07.09.2020, 11:52
James erhob seine Stimme ehe Josiah es geschafft hatte, sich tatsächlich eine Geschichte im Kopf zurecht zu legen. Im
ersten Moment war er froh, dass James überhaupt verstanden hatte, dass Josiah irgendetwas im Schilde führte. Doch dieses Gefühl überdauerte kaum die paar Sekunden, in denen das zögernde Schweigen über ihnen lag. Denn dann landete James Hand auf seiner Schulter und stellte jede von Josiahs Ausreden in den Schatten.
Josiah wäre bei der plötzlichen Berührung fast erschrocken zusammengezuckt. Sie kam so unvermittelt, so ohne jede Vorwarnung, dass sein Instinkt ihn für einen Moment fast so weit hatte, dass er nach der Waffe an seinem Gürtel gegriffen hätte.
Aber nur fast: kaum war der erste Überraschungsmoment verstrichen und James Worte weiter erklungen, hatte er die neue Situation begriffen und als James ihm auch noch über die Wange fuhr, schaffte er es auch schon wieder, dass für den Bruchteil einer Sekunde eingefrorene Lächeln zu einer vielleicht etwas dümmlichen Grimasse zu verziehen. Ein sehr wachsamer Beobachter, der wusste, worauf er achten sollte, hätte die Zuckungen in Fingern und Augenwinkeln wohl gesehen und richtig gedeutet, aber an den Soldaten vor ihnen schienen sie vorbei zu gehen. Mit der einstudierten Leichtigkeit nahm Josiah an sein Schauspiel wieder auf, die wenn auch gänzlich neue Richtung mit Leichtigkeit übernehmend.
Er achtete darauf, das dümmliche Grinsen nicht allzu lange aufrecht zu erhalten, ehe er wieder etwas Beschämung an die Oberfläche klettern ließ, indem er seinen Blick in Richtung Boden lenkte, an seinem Hemd zupfte und schließlich als James geendet hatte - er musste zugeben, so unkonventionell James Aktion auch war, sie versprach, außerordentlich effektiv zu sein – dann doch aufzusehen und dem Soldaten ein einladendes Lächeln zu schenken:
„Das wäre eine wundervolle Idee!“
James Aktion versprach nicht nur Erfolg, sie erfüllte das Versprechen auch. Rote Flecken breiteten sich auf dem Gesicht des Soldaten aus und wenn Josiah sich nicht irrte, fingen sogar seine Ohren an, eine dunklere Farbe anzunehmen, während er unmerklich in seiner Rüstung zusammensank und die Sachlage schlagartig auch für ihn klar war. Josiah entspannte sich unmittelbar und versuchte dies nur halbherzig hinter enttäuscht aufeinander gepressten Lippen zu verbergen. Dem Soldaten wäre es wahrscheinlich ohnehin nicht aufgefallen: auch der Rest der Gruppe war plötzlich entweder seltsam peinlich betreten, sichtlich verwirrt oder fast schon angeekelt. Dass es den Blick des Soldaten trotz allem zum Geldbeutel am Gürtel von James hing, bekam dank der neuen Situation eine komplett neue Interpretationsmöglichkeit und Josiah stellte gedanklich die Frage in den Raum, ob sie sich sicher waren, während James das Geld herauszog und den Soldaten auszahlte.
Dann war die Hand wieder auf seinen Rücken, und Josiah erwiderte die Geste nach einen kurzen, schweifenden Blick auf die Soldaten, in der Hoffnung, dass die Soldaten die Geste passend deuteten. Selten klang ein ‚Gehen wir‘ so einladend.
„Ich bin froh, dass wir das so klären konnten.“
ein letztes mal lächelte er den Soldaten zu, dann wandte er sich an James:
„Ich fühle genau so. Einen schönen Tag noch.“,
Damit stapfte er los, James keine Möglichkeit zu geben, zu protestieren. Mit Genugtuung stellte er fest, wie der letzte von ihnen zur Seite wich, als er sie beide an den Soldaten vorbeisteuerte.
Jetzt schuldete er James definitiv ein Bier.
Die nächste Seitengasse war zum Glück keinen Steinwurf entfernt. Trotzdem brauchte Josiah mehr Selbstkontrolle als ihm lieb war, auf die letzten Meter nicht schneller zu werden, bis sie endlich vom Schatten der Hauswand erfasst wurden. Noch ein letzter, prüfender Blick über die Schulter – nur zwei kleine Kinder starrten sie neugierig aus einem Hauseingang heraus
an – dann ließ er James los, nur um sich gegen die Hauswand fallen zu lassen, seine Haltung, die er mehr unbewusst verstellt hatte, wieder zu der seinen werden lassend.
„Das…“
Josiah schüttelte kurz seinen Kopf, während die letzten Minuten noch einmal vor seinen inneren Auge vorbei strichen,
„war nicht so ganz das, womit ich gerechnet habe, aber keine dumme Idee. Zwar unkonventionell, aber nicht dumm.“
Er schüttelte erneut den Kopf, grinsend. Auch wenn das Gehabe nur wenige Minuten angehalten hatte tat es doch gut, endlich wieder alleine dazustehen. Und frei zu sein, verstand sich. Sein Blick glitt die Gasse entlang.
„Eine merkwürdige Begegnung. Und Shanaya ist jetzt eh erstmal weg. Wir sollten uns hier vielleicht auch nicht allzu lange aufhalten.“
Wer wusste, ob die Soldaten nicht doch wieder auftauchen würden. Insgesamt war das erstmal genug Aufmerksamkeit und Bühnenshow für heute gewesen. Josiah blickte wieder zurück zu James, halb aus Pflichtgefühl, halb aus einer Laune heraus:
"Ich schuld dir nen Bier. Rein kameradschaftlich, versteht sich."
{Straße | James}