26.04.2021, 21:25
Aus dem Plan, sich noch etwas (mehr) Mut anzutrinken, wurde nur leider nichts. Liams gutmütiges Lächeln, mit dem er dem Jüngeren ein wenig die Sorge nehmen wollte, erstarb, als die beiden Affen Flints sie abermals unsanft an der Schulter weiter in die Scheue hineinschoben. Hinter dem Rücken der aufgeladenen Menge hätte man auch fast glauben können, dass hier Hahnen- oder Hundekämpfe bestritten wurden. Hauptsache Blut und die Aussicht auf ein bisschen Gold, mehr brauchten die grölenden Gestalten nicht. Nathan war blass. Liam konnte es ihm nicht verübeln. Er wollte auch gar nicht wissen, inwieweit er seiner flüchtigen Bekanntschaft diesbezüglich Konkurrenz machte. Je weiter sie nach hinten geleitet wurden, desto dumpfer wurden die Geräusche des Ringkampfes und der brüllenden Menge, die sich an der Gewalt innerhalb des mit Stroh bedeckten Rings labten, in seinen Ohren. Denn je tiefer sie in die Scheune hineintraten, desto näher rückte das, wozu dieser Flint sie hierhergebracht hatte. Liam bereute es nicht, hier aufgetaucht zu sein. Was er bereute, war lediglich, dass er dieser Kreatur, deren Rücken gut das zweifache von seinem Maß, mit Nichten die Lektion erteilen konnte, die ihm gebührte. Nathan wirkte zudem zu eingeschüchtert, als dass er sich ihn als große Hilfe vorstellte. Vermutlich würde seine eigene Rolle daraus bestehen, ein paar Schläge abzufangen und den Schwindler daraufhin irgendwie – möglichst noch lebend – aus dem Ring zu schleifen. Dass er um das Leben des anderen fürchtete, kam immerhin nicht von ungefähr: Dass Flint ein paar schwerwiegende Probleme mit Ehre und Ruf hatte, hatte er immerhin schon primitiv demonstriert.
Die Minuten verzogen, doch letztlich kam es ihm vor wie nur wenige Sekunden, bis man sie abermals packte und unsanft in die Richtung des Ringes schubste. Wie es schien, war der vorherige Kampf vorbei. Liam erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf das deformierte Gesicht des einen, ehe er in der tobenden Menge verschwand. Flint trat vor, ein Teil der Menge grölte, doch Liam bildete sich ein, auch vereinzeltes Gelächter zu hören. Ihm fehlte die Zeit, weiter darüber nachzudenken, da packten sie abermals die Handlanger des Initiators, als befürchteten sie, Nathan und er würden den letzten Augenblick nutzen, um sich doch noch aus dem Staub zu machen. Halbherzig wandte er sich aus dem Griff heraus und begegnete dem warnenden Blick des einen mit ernster Miene. Die unangenehme Leere, die sich schmerzhaft in seinen Eingeweiden ausgedehnt hatte, hielt er gekonnt hinter seiner – zugegeben! – gar nicht so schlechtsitzenden Fassade.
Was Flint genau sagte, um den kommenden Kampf einzuläuten, konnte er gar nicht mehr recht erfassen. Das Blut rauschte in seinen Ohren, während er sich zunehmend Sorgen machen musste, dass Nathan neben ihm noch vor dem eigentlichen Beginn zu Boden ging. Sinngemäß vermutlich irgendetwas mit ‚großer Show, um seine letzte, Niederlage wettzumachen‘, ‚er habe einen schlechten Tag gehabt‘, ‚zwei gegen einen‘ und ehe er sich versah, stolperte er auch schon mit recht deutlicher Motivationshilfe von hinten in den Ring hinein, in dem sie Flint mit einem zahnigen Grinsen empfing. Sein Blick erinnerte ein bisschen an eine Schlange, die sich ihrer Übermacht deutlich bewusst war und sich auf das kommende Spiel freute.
Liam blinzelte, sein Blick erhaschte noch im Versuch, wieder festen Stand zu finden, das blutbefleckte Stroh unter ihren Füßen, ehe auch schon das kleine Tor hinter ihnen wieder zufiel und Flints raue Lache durch die Scheune drang – abermals dicht gefolgt von dem Grölen der Menge. Noch ehe Liam sich mit seinem Leidensgenossen abstimmen konnte, preschte Nathan nach vorne und versuchte, sich den Erstschlag zu sichern. Im nächsten Moment hing er auch schon vor Schmerzen gekrümmt vorn über und ächzte. Der Lockenkopf hatte nur einen flüchtigen Blick für ihn übrig, ehe er in die Grimasse ihres Gegners starrte, der es nun eindeutig auf ihn abgesehen hatte. Wendigkeit, wiederholte er eine seiner wenigen Vorteile gegenüber Flint gedanklich, während der Schrank näherkam und duckte sich im nächsten Moment auch schon geschickt unter dem ersten Schlag hindurch. Angriff brachte noch nichts; sie mussten auf Zeit setzen. Viel Masse brauchte auch viel Energie, um in Bewegung gesetzt zu werden. Was in seinem Kopf allerdings wie ein guter Plan klang, scheiterte zwei Schläge später bereits in der Durchführung, als er sich einen Moment zu spät in Deckung bringen wollte. Auf den Schlag folgte ein gezielter Tritt, der ihn rücklings gegen die halbhohe Reling beförderte ihm für einen Moment die Luft aus den Lungen drückte. Flint feierte sich, lachte blechern und trat mit langsamen Schritten auf ihn zu. Liam biss die Zähne zusammen und kämpfte sich wieder in eine aufrechte Haltung. Mit dem Rücken zur Wand war keine gute Lage für ihn. Das wurde ihm spätestens bewusst, als sein Versuch, sich vom Holz in seinem Rücken abzustoßen, an einem festen Griff von hinten scheiterte. Er hielt die Luft an, warf einen Blick über die Schulter und erkannte einen seiner Handlanger, der ihn mit einem schadenfrohen Schmunzeln auf den Lippen festhielt, während Gorilla-Flint mit schweren Schritten näher kam.