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They come for You, they come for Me
Crewmitglied der Sphinx
für 60 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
#2
Lucien ließ die Hand sinken, als Shanaya sich langsam zurück zog und wieder Abstand zwischen sie brachte. Ein sachtes Lächeln huschte über seine Lippen, zufrieden einerseits über ihre Bereitschaft für ein neues Abenteuer, und andererseits die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihn näher kommen ließ und seine Berührung gestattete. An einem anderen Tag konnte er sich darüber Gedanken machen, wohin das wohl führen mochte. Doch heute Nacht widmete er sich ganz seiner Aufgabe. Die nun ihre gemeinsame Aufgabe war. Vielleicht lenkte es sie beide von der Tatsache ab, dass das Land sie gefangen hielt. Mit ihr wandte Lucien sich dem hölzernen Tor zu, näherte sich der kleineren Tür, die darin eingelassen war und wog gleichzeitig zweifelnd den Kopf von einer Seite zur anderen. „Nicht wirklich. Mehrere Säcke – eine beachtliche Menge, wenn man bedenkt, dass seit Monaten keine Lieferungen mehr aus der Nachbarwelt kommen. Und was die Wachen angeht...“ Er verstummte, als sie die Tür erreichten, hob die Hand und klopfte, bevor sein Blick zu Shanaya zurückkehrte und er deutlich gleichgültiger, als es ihm vermutlich sein sollte, mit den Schultern zuckte und schmunzelte. „Keine Ahnung. Das gilt es jetzt herauszufinden...“ Von innen öffnete jemand die hölzerne Tür, lugte durch den handbreiten Spalt, der dabei entstand und musterte die beiden Neuankömmlinge kritisch. Dann trat er zurück und öffnete ihnen gänzlich, gewehrte einen ersten Blick auf die belebte Häuserflucht dahinter, in der sich Wand an Wand ein Stand an den nächsten reihte.

Shanayas Blick blieb auf Luciens ruhen, bis dieser zu ihr aufgeschlossen hatte. Seine Antwort ließ sie kurz nicken, während sie überlegte, wie sie den Kaffee an einen sicheren Platz bringen sollten. „Dann wäre eine Kutsche vermutlich gar nicht so schlecht.“ Ein munteres Lächeln galt dem Dunkelhaarigen, allein schon weil sie vor ihrem inneren Auge sah, wie sie beiden versuchten, Pferde und Kutsche unter Kontrolle zu bringen. Bei der Holztür angekommen schwieg jedoch auch die Schwarzhaarige, lauschte seinem Klopfen und seinen folgenden Worten. Mit diesen entfuhr ihr ein leises Schnaufen, an dem leichten Funkeln in ihren Augen änderte sich jedoch nichts. Wäre ja auch langweilig, wenn man jedes Detail haargenau kannte. Erwidern konnte die junge Frau jedoch nichts, da in diesem Moment die Tür mehr oder weniger geöffnet wurde. Shanaya wandte den Blick zu dem Mann herum, der nur kurz zögerte und ihnen dann, ohne dass sie irgendetwas taten, die Tür öffnete. Sie hatte jetzt damit gerechnet, dass sie irgendein Passwort benötigten… aber scheinbar war es nicht ganz so kompliziert. Shanaya trat durch die Tür, behielt den Fremden aus den Augenwinkeln jedoch im Blick. Man wusste ja nie. Und da sie – warum auch immer – diesen Ort noch nie betreten hatte… aber genau deswegen huschte ihr Blick schnell wieder auf die Umgebung, für einen Außenstehenden sah das ganze vielleicht einfach nur aus, als schaute sie sich um – viel mehr betrachtete sie aber die Buden, die Wege, die Abzweigungen. Jedes Detail würde ihnen vielleicht den Hintern retten. „Gibt auf jeden Fall genug Ecken, um sich im Notfall Mal zu verstecken...“ Sie sprach nicht direkt mit Lucien, viel mehr ruhig zu sich selbst. Trotzdem wandte sie schließlich den hellen Blick zu ihrem Captain herum. „Welchen Weg wählen wir für den Anfang, werter Herr?“

Ganz bewusst wartete der Dunkelhaarige, bis sie den Pförtner passiert hatten, bevor er Shanaya antwortete. Der bärtige Kerl verfolgte ihr Eintreten mit wachsamem Misstrauen in den kleinen Augen, nahm jedoch keinen Anstoß daran, dass die Schwarzhaarige ebenso skeptisch zurückschaute, bevor sie sich dem Trubel auf dem Marktplatz zuwandte. Lucien selbst achtete darauf, dass sich der Bärtige wieder auf seinen Schemel neben der Tür verzog und sie sich ein paar Schritte weit entfernten, bevor Shanayas nächste Worte seine Aufmerksamkeit wieder zu ihr lenkten. Wie von selbst senkte er die Stimme etwas, machte ansonsten jedoch keinen wirklich angespannten Eindruck. „Ich würde sagen, wir schlendern ein bisschen zwischen den Ständen herum, schauen uns an, was es Schönes zu kaufen gibt... wirken dabei möglichst, als hätten wir weiter nichts Illegales im Sinn, als Diebesgut zu erwerben und dabei...“ Er sah von ihr in Richtung des nördlichen Endes der Häuserschlucht, wo ein paar breitere Holztore in den Gebäuden auf große Lagerräume schließen ließen. „...finden wir erst einmal heraus, wie viele Wachen dort hinten an den Toren herumstehen.“ Der junge Captain wandte sich wieder an seine Begleiterin, berührte flüchtig ihr Handgelenk, damit sie nicht gleich zum erstbesten Stand aufbrach und schmunzelte leicht amüsiert. „Eins noch. Ich weiß, du lotest schon mögliche Fluchtwege aus, aber wenn wir es einrichten können, hauen wir nach Norden ab. Raus aufs Land. Der Typ, mit dem wir uns anlegen, hat hier viele Freunde... und jede Menge Leute schulden ihm was. Könnte also schwierig werden, zwischen den Buden unterzutauchen, wenn wir den Laden erst mal aufgescheucht haben.“

Nur ganz kurz, um sicher zu gehen, kehrte Shanayas Blick zurück zu dem Törwächter, der sich jedoch nicht mehr um sie kümmerte und seinem eigenen Kram nachging. So konnte sie sich Luciens Worten widmen, nickte nur mit einem leisen, zustimmenden Brummen, ließ den Blick aber noch einmal über ihre Umgebung schweifen. Vielleicht gab es hier ja wirklich irgendetwas spannendes zu erwerben. Luciens kurze Berührung ließ sie kurz eine Augenbraue heben, ehe sie sich mit einem Blinzeln zu dem Dunkelhaarigen herum wandte und den Kopf leicht zur Seite neigte. „Nach Norden also, na gut.“ Shanaya überlegte einen Moment. „Wir können also erst einmal davon ausgehen, dass im schlechtesten Fall jeder gegen uns ist.“ Mit diesen Worten wurde ihr Grinsen ein wenig breiter. „Macht das Ganze nur noch interessanter… Also...“ Einen Schritt nach vorn setzend huschte ihr Blick noch einmal zu Lucien herum, ehe sie sich in die besagte Richtung aufmachte.

Lucien konnte nicht anders, musste gegen ein kleines Grinsen kämpfen. Ein normaler Mensch hätte jetzt vielleicht skeptisch reagiert. Möglicherweise pessimistisch. Davon ausgehend, dass ihnen hier jeder Ladenbesitzer und sicherlich auch einige Käufer als potenzielle Gegner gegenübertreten würden, war das doch eine Selbstmordaktion, nicht wahr? Geringe Aussicht auf Erfolg. Das geht selbstverständlich nicht ohne einen ordentlichen Plan! Aber nicht bei Shanaya. Und so gern sich Lucien zunächst auf solide Pläne stützte, so deutlich bewies sie ihm gerade, weshalb er ihre Gegenwart mehr als die der meisten schätzte. ‚Geringe Aussicht auf Erfolg? Ich bin dabei!‘ „Ganz genau. Gehen wir erst einmal vom schlechtesten Fall aus.“ Als sie sich in Bewegung setzte, folgte er ihr ganz intuitiv, ließ den Blick dabei über die Gesichter der Umstehenden schweifen und schob sich an ein paar beisammenstehenden Käufern vorbei, die sich über die ansteigenden Tuchpreise unterhielten. Ein Teil seiner Aufmerksamkeit dabei immer auf die Schwarzhaarige an seiner Seite gerichtet. „Wie sieht es mit deinen Papiervorräten aus? Kannst du Nachschub gebrauchen?“, fragte er wie beiläufig in ihre Richtung, als ihm nicht weit entfernt ein Stand mit Schreibutensilien ins Auge fiel.

Einige Moment überlegte Shanaya, ob sie in ihrem Leben schon einmal auf einem Schwarzmarkt gewesen war. Sie erinnerte sich nicht, bewusst zumindest nicht. Wobei sie sich kaum vorstellen konnte, dass ihr Vater nicht das ein oder andere Mal seinen Weg zu solch einem Ort gefunden hatte. Oder von dort irgendwelche Ware bezog. Oder sie dort los wurde. Immerhin hatte er ja auch tatkräftige Unterstützung in der Familie dafür. Die Schwarzhaarige schauderte mit diesem Gedanken und warf vorsichtshalber einen weiteren, prüfenden Blick auf die verschiedenen Gassen. Von Luciens Gedanken – sowie seinem Grinsen – bekam sie erst einmal nichts mit. Erst, als er zu ihr aufschloss, hob sie den Blick mit einem verschwörerischen Grinsen zu ihm, nur um den hellen Blick dann wieder nach vorn zu richten. Das Gespräch über die Tuchpreise nahm sie nur halbherzig wahr, entnahm dem keine Information, die für sie wichtig sein konnten. Die Frage nach ihrem Papiervorrat ließ sie so tun, als müsse sie kurz überlegen. „Davon kann man nie genug haben! Wer weiß, wer meinen Vorrat als… ‚Zeichenpapier‘ benutzt.“ Ein leises Schnaufen ließ ihren Captain vielleicht darauf schließen, auf wen sie anspielte. „Ich muss das nur alles auch zurück bekommen...“ Ein leises, gespielt theatralisches Seufzen. „Vielleicht sollten wir uns erst weiter umsehen, was wir noch brauchen, bevor wir uns die Arme direkt voll packen...“ Trotzdem galt ein sehnsüchtiger Blick dem Stand, an dem sie vorbei schlenderten.

Lucien nickte verstehend, auch wenn sich ihm tatsächlich nicht gleich erschloss, auf wen sie anspielte. Liam war sicherlich nicht so wagemutig, ihr ihren Papiervorrat streitig zu machen – abgesehen davon hatte er sicherlich selbst genug. Eigentlich blick nur einer, der wirklich dumm genug war, es sich mit Shanaya zu verscherzen. Und das war Trevor. „Umso mehr sollten wir auf eine Kutsche hoffen“, meinte er mit deutlicher Belustigung in der Stimme, als er ihren sehnsüchtigen Blick bemerkte. „Vielleicht kannst du dir im Vorbeirennen noch einen Stapel unter den Arm klemmen und auf die Ladefläche schmeißen.“ Lucien bezweifelte das zwar, fand das Bild, das sich ihm daraufhin vor seinem geistigen Auge bot, allerdings trotzdem ganz witzig. „Was mich aber trotzdem interessiert, wären... Karten.“ Sein Blick huschte über die umliegenden Stände. „Nicht zwangsläufig Landkarten, sondern... du weißt schon... so eine gute, alte Schatzkarte? Das wär’s doch. Irgendwas, was uns ein bisschen Geld einbringt – außer Kaffee.“

Shanaya gab ein leises, seufzendes Lachen von sich, als Lucien noch einmal auf die Kutsche anspielte. Ja… die wäre vermutlich wirklich nicht schlecht. „Sonst kommen wir nochmal wieder… und du trägst einfach mit mein Zeug.“ Sie warf dem Dunkelhaarigen einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete – gepaart mit einem vollkommen charmanten Lächeln. Die nächsten Worte des Mannes ließen sie wieder auflachen. „Solange ich dann nicht runter falle… ich habe leicht schlechte Erfahrungen mit Huftieren gemacht.“ Und die reichten ihr erst einmal. Was er dann jedoch sagte, gab ihm natürlich ihre ganze Aufmerksamkeit. „Eine? Ich nehme alle, die ich finden kann! Und wenn ich die in meiner Bluse nach Hause transportieren muss!“ Oder in ihrem Gürtel. Mit den Zähnen war auch noch eine Möglichkeit. Sie packte nach dem Handgelenk des Mannes, schüttelte ein wenig wehleidig daran herum und warf dem Dunkelhaarigen einen passenden Blick zu. „Bring mich nicht auf Ideen, sonst verschwinde ich hier und du siehst mich erst mit einem Stapel Karten und Papier und anderem Kram auf dem Arm wieder!“

Lucien dieses Mal lockte sie seinen Blick doch wieder auf sich. Gespielte Skepsis spiegelte sich auf seinen Zügen, ehe er so tat, als zöge er eine Uhr aus seiner Tasche, ließe den Verschluss aufschnappen und überprüfe die Zeit. „Also... um nochmal herzukommen wird die Zeit wirklich knapp.“ Er ließ die imaginäre Uhr zuschnappen und schenkte seiner Begleiterin ein freches Grinsen, bevor soetwas wie Strenge in seinem Blick aufflackerte. Allerdings nur halb ernst gemeint. „Oh, glaub mir. Das hab ich nicht vergessen.“ Aber verziehen und das wusste Shanaya längst. Weshalb er das Thema auch nicht vertiefte und das freche Schmunzeln auf seine Lippen zurückkehrte, kaum dass sie nach seinem Handgelenk griff. „Also schön – damit ich mich nicht alleine mit ein paar störrischen Huftieren rumschlagen muss, weil ich dich an einen Stand mit Landkarten verloren habe... Noch andere Ideen, mit denen sich Geld machen lässt? Ich hab eine Mannschaft zu bezahlen.“

Was fiel Lucien bloß ein, sie auf solche Ideen zu bringen, wenn sie sich auf etwas ganz anderes konzentrieren wollte! Als er eine imaginäre Uhr hervor holte, wog die Schwarzhaarige den Kopf zur Seite, hob eine Augenbraue und verengte schließlich die Augen wieder, um Lucien einen finsteren Blick zu zuwerfen. „Erst machst du mich heiß und lässt mich dann am langen Arm verhungern!“ In einer dramatischen Bewegung hob Shanaya die Hand an die Brust, erwiderte den halben Ernst in seinem Gesicht mit fester – vorwurfsvoller – Miene. Auch jetzt ließ sie ihn nicht los, seufzte nur noch einmal schwer, riss sich dabei mit den Gedanken ganz von dem Stand mit dem Papier los und überlegte eine Antwort auf seine Frage. Irgendetwas um Geld zu verdienen… Was reichte aus, um so viele Mäuler zu stopfen? Schließlich musste sie lachen, zuckte mit den Schultern. „Wie wäre es mit Schmuggel?“ Das letzte Wort flüsterte sie nur leise, nickte dann, als hätte sie die beste Idee aller Zeiten gehabt.

Ihre finstere Miene brachte ihn zum Lachen. „Was soll ich sagen? So bin ich einfach.“ Unter anderen Umständen wäre ihm vielleicht aufgefallen, wie zynisch nahe an der Wahrheit seine Worte tatsächlich waren. Doch so dachte sich Lucien nichts dabei, beobachtete sie nur dabei, wie sie über seine Frage nachdachte und schließlich war er es, der ein finsteres Gesicht machte und schließlich die Augen verdrehte. „Na, wie gut, dass wir genau das gerade vorhaben.“ Er unterdrückte den sehr erwachsenen Wunsch, ihr die Zunge rauszustrecken, schüttelte nur schmunzelnd den Kopf und ließ ganz beiläufig den Blick hinüber zu den Lagerhallen huschen. Schon von hier aus erkannte er mindestens zwei grobschlächtige Kerle an jedem Tor, die ihn um vielleicht eine Hand breit überragten. Und sicherlich lungerten irgendwo noch mehr herum. „Wir sollten versuchen, einen weniger öffentlichen Eingang zu diesen Lagerhallen zu finden, wenn wir schon mal dabei sind, uns umzusehen“, raunte er Shanaya leise zu, als hätten sie gerade nicht rumgeblödelt wie zwei Zehnjährige.

Shanaya überlegte weiter, auch nach ihrer so guten Antwort. Ihr fiel einiges ein, aber… ob das so lukrativ war… Auf seinen Kommentar zu ihrer Idee, zuckte die junge Frau noch einmal unschuldig mit den Schultern, setzte dann zu einer ernsteren Antwort an. „Ich überlege mir was. Es gibt sicher unzählige Möglichkeiten…“ Da sie dem Dunkelhaarigen direkt ins Gesicht blickte und in diesem Moment, wenn auch etwas unwillig, sein Handgelenk los ließ, konnte sie gut erkennen, dass er sich umblickte. Sie folgte seinem Blick jedoch nicht, nickte nur auf seine Worte hin. „Jede gute Mauer und jeder Zaun hat irgendwo eine Sicherheitslücke. Man muss sie nur finden.“ Und es wäre doch gelacht, wenn sie diese nicht finden würden. Nun huschte ihr Blick beiläufig auch an den Wachen vorbei und sie gab ein leises Brummen von sich. „Sonst gibt es hunderte Möglichkeiten, sie abzulenken...“

Lucien sah zurück zu Shanaya, als sie sein Handgelenk losließ, und schenkte ihr ein sachtes Lächeln. „Wenn nicht mehr hier, dann auf der nächsten Insel. Wir haben Zeit.“ Auf die Überlegungen, die folgten, nickte er nur zustimmend. Irgendwo musste es einen zweiten Eingang geben. Einen Seiteneingang, einen Hinterausgang, ein niedriges Fenster. Sie mussten ihn nur finden. Vielleicht über eine der Seitenstraßen oder... gar über die Dächer? Die Häuser standen hier dicht an dicht. Sein Blick huschte an der Fassade des Gebäudes direkt neben ihnen nach oben, während er nachdenklich den Kopf hin und her wog. „Einen, vielleicht zwei können wir ablenken. Aber nicht all die neugierigen Augen, die hier noch unterwegs sind – außer mit einem ziemlich großen Knall. Und denk dran,“ er senkte den Blick zu Shanaya, „ablenken musst du sie allein. Mich kennen sie schon. Wenn mich einer von ihnen in der Nähe dieser Lager sieht, werden sie mindestens misstrauisch. Wir provozieren also nichts, womit du nicht alleine fertig wirst.“

Shanaya dachte mit ruhiger Miene darüber nach, wie man am besten an solch einen Ort heran kam, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Sie schnalzte leise mit der Zunge. Dann folgte ein Seufzen auf die Worte des Mannes hin, gespielte Enttäuschung lag auf den Zügen, die an ein Kind erinnerten, dem man ganz gehörig die Süßigkeiten versalzen hatte. „Also keinen großen Knall? Sehr schade…“ Ohne sich jedoch groß damit aufzuhalten und mit völlig trockener Stimme fuhr sie dann fort. „Wie sieht es mit deinen ‚auf Dächer klettern‘ Fertigkeiten aus?“ Ein fragender Blick galt ihrem Captain. Da gab es sicher genug Wege, um an ihr Ziel zu gelangen.

„Das nächste Mal wieder“, versprach er ihr auf ihre enttäuschte Miene hin schmunzelnd, bevor sich sein Lächeln sogar noch ein Stück vertiefte. Dieses Mal mit einem geradezu frechen Ausdruck darauf. „An etwas Ähnliches habe ich auch gerade gedacht. Ich könnte mal wieder eine kleine Übungseinheit im Dächerklettern gebrauchen. Gerade jetzt scheint mir der geeignete Zeitpunkt dafür zu sein, oder?“ Unzweifelhaft schwang Vorfreude in seiner Stimme mit, die zu einer guten Portion sicherlich auch dem Alkohol verschuldet war. Doch wen kümmerte das schon? Außerdem... verschafften sie sich ja nur einen besseren Überblick. Und fanden vielleicht ein Dachfenster, das sie dorthin führte, wohin sie wollten. „Vielleicht kommen wir über einen der anliegenden Hinterhöfe hoch aufs Dach. Hier muss es irgendwo einen Durchgang geben.“ Getarnt als mildes Interesse an den umliegenden Ständen sah Lucien sich nach einem Torbogen, einer Tür oder etwas anderem um, dass sie in einen der umliegenden Innenhöfe führen würde, die nicht mehr Teil des Marktplatzes waren.

Shanaya erwiderte das Grinsen, das sich auf Luciens Lippen schlich, mit fast dem selben Ausdruck. „Dann sind wir uns ja einig, welchen Weg wir hinein nehmen.“ Genau wie mit der Vorfreude über diesen kleinen Nervenkitzel. Aber es war ja kein Geheimnis, das sie beide immer für so etwas zu begeistern waren. Sie folgte nun doch kurz seinem Blick und grinste dann noch einen Hauch breiter. „Du brauchst schon wieder neues Werkzeug? Was hast du eigentlich für zwei linke Hände!“ In diesen Worten, die vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen waren, schwang ein deutlicher Vorwurf mit. „Schön, aber wehe, du kaufst dieses Mal wieder so einen Schrott!“ Ohne ihrem Gegenüber noch einen Blick zu zuwerfen, trat die Schwarzhaarige an einen der nächsten Stände, an denen alle möglichen Werkzeuge ausgelegt war. Sie erkannte einen Hammer, irgendwelche Eisen und Dinge, von denen sie vielleicht nicht wissen wollte, was genau das war. Sie öffnete den Mund, zuerst lag ihr ein ‚Mein Mann‘ auf der Zunge – aber sie besann sich irgendwie eines besseren. „Dieser Taugenichts hier hat Mal wieder sein Werkzeug zerstört – ich hoffe, sie haben eine bessere Qualität zu bieten als der letzte Idiot, dem mein Idiot hier etwas abgekauft hat!“ Ihre Stimme war direkt, bestimmt und trotzdem nicht sonderlich laut. Der Verkäufer konzentrierte sich vorerst auf sie, achtete also nicht auf Lucien, der damit einen ungestörten Blick auf die Gasse hatte, die hinter dem Stand her führte und näher in die Richtung ihres Zieles brachte.

Drauf und dran, sich entschlossen in Bewegung zu setzen – immerhin war ein erster Plan gefasst – stockte Lucien fast im gleichen Moment noch und warf der Schwarzhaarigen einen irritierten Blick zu. Werkzeuge? Was? Ihre Stimme war von Vorfreude zu Vorwurf gekippt, ohne dass er den Anlass mitbekommen hätte, und es dauerte tatsächlich ein paar Herzschläge, bis der Groschen bei ihm fiel. Doch da marschierte Shanaya bereits, ganz das kochende Weibsbild mimend, zu einem Stand mit Eisenwaren, der sich zwischen zwei dicht mit Fellen bepackte Auslagen quetschte. Direkt dahinter führte eine schmale Gasse durch die dicht stehenden Häuser, deren Dächer sich fast berührten. Lucien stieg in das kleine Schauspiel mit ein, indem er die Arme vor der Brust verschränkte und etwas versetzt gut zwei Schritte hinter Shanaya stehen blieb. Nah genug – und grimmig genug drein blickend – um als besagter „Idiot“ erkannt zu werden, aber weit genug weg, um keine weitere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als einen kurzen Blick. Er brummte darauf nur etwas Unverständliches, starrte die Gasse hinunter und wirkte dabei, als ginge ihm sein zeterndes Weib gehörig auf die Nerven. Derart unbehelligt suchten die tiefgrünen Augen im Schatten der Häuserflucht hinter dem Stand nach einem weiteren Durchgang und wurden fündig. Ein schmales Tor ragte halb geöffnet in die Gasse hinein. Eines dieser Tore, das private Hinterhöfe von Straßen abgrenzte. Die Chancen standen zumindest gut. Lucien wandte sich wieder der Schwarzhaarigen zu und schnauzte ärgerlich in ihre Richtung. „Der zieht dich über den Tisch, wie der Letzte, Weib. Du hast kannst doch gute Qualität nicht von dem Mist unterscheiden, der dir angeboten wird!“

Shanaya musste zugeben, dass sie nicht wusste, wohin sie diese Aktion bringen würde. Ihr Blick auf die Gasse war eher spärlich, dafür verließ sie sich darauf, dass Lucien verstehen würde, was ihr Plan war. Der Verkäufer brummelte vor sich hin, faselte etwas von Qualität, die seine Ware (natürlich!) ganz ganz sicher hatte. Bis Lucien sich in das kleine Spiel einbrachte – und die Gesichtszüge des Mannes etwas versteinern ließ. Er hatte vermutlich nicht damit gerechnet, in einen kleinen Beziehungsstreit einbezogen zu werden. Er hob beschwichtigend beide Hände, wollte Lucien wohl versichern, dass er hier niemanden über den Tisch zog – aber Shanaya kam ihm zuvor. „Wenigstens bringe ich genug Geld mit nach Hause, das wir irgendwie über die Runden kommen, während uns der Regen auf das Abendessen tropft!“ Bosheit sprach aus ihrer Stimme - nur, wenn er ganz genau hinhörte, würde Lucien das Grinsen erkennen, gegen das die junge Frau ankämpfte. „Weißt du was?! Verschwinde! Ich will dich nicht mehr sehen!“ Jetzt schwang ihre Stimme in unendliches Leid ab, womit sie sich von Lucien abwandte, sich auf die Ablage stützte und den Verkäufer wehleidig anblickte. „Es tut mir Leid, er verhält sich absolut unmöglich!“ Sie wischte sich eine Strähne aus der Stirn und schüttelte verzweifelt den Kopf, griff nach einem Hammer und deutete an, sich damit gegen den Kopf zu schlagen. Sodass der Verkäufer sich, vollkommen überfordert, wieder ihr zu wandte.

Lucien sah dem Händler an, dass er etwas erwidern wollte. Möglicherweise sogar etwas Nettes. Oder etwas Beschwichtigendes, wie seine Gesten vermuten ließen. Vielleicht in der Hoffnung, doch noch ein paar seiner Waren loszuwerden, wenn sich das erfundene Ehepaar vor seinem Stand zumindest halbwegs beruhigte. Doch Shanaya machte dieser Hoffnung den Garaus, als sie sich zu ihrem Captain umwandte und ihm ihre scharfzüngige Erwiderung entgegenschleuderte. Lucien musste schwer an sich halten, nicht zu grinsen. Das grimmige Gesicht vermochte er für einen Moment zwar nicht aufrecht zu erhalten, wirkte dafür aber passgenau ein bisschen vor den Kopf gestoßen. Gleich darauf hatte er seine Züge wieder unter Kontrolle. Ihm lag eine Antwort auf der Zunge, die irgendetwas mit ‚den Fraß, den du kochst, kriegt doch eh keiner runter‘ zu tun hatte. Doch statt ihr das hinterherzuwerfen, winkte er nur mit einem wüsten Schnauben ab, bedeutete ihr damit, dass sie zum Teufel gehen konnte, und marschierte los, um den verdammten Markt zu verlassen – zufälligerweise in Richtung der vollkommen leeren Gasse, die er gerade ausgespäht hatte. Noch während er hinter dem Stand aus Fellen verschwand und in Shanayas Sichtfeld hinter dem Eisenwarenhändler wieder auftauchte, überlegte er, wie er ihr die Gelegenheit verschaffen konnte, ebenso unbemerkt zu verschwinden.

Shanaya musste zugeben, dass sie diese Schauspielerei liebte. Das, was der Verkäufer hier zu sehen bekam, war nicht ihr wirkliches Ich, aber sie genoss es, in diese kleine Rolle zu schlüpfen. Die gefrustete Frau, die einen unnützen Ehemann zu Hause hatte. Der sie herunter machte, vor dem Verkäufer. Und innerlich musste sie aufpassen, nicht laut los zu lachen. Lucien erwiderte nichts mehr, winkte nur ab und stapfte davon. Jetzt musste sich ihr nur noch die richtige Chance bieten. Und diese sah sie in einem Mann, etwa Luciens Alter, der angeschlurft kam und sich die Auslage anblickte. Er fuhr mit den Händen über manche der Werkzeuge, grüßte den Verkäufer mit einem Nicken. „Wissen Sie…“ Shanaya wollte die Aufmerksamkeit des Mannes hinter dem Tresen bewusst wieder auf sich lenken. „… er ist so unfair. Ständig wirft er mir etwas vor, dabei gebe ich mir solche Mühe! Früher war das anders, er war Mal so liebevoll, aber seit Neela, seine ältere Schwester, wieder in der Stadt ist… ich sage es ihnen… sie hat so viel Unruhe in unser Leben gebracht! Sie muss alleine auf ihre zehn Kinder aufpassen und schiebt sie so gern uns ab! Und ich muss das ausbaden, weil der werte Herr sich ständig in Tavernen verschanzt und nicht raus kommt! Und ich putze und koche – ich tue wirklich alles für ihn! Sogar meine Unschuld habe ich… HEY! Da, passen Sie auf, der beklaut Sie!“ Der Verkäufer – und sein Kunde blickten auf, beide maximal verwirrt. Der Fremde zog die Hand zurück, blickte unschuldig drein. Er wich zwei Schritte zurück, als der Händler ihn aufforderte, seine Taschen zu leeren. Und als hätte Shanaya es geplant, drehte der Blonde sich um und sprintete los. Der Verkäufer, vermutlich so von ihrer Geschichte überzeugt, setzte dem Mann nach. Sodass die Schwarzhaarige einen Moment zurück blieb und blinzelte. Nur zwei Herzschläge, dann griff sie nach einer Eisenkette mit einer etwas größeren Öse am Ende und machte sich, ohne noch groß zu zögern, auf, um zu Lucien aufzuschließen. Bei ihrem Captain angekommen, streckte sie sich kurz genüsslich, blieb bei ihm stehen, um ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu hauchen und sich dann umzublicken. „Ich finde, wir haben irgendeinen Preis verdient.“

Nur zu gern hätte Lucien in diesem Augenblick Mäuschen gespielt, denn als er zurück zum Stand sah, bemerkte er durchaus, dass Shanaya den Händler wieder in ein Gespräch verwickelte, das es ihr hoffentlich erlaubte, zu ihm aufzuschließen. Doch angesichts der Tatsache, dass sie seiner Hilfe womöglich gar nicht bedurfte und er bestenfalls nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich lenkte, zog er sich zunächst weiter in die Schatten der Gasse zurück und verlegte sich aufs Beobachten. Zumindest bis er nur zu deutlich Shanayas ‚der beklaut Sie‘ vernahm und sich ein breites Grinsen auf seine Lippen stahl. Gut, Problem gelöst. Er lehnte sich rücklings gegen die Wand des Gebäudes, damit er vom Markt aus nicht mehr zu sehen war, lauschte auf die Schritte der Schwarzhaarigen, die sich nur Sekunden später näherten und begrüßte sie mit einem gutgelaunten Glucksen – das sie mit einem flüchtigen Kuss erwiderte. Kaum dass sie sich löste, wanderte seine Linke an ihre Taille, zog sie sanft wieder näher zu sich. „Ich habe schon überlegt, dir zuzurufen, dass ich zu meiner Schwester ziehe. Dann hättest du mir folgen und mich aufhalten müssen. Aber so geht’s natürlich auch. Was hast du uns da schönes mitgebracht?“, hakte er nach und wies mit einem leichten Nicken ihren Arm hinab auf die Eisenkette. „Hast du etwas Unanständiges mit mir vor?“

Shanaya blieb nicht viel Zeit, sich diese Gasse genauer anzublicken – Lucien lenkte sie direkt wieder ab, kaum, dass sie den Blick herum gewandt hatte. Sie leistete keinerlei Widerstand, lehnte sich in aller Seelenruhe gegen den Dunkelhaarigen, lachte bei seinen Worten leise auf und legte sich dramatisch eine Hand auf die Brust. „Dann wäre ich vollkommen auf mich allein gestellt – mit einem Haufen kaputter Werkzeuge!“ Wirklich, das war hochdramatisch. Seine nächsten Fragen ließen die Schwarzhaarige sich leicht auf die Unterlippe beißen, einen vielsagenden Blick in den blauen Augen, ehe sie die Kette anhob, dem Dunkelhaarigen um den Nacken legte und ihn so ein Stück zu sich hin zog, um ihm leise zu zu flüstern, die Lippen kurz vor seinen. „Hätten wir nicht etwas wichtiges vor… aber wir können das gern im Hinterkopf behalten.“ Wie schade, dass sie sich in solchen Momenten viel zu sehr auf ihre Aufgabe konzentrierte… trotzdem genoss sie die kurze Nähe in diesem Moment.

Lucien konnte sich ein freches Grinsen nicht verkneifen. „Verdient“, gab er leise zurück. Was jedoch angesichts der Art, wie sie die Kette um seinen Nacken legte und ihn damit mehr oder weniger willig zu sich heranzog, eher zu einem angetanen Schnurren wurde, als zu einer wirklichen Zurechtweisung. Er wäre sogar so weit gegangen, zu behaupten, mit ihr würden ihm Fesselspielchen als besondere Würze im Bett trotz seiner Vorgeschichte sogar gefallen. Aber sie hatte nicht ganz Unrecht: Sie beide hatten gerade besseres – oder zumindest wichtigeres zu tun, als sich miteinander zu vergnügen. Zumindest mehr als dieses kurze Zugeständnis von Nähe. Und so, wie er sie beide kannte, würde sich das ganze Adrenalin am Ende dieser Nacht ohnehin einen Weg suchen, um abgebaut zu werden. Er konnte also warten. Trotzdem überbrückte er die kurze Distanz zwischen ihnen, strich sacht mit den Lippen über ihre, bevor er sie noch einmal flüchtig küsste und sich schließlich von ihr löste. „Dann verlier das gute Stück nicht“, erwiderte er amüsiert. „Und jetzt lass uns nachsehen, was hinter Türchen Nummer zwei auf uns wartet. Bestenfalls ein Weg aufs Dach.“

Shanaya lächelte ruhig vor sich hin, ohne den Blick dabei von Lucien abzuwenden. Sie verfluchte es in diesem Moment beinahe, dass sie so… pflichtbewusst war. Wenn man das so nennen konnte, dabei bedenkend, was sie gerade planten. Aber sie hatte versprochen, ihm zu helfen… also zählte das schon. Irgendwie. Zum Glück war auch Lucien dem gegenüber so eingestellt – ansonsten hätte das hier zu einer längeren Pause werden können. In der der Händler vielleicht bemerken würde, dass jemand anderes etwas gestohlen hatte. Aber auch Lucien neigte sich noch einmal zu ihr, küsste sie und ließ ihr Lächeln damit noch einen Hauch wärmer werden. Auch, wenn er sich im nächsten Moment von ihr löste. Wie geheißen befestigte sie die Kette an ihrem Gürtel, sodass sie sie nicht verlieren konnte. „Sonst finde ich sicher eine andere, die sich dafür nutzen lässt.“ Munter zwinkerte sie dem Dunkelhaarigen zu, ließ den Blick dann schweifen. Sie waren allein. Also bewegte sie sich mit ruhigen Schritten zu der Tür, die ihr nächstes Ziel war. Shanaya trat direkt an das Holz heran, legte den Kopf seitlich an die Tür, um zu lauschen, ob sich jemand dahinter befand. „Ich höre zumindest keine Stimmen...“
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RE: They come for You, they come for Me - von Shanaya Árashi - 27.10.2021, 17:17

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