schloss zu öffnen und die leicht zugewachsene Tür schließlich aufzuziehen. Ihre verletzte Hand streikte, aber Shanaya biss nur die Zähne zusammen, zog so fest sie konnte, bis das Tor weit genug geöffnet war, um Wagen und Pferd hinein zu lassen. Nun machte sie doch einen kurzen, vornehmen Knicks und deutete ins Innere der Hütte. „Der werte Herr...“

Genau wie die junge Navigatorin ließ Lucien den Blick wachsam schweifen. Doch nichts rührte sich, kein Hufgetrappel in der Ferne kündigte Reisende oder Verfolger an. Das zerfallene Gebäude schien längst verlassen, diente vielleicht einmal als Lager für die umliegenden Felder und war schon lange aufgegeben worden. Zumindest ließ das eingefallene Dach und die mit Efeu überwucherten, löchrigen Wände darauf schließen. Also perfekt dafür geeignet, ihnen Unterschlupf zu gewähren. Als Shanaya mit leisem Rumpeln das Scheunentor öffnete und schließlich mit einer eleganten Verbeugung den Weg hinein wies, schnaubte Lucien deshalb nur amüsiert, ließ die Zügel leicht auf die Kruppe des Braunen klatschen – er hatte inzwischen herausgefunden, dass diese Taktik ebenfalls funktionierte, um ihn zum Laufen zu animieren – und steuerte Tier und Wagen mehr oder weniger zielgenau durch die breite Öffnung. Im Inneren brachte er das Pferd erneut zum Stehen, warf die Zügel über die Halterung und sprang im nächsten Moment vom Kutschbock, um der Schwarzhaarigen dabei zu helfen, das in den Angeln hängende Tor wieder zu schließen. Erst dann warf er ihr einen musternden Seitenblick zu und klopfte sich den Schmutz und moosig-morsches Holz an seiner Hose ab. „In Ordnung... wie fühlst du dich?“

Deutlich harmloser als zuvor mit der Peitsche lenkte Lucien das Pferd nun ins Innere der Scheune, womit Shanaya den Blick noch einmal prüfend schweifen ließ. Vielleicht hatte ihre kleine Fährte ja wirklich einen Effekt erzielt. Als sie sich wieder herum drehte, sprang Lucien gerade von der Kutsche, das Pferd stand einfach erschöpft da. Gemeinsam mit dem Dunkelhaarigen schloss sie wieder die Tür, was ihnen noch einmal etwas Sicherheit verschaffte. Und das Licht, das durch das zerfallene Dach fiel, reichte aus, um nicht in vollkommener Dunkelheit zu stehen. Ihr Augen betrachteten die noch vorhandene Decke, bis Luciens Stimme sie den Kopf zu ihm drehen ließ. Fast automatisch legte sich ihre Hand auf die Wunde an ihrem Hals, es legte sich dennoch ein warmes Lächeln auf ihre Lippen. „Geht schon. Brennt noch etwas, aber das ist morgen wieder weg.“ Ein spontaner Gedanke kam ihr und damit drehte sie sich von Lucien weg, trat noch einmal zu dem Karren. „Hier war eine Flasche Rum… vielleicht kann ich wenigstens etwas von dem Blut weg waschen. Sonst hält man mich noch für eine lebende Tote.“ Ohne noch einmal zu Lucien herum zu blicken, zog sie sich auf die Kutsche, trat an die Stelle, wo die Flasche geruht hatte und band sich das rote Tuch von der Hüfte und hob die Flasche an, um mit einem Zucken der Schultern zu Lucien zurück zu blicken.

Lucien lächelte als Reaktion auf ihre Worte flüchtig und nickte verstehend. Sah ihr dann nach, als sie sich dem Karren zuwandte und die Ladefläche erklomm. Der Wagen knarzte ob der Bewegung leise, doch der Braune, der immer noch davor gespannt war, hatte längst den Kopf gesenkt, ein Hinterbein entlastet und kümmerte sich nicht mehr um das, was hinter ihm geschah. Lucien stieß sich vom Scheunentor ab, folgte der Schwarzhaarigen schließlich. „Lass mich das machen. Dann kann ich mir den Schnitt nochmal ansehen.“ Er stemmte sich rücklings auf die Ladefläche des Karrens, zog ein Bein in einen halben Schneidersitz nach oben, sodass er sich Shanaya zuwenden konnte, und winkte sie mit der Linken zu sich, damit sie sich zu ihm setzte.

Mit routinierten Griffen hatte Shanaya das Tuch von ihrer Hüfte gebunden, es sich über die Schulter gegriffen und sich nach der Flasche gebückt, die bei dem kleinen Beutel lag, in dem ein bisschen Proviant verstaut war. Immerhin hatten sie etwas zu trinken und etwas Essbares dabei. Luciens Worte ließen sie kurz blinzeln, abwägen. Der Gedanke, auf der anderen Seite vom Karren zu springen, war für einige Herzschläge viel zu verlockend. Aber Shanaya kämpfte dagegen an, bückte sich noch nach dem Essensbeutel und trat zu Lucien, den Beutel hinter ihm auf den Karren sinken lassend und ihm mit der freien Hand rote Tuch von ihrer Schulter zu werfend. Erst dann ließ sie sich, ihm zu gewandt, in einen Schneidersitz senkend und hielt ihm die Flasche hin. „Solange du nicht vorher alles austrinkst.“ Sie grinste.

Lucien fing das Tuch auf, dass die Schwarzhaarige ihm entgegen warf, und musste gleichzeitig grinsen. „Ich versuche, mich zu beherrschen.“ Die Verlockung war groß – aber er konnte genauso gut im Anschluss trinken, was noch übrig war. Also nahm er ihr die Flasche nur wortlos ab, legte das Tuch auf seinen Oberschenkel und wartete darauf, dass sie sich vor ihm auf die Ladefläche sinken ließ. Von ihrer inneren Unruhe bekam Lucien derweil nichts mit, dachte sich auch ob ihres Zögerns nichts. Vorsichtig legte er die freie Hand unter ihr Kinn, brachte sie mit sanftem Druck dazu, den Kopf etwas zu heben, damit er im spärlichen Licht zumindest ein bisschen erkennen konnte. Dann ließ er sie wieder los. „Es hat zumindest aufgehört, zu bluten“ stellte er mit einem sachten Lächeln fest, hob die Flasche an den Mund und entkorkte sie mit den Zähnen, bevor er das Tuch wieder aufhob, ein Stück vom Stoff zusammenknüllte und ihn mit der scharfen Flüssigkeit tränkte. „Wird vermutlich nicht mal ne Narbe. Kopf wieder hoch!“, wies er sie sanft, aber bestimmt an und legte erneut die Hand an ihr Kinn, damit sie seiner Aufforderung folgte.

Shanaya atmete tief durch, versuchte damit irgendwie, das aufwallende Gefühl in ihrem Inneren zu unterdrücken. Sie wusste nicht, was und woher es kam, aber es ließ sich nicht einfach so verbannen. Also konzentrierte sie sich auf Lucien, hob den Kopf etwas an, als er die Hand unter ihr Kinn legte. Seinen Worten folgte, als er die Hand weg zog, ein kurzes Nicken. „Er hatte ja glücklicherweise anderes im Kopf. Und sich mit einer Leiche zu vergnügen ist halt nicht sonderlich spaßig.“ Kurz zuckte die Schwarzhaarige mit den Schultern, hob dann wieder den Kopf an, als Lucien das Tuch mit Alkohol getränkt hatte und schloss die Augen, in Erwartung eines Brennens am Hals. Und zumindest das half ihr für einen Moment. „Dann muss ich mir immerhin keine Geschichte ausdenken, wie ich da eine Narbe bekommen habe.“

Unwillkürlich huschte ein Schmunzeln über seine Lippen, während Shanaya den Kopf erneut hob. „Soll Leute geben, die drauf stehen...“ Doch beinahe sofort verblasste der Ausdruck auf seinen Zügen wieder, wurde ernster. So vorsichtig wie möglich ließ er den Stoff über die Haut an ihrer Kehle gleiten, wischte zunächst das Blut rund um den Schnitt ab, bevor er vorsichtig über die Wunde selbst strich, um sie so gut es ging vom Staub des Lagerhauses und der Straße zu reinigen. Dann ließ er wieder von ihr ab, griff erneut zu der Rumflasche und tränkte das Tuch mit einem neuerlichen Schwung Alkohol. Sein Blick huschte derweil wieder zu der Schwarzhaarigen zurück. „Das war gute Arbeit heute Nacht. Danke.“ Ein sachtes Lächeln legte sich auf seine Lippen, das zugleich eine Spur Unsicherheit verriet. Er war sich nicht ganz sicher, wie sie das, was passiert war, aufnahm. Wie sie die Gefühle verarbeitete, die dieser Mann in ihr ausgelöst haben mochte – und wie man darüber sprach, statt es totzuschweigen. Wo er doch selbst kein großer Freund davon war, über solche Dinge zu reden.

Shanaya ließ die Augen geschlossen, konnte sich so darauf konzentrieren, tief und ruhig ein und aus zu atmen. So konnte sie sich etwas beruhigen – das Brennen an ihrem Hals erledigte dann den Rest. Shanaya zog scharf die Luft ein, als Lucien mit dem Tuch über die Wunde strich. Die Schwarzhaarige blieb jedoch ruhig sitzen, öffnete jedoch ein Auge, als Lucien das Tuch zurück zog und sie nur hörte, wie er erneut Rum darüber goss. Er sprach sie jedoch an, sodass sie nun beide Augen öffnete, erneut blinzelte und sich dann ein warmes Lächeln auf ihre Lippen legte. „Ich bin jederzeit bereit, mich dir wieder anzuschließen, wenn du noch einmal so eine Idee hast.“ Die junge Frau wog den Kopf etwas zur Seite, hob eine Hand und tätschelte dem Mann sachte die Wange, zog die Hand dann aber wieder zurück. „Und glaub nicht, dass ich mich von irgendwelchen Idioten und Rückschlägen davon abhalten lasse.“

Wieder entlockte ihre Antwort, ihre ganze Reaktion ihm ein Lächeln. Er begegnete einen Moment noch ihrem Blick, hielt ihn fest, bevor er flüchtig nickte und sonst nichts weiter sagte. Es war ihre Entscheidung. Sie wusste, worauf sie sich einließ. Sie wusste, welche Gefahren auf einen Piraten und erst recht auf eine Frau warteten. Wenn sie sagte, dass sie sich davon nicht unterkriegen lassen würde, glaubte er ihr das – und hinterfragte es nicht. Also hob er nur die Hand und setzte das Tuch wieder an die Wunde an ihrer Kehle, wischte den letzten Rest Staub und Blut von ihrer Haut. Die Stille, die in diesen wenigen Augenblicken zwischen ihnen entstand, störte Lucien nicht. Trotzdem unterbrach er sie nach einigen Herzschlägen. „Ich werde das verbinden.“ Keine Frage, eine Feststellung. „Wie sieht deine Hand aus? Blutet die noch?“ Er ließ das Tuch erneut auf seinem Schenkel liegen und machte sich daran, sich seines zerrissenen Hemdes zu entledigen, während er einen fragenden Blick auf ihre verletzte Hand warf.

Shanaya erwartete in diesem Moment keine Widerworte aus Luciens Richtung. Ob er sie jedoch noch einmal mit auf so eine… Tour nehmen würde, das würde sich zeigen. Ein leises Seufzen ihrerseits folgte, sowie ein zugekniffenes Auge, als Lucien noch einmal über die Wunde wischte. Sie hatte sich für den Moment jedoch wieder genug unter Kontrolle, um dieses kleine Gefühl von Nervosität zu unterdrücken. Irgendwie. Als der Dunkelhaarige jedoch verkündete, bestimmte, dass er die Wunde verbinden würde, blinzelte die Schwarzhaarige, hob dann ihre Hand, um einen prüfenden Blick darauf zu werfen. „Das war nur ein winziger, oberflächlicher Schnitt. Den merke ich schon gar nicht mehr.“ Ein zögernder Blick galt Lucien, als er sich an sein Hemd machte. „Hier wirst du aber keine Wäscheleine finden, von der du dir etwas klauen kannst, damit du nicht halbnackt rum rennen musst.“ Ein tiefer Atemzug. „Nicht, dass ich mich beschweren würde, aber…“ Nun galt dem Mann ein vielsagender Blick.

Lucien schälte sich etwas umständlich aus seinem Hemd, warf Shanaya dabei einen kurzen Blick zu und hob ob der lapidaren Beurteilung ihrer Hand eine Augenbraue. „Sicher? Oder behauptest du das jetzt nur, damit du vor mir keine Schwäche zeigen musst?“ Ein freches Grinsen stahl sich auf seine Lippen, doch auf ihre folgenden Worte zuckte er nur mit den inzwischen nackten Schultern. „Sehr angezogen kam ich mir damit ohnehin nicht mehr vor“, meinte er amüsiert schmunzelnd und hob das Hemd an, um ihr den großen Schnitt vor Augen zu führen, der sich quer durch den Stoff zog. „Also lieber ohne Hemd, als mit zerstückeltem Hemd. Außerdem wird es nachts nicht mehr so kalt, dass ich das nicht aushalte. Sonst musst du mich eben warm halten.“ Ein spöttischer Zug spielte um seine Mundwinkel, als er Shanaya einen kurzen Blick zuwarf und schließlich nach dem Dolch an seinem Gürtel griff, um am unteren Saum des Kleidungsstücks einen etwa zwei Zentimeter breiten Stoffstreifen abzutrennen.

Shanaya betrachtete die Wunde auf der Brust des Mannes, kaum, dass er sich das Hemd über den Kopf gezogen hatte. Erst bei seinen Worten hob sie die blauen Augen wieder an, genau wie die verletzte Hand, mit der Hand in seine Richtung. „Ich bin nicht so blöd und schneide mir tief ins eigene Fleisch.“ Als er ihr das Hemd präsentierte, seufzte sie nur, nickte ergeben. „Ziehst du halt noch ein paar mehr Blicke auf dich als sonst schon.“ Seine nächsten Worte kommentierte sie mit einem warmen Lächeln, einem zur Seite geneigten Kopf. „Dein Wunsch ist mir Befehl, nachher friere ich mir selbst noch etwas ab.“ Nun machte sich der Mann daran, das Hemd zu zerschneiden, womit Shanaya den Moment nutzte um aufzustehen, einen Blick in den Beutel mit Essen zu werfen und schließlich einen der Äpfel heraus fischte und hinein biss. Kauend überlegte sie einen Moment, seufzte dann. Es war ein innerer Kampf, den sie nicht bestimmen konnte – und den sie haushoch verlor. Mit einem tonlosen Seufzen trat sie also wieder zu Lucien, ließ sich hinter ihm auf die Knie fallen und legte die Arme u seinen Körper, schmiegte sich beinahe vorsichtig an ihn. Nicht weniger hin und her gerissen als vorher. „Wenn du ganz doll frierst, leihe ich dir auch meine Bluse. Vielleicht hält sie dich ein bisschen warm.“ Ein deutliches Lachen schwang in ihrer Stimme mit und ließ sich nicht herunter schlucken.

Mit einem prüfenden Blick auf ihre Hand versicherte er sich, dass ihre Worte der Wahrheit entsprachen und wandte sich dann – mit einem deutlichen Schmunzeln auf den Lippen – wieder seinem Hemd zu, aus dem er sorgfältig möglichst lange Streifen schnitt. In seiner Stimme lag deutliche Belustigung, als er ohne aufzusehen konterte: „Im Moment bist du hier die einzige, die mich lüstern anstarren kann.“ Er hörte, wie sie sich erhob, und der Wagen schwankte unter ihren Schritten leicht, als die Schwarzhaarige erneut einen der Säcke unter die Lupe nahm, den sie erbeutet hatten. Lucien achtete nicht darauf, was sie dort tat, konzentrierte sich vielmehr auf das, was er tat, bis er einen halbwegs brauchbaren Schwung schmaler Leinenstreifen zusammen hatte, die reichen würden, um die Wunde an Shanayas Hals zu verbinden und im Anschluss ihren Verbandsschrank im Lazarett ein Stück weit wieder aufzufüllen. Alles andere wäre nur schade um das Hemd und zudem Verschwendung gewesen. Lucien schob den Dolch zurück in seinen Gürtel und hob den Blick, gerade als die junge Frau zu ihm zurückkehrte. Er spürte eher, als dass er sah, wie sie hinter ihm vorsichtig auf die Knie sank, spürte schließlich, wie sich ihre Arme um ihn legten, und hielt unwillkürlich in der Bewegung inne. Ihre Wärme schmiegte sich an seinen Rücken, drang durch die vernarbte Haut und ließ ihn sacht lächeln. Ein Lächeln, das sie wahrscheinlich nicht einmal sah, das aber durchaus in seiner Stimme lag. „Wie wäre es, wenn wir uns einfach gegenseitig warm halten“, erwiderte er mit sanftem Spott, dann wandte er leicht den Kopf, bis er sie aus den Augenwinkeln sehen konnte. In dem tiefen Grün glomm leiser Schalk, aber auch eine ungewohnte Wärme. „Dann kannst du wenigstens deine Bluse behalten.“

Shanaya schloss im ersten Moment, in dem sie sich an Lucien schmiegte, die blauen Augen, genoss die kurze Ruhe, die in ihrem Inneren herrschte. Erst, als Lucien sprach, öffnete sie die Augen wieder, betrachtete die Stoffstreifen, die er zurecht geschnitten hatte. Die Wunde an ihrem Hals konnte sie beinahe ausblenden, wenn sie ihm so nah war. Sie brannte, aber ihr sehnsüchtig schlagendes Herz trieb diesen Schmerz in den Hintergrund. Ein leises Lachen folgte, mit dem sie mit den Lippen sachte über Luciens nackte Schulter strich. „Als ob wir zulassen würden, dass der andere erfriert.“ Der Dunkelhaarige drehte leicht den Kopf zu ihr, womit die Schwarzhaarige leicht den Blick hob, um ihn direkter anblicken zu können. Das Lächeln auf ihren Lippen sprach Bände, hatte zugleich etwas lockendes an sich. Genau wie ihre Finger, die sachte über seine Brust strichen, ohne dass sie sich auch nur einen Hauch von ihm entfernte.„Als ob du mir die nicht in deinem Kopf längst ausgezogen hast.“ Nicht mehr als ein sehnsüchtiges Flüstern direkt an seinem Ohr.

Ihr Atem, ihre Lippen, die über seine Haut strichen, sandten ihm einen sachten Schauer durch den Körper. Wärme breitete sich in ihm aus, sickerte durch seine Adern und lenkte ihn ab. Ihr Lachen, ihre Worte, alles an ihrem Verhalten war eine Einladung. Von jetzt auf gleich. Auch wenn es Lucien im Nachhinein nicht überraschte, dass sich das Adrenalin in ihrer beider Blut auf diese Weise Luft verschaffen wollte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde flammte noch die Erinnerung an ein nicht allzu weit zurückliegendes Gespräch auf, ließ ihn kurz und kaum merklich zögern. Doch als Shanayas Hände sanft über seine Brust wanderten und aus der lockenden Wärme simples Begehren wurde, verdrängte er den Gedanken. Stattdessen begegnete er ihrem Blick nun ohne jedes Lächeln. „Wäre schade, wenn das nur in meinem Kopf passiert“, erwiderte er mit leiserer, rauerer Stimme. Dann drehte er sich in ihrer Umarmung ein kleines Stück weiter zu ihr um, legte ohne ein weiteres Wort die Hand an ihre Wange und küsste sie fordernd. Ließ sie wissen, dass er gerade keine große Lust auf Spielereien hatte. Zumindest nicht in dieser ersten Runde.
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They come for You, they come for Me - von Lucien Dravean - 04.03.2022, 22:34

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