01.11.2021, 19:57
Ihm war heute nicht mehr nach großem Risiko. Seine Laune hingegen rechtfertigte durchaus, heute Abend zumindest sein Tagesgehalt auf den Kopf zu hauen. Bestmöglich dort, wo sich hünenhafte, zahnlückige Affenhirne ebenfalls gegenseitig die Köpfe einschlugen. Man hätte meinen können, er hätte genug von Mord und Todschlag nach diesem Tag – in erster Linie allerdings reichte es ihm, wenn es einfach nicht sein verdammtes Problem war, sondern das von anderen Menschen. Von Fremden. Namenlosen Gesichtern, die er, wenn alles gut lief, nie wieder sehen würde. So zumindest sein Plan, der ab einem gewissen Punkt unangenehm aus dem Ruder lief. Bislang hatte sich Alex mit ein paar Bieren begnügt, während er kaum mehr aus seinem Einsatz herausholen konnte, als er gesetzt hatte. Die Kämpfe an diesem Abend waren nicht sonderlich schwer einzuschätzen gewesen. Das Spannendste bislang war abermals einer dieser Newcomer, der in den letzten Tagen aus dem Nichts aufgetaucht war. Der Lockenkopf warf dem Trubel im Ring nur beiläufig immer mal wieder einen Blick zu und beobachtete stattdessen an einen der Scheunenpfeiler gelehnt ein unauffälliges Tauschgeschäft zweier zwielichtiger Gestalten. So lange jedenfalls, bis sich etwas Unvorhergesehenes tat und sich sein Vorhaben mit den ‚fremden Gesichtern‘ schlagartig in Rauch auflöste.
Schlagartig zogen sich seine Augenbrauen zusammen und seine lässige Haltung wich einem angespannten, überraschten Stand, mit dem er versuchte, einen besseren Blick zu erhaschen. Er tauchte zwischen ein paar Gestalten weiter nach vorne. Sein Verstand sagte ihm noch immer, dass er sich irren musste – aus mehreren Gründen. Weil der Zufall nicht imstande war, so etwas einzufädeln. Und, weil das Gesicht, was er da zu kennen glaubte, dort eigentlich nicht stehen sollte. Je näher er dem Ring allerdings kam, desto sicherer war er sich. Und desto stärker wurde das ungute Gefühl, dass hier etwas gewaltig nicht stimmte. Eine Zeit lang beobachtete er das Geschehen noch immer überrumpelt. Dann konnte er nicht mehr tatenlos zusehen, wie in diesem Kampf immer mehr zu unfairen Mitteln gegriffen wurde. Sein Krug fiel zu Boden, doch bereits bevor sich die ersten erzürnt umwenden konnten, war Alex in der Masse verschwunden, um sich zum Ring vorzudrängeln. Unruhe machte sich in der Menge breit, wo er unsanft die Körper der anderen Männer zur Seite drängte, um sein Ziel zu erreichen. Sein Blick war unentwegt auf das eine Gesicht gerichtet, das sich hämisch grinsend hinter seinem Freund aufgebaut hatte und offensichtlich nicht damit zu rechnen schien, alsbald unterbrochen zu werden.„He, Affenarsch!“, war die einzige Warnung, die Flints Handlanger erreichte, ehe ihn Alex‘ Faust seitlich ins Gesicht traf. „Machen wir doch einen fairen Kampf draus.“Der Lockenkopf schüttelte kurz den Schmerz aus seiner Hand, beobachtete flüchtig, wie der Kerl überrascht ächzend in die Knie ging und warf seinem Freund schließlich ein kurzes Schmunzeln zu, das allerdings jäh in Alarmbereitschaft überging. Flints Grinsen hatte sich in Entrüstung und Wut gewandelt und seine Schritte waren schneller geworden.„Achtung!“, rief Alex Liam zu, dessen Gesicht im noch immer voller Überraschung entgegenstarrte und scheinbar vergessen hatte, in welch misslicher Lage er sich gerade immer noch befand – aber zumindest nicht mehr in seiner Bewegung eingeschränkt.Auch Flints Handlanger hatte sich unlängst wieder aufgerichtet, fluchte leise und fixierte nun Alex, um sich zu rächen.