07.12.2021, 23:01
Gebannt verfolgte sie die Bewegungen der Männer, wenn sie ihre Krüge zusammenstießen oder sie an ihre Lippen hoben. Das Mädchen fragte sich, wie es wohl schmecken würde, wenn sie dieses Getränk, das sie Alkohol nannten, kosten würde. Wenn es ihnen allen immer so gut schmeckte, dann musste es so süß wie die Brombeeren im Wald sein, dass stellte sie sich lecker vor.
Noch völlig mit der Vorstellung beschäftigt, entging ihr, wie eine kleine Gestalt die Taverne verließ, nachdem sie einen blonden Schopf am Fenster gesehen hatte. Das leise Quietschen der Tür hätte sie eigentlich vorwarnen müssen, aber sie sah nur verträumt durch das Fenster in diese fremde Welt. Erst diese leise gezischte Erwähnung ihres Namens, ließ sie zusammenzucken, das Gleichgewicht auf ihren Zehnspitzen verlieren und auf der kleinen Holzkiste hin und her balancieren. Hätte sie besser aufgepasst, statt zu träumen, hätte sie sich nicht so sehr erschrecken müssen. Jetzt musste sie mit der Quittung leben. Mit einem leisen Schrei, kippelte die Kiste noch einmal hin und her, bevor sie schließlich nach hinten um fiel und das blonde Mädchen sich an dem kleinen Fenstersims festhalten musste, um nicht der kleinen Holzkiste zu folgen. Statt wie eigentlich geplant, fiel sie Lucien nicht um den Hals, um ihn anschließend zu entführen. Stattdessen hing sie nun da, konnte die untere Kiste mit den Füßen nicht erreichen und schnappte leicht panisch nach Luft.
„Lucien!“, rief sie leise. Ihre Stimme klang nicht so fragend, wie die ihres Bruders, sondern ein kleines bisschen ängstlich. Niemals würde sie zugeben, dass zu empfinden, aber ganz aus ihrer Stimme verbannen, konnte sie dieses Gefühl auch nicht. Es beruhigte sie auch nicht, dass es zum Glück nur ihr Bruder war, der sie so sehen würde, denn auch vor ihm wollte sie nicht so peinlich an einem Fenstersims hängen.