12.09.2021, 17:40
Skadis Worte lenkten seinen Blick prompt zurück zu seinem Gegner. Und tatsächlich machte der ganz den Eindruck, einen weiteren Angriff starten zu wollen. Das Gesicht vor Wut und Schmerz verzerrt und die Hand noch immer an der vermutlich ausgekugelten Schulter fletschte der Werftarbeiter die Zähne, fixierte Lucien und stürzte nach vorn.
Gerade noch so schnappte der junge Captain die Anweisung der Frau hinter der Absperrung auf, wiederholte wie ein Schuljunge im Geiste das Wichtigste – Deckung oben lassen, vorsichtig bleiben – bevor er sich mit einem Satz zur Seite in Sicherheit brachte. Der Hüne krachte mit der unverletzten Schulter voran in die Absperrung, eben dort, wo Lucien Sekundenbruchteile zuvor noch gestanden hatte und wo auch Skadi von außen an den Sprossen gehangen hatte.
Jedenfalls konnte er nur hoffen, dass sie rechtzeitig abgesprungen war, bevor der Aufprall sie unfreiwillig zwischen die Füße der Umstehenden befördern konnte, denn dieser Schrank von einem Kämpfer rappelte sich schnaubend wieder auf und wandte sich bereits erneut seinem Gegner zu. Lucien machte sich bereit, hob die Deckung und fast zeitgleich setzten sie zum Angriff an, als eine laute, herrische Stimme ihren Kampf unterbrach.
„GENUG!“
Beide Männer im Ring hielten inne, suchten und fanden den Urheber des Rufs in einer dritten, hünenhaften Gestalt, die sich soeben zwischen zwei Latten der Absperrung zwängte und den Ring betrat. Die Züge des Neuankömmlings wirkten rau, boshaft und ganz so, als wäre er es gewohnt, Anweisungen zu geben. Er hob beide Hände, schenkte ihnen ein haifischartiges Grinsen und eröffnete:
„Meine Herren, ich fürchte, ich muss diesen Kampf für beendet erklären. Es wird Zeit, den Ring für ein ordentliches Schauspiel zu räumen.“ – „Der Kampf ist noch nicht entschieden“,
warf Lucien mit gerunzelter Stirn ein und ließ die Arme sinken. Ohne Sieger kein Wettgewinn. Und er hatte nicht vor, sich um sein wohlverdientes Geld bringen zu lassen. Doch das schien den Älteren wenig zu kümmern. Er wandte sich zur Menge um, winkte zwei bulligen Männern zu, die prompt mit drohender Körpersprache auf den Ring zuhielten und wandte sich dann wieder an den Dunkelhaarigen. „Leider muss ich darauf bestehen.“
Dieses Mal war es an dem 21-Jährigen, beschwichtigend beide Arme zu heben, denn er sah durchaus ein, dass er bei einer Auseinandersetzung gegen drei oder mehr nur unterliegen konnte – und das war ihm sein Wettgewinn dann doch nicht wert. „Schon gut, schon gut.“
Also zog er sich zur Absperrung zurück, hinter der Skadi auf ihn wartete. Nicht ohne einen misstrauischen Blick über die Schulter zu werfen und bei dem, was er da sah, kurz ins Stocken zu geraten. Auf der anderen Seite des Ringes teilte sich die Menge gezwungenermaßen, ließ zwei deutlich kleinere Gestalten hindurch, die alles andere als begeistert über die ihnen zuteilwerdende Ehre wirkten. Und einen von beiden erkannte der junge Captain zweifelsfrei.
Während der machtgewohnte Hüne das kommende Schauspiel anzukündigen begann, huschte Lucien zwischen der Absperrung hindurch und landete neben Skadi, berührte dabei flüchtig ihren Unterarm, ohne den Blick von Liams Gestalt zu lösen, die sich beständig dem Kampfplatz näherte.
„Was zum Geier macht er hier?“,
raunte er der Jägerin leise zu. Wohl in der Annahme, sie wüsste über die nächtlichen Aktivitäten des Lockenkopfes besser Bescheid, als er selbst.