31.08.2020, 18:15
Die Tatsache, dass James ebenso überrascht wirkte wie er selber und nicht plötzlich mit irgendeinem Geständnis ankam, ließen Josiah ruhiger werden. Es war natürlich keine Garantie, aber wenn er doch etwas verheimlichte, verplauderte er sich wenigstens noch nicht.
Josiah bezweifelte, dass man ihn dann hätte ziehen lassen. Dass sie beide unschuldig im Sinne der Anklage waren, ließ ihn aber weiterhin verwirrt dastehen.
Doch zu viel Überlegungen über das Warum und Weshalb war ohnehin nicht viel Zeit.
Der Soldat vor ihn sah ihn böse an, doch anders als James fing er sich zum Glück keinen Stich mit der Waffe ein, als er die Arme runter nahm. Der Blick des Soldaten lag dennoch ungeduldig auf ihn, darauf wartend, dass er es James gleich tat und den Dolch her gab.
Josiah hegte den Verdacht, dass jetzt nicht der passende Zeitpunkt war, um den Soldaten zu erklären, dass dies hier tatsächlich nicht sein Dolch war und dass seine Besitzerin es ihm sehr übel nehmen würde, wenn sie den Dolch nicht zurück bekam.
Sein Gedankengang wurde von James Tippen gegen etwas an seinem Gürtel unterbrochen. 'Oder wir können uns alle einigen, dass das hier ein gribes Missverständnis war und wir gehen alle unsere Wege.'
Dieser James wurde ihm immer sympathischer.
Die Gesichter der Männer hellten sich für einen kurzen Moment auf: James Wink schien einen wunden Punkt getroffen zu haben. In den Augen des Sprechers funkelte es. Und auch der Mann vor ihm hatte das Schwert etwas sinken lassen. Nicht viel - und es konnte auch von Müdigkeit oder Erschöpfung sein - aber wenigstens etwas.
Er würde James ein Bier ausgeben, wenn sie hier weg gekommen waren.
In dem Gesicht des Sprechers spiegelten sich kurz seine Hin- und Hergerissenheit und Josiah beobachte amüsiert, wie er die Nase rümpfte und sein Blick trotzdem immer mal wieder zu James Gürtel glitt.
James hatte definitiv ins Schwarze getroffen.
Aber als der Sprecher schließlich endlich antwortete, war Josiah fast enttäuscht.
"Wir müssen euch mit zur Station nehmen und überprüfen.", die Antwort kam trotz allem deutlich und klar. Der Mann hatte die Schultern gestrafft und seinen bohrenden Blick ruckartig wieder auf ihre Gesichter gerichtet. Nur das leichte Zucken im Mundwinkel verriet, dass er nicht ganz so überzeugt war wie er sich gab. Oder wenigstens vor hatte, sie jetzt noch nicht laufen zu lassen.
Josiah fluchte innerlich auf. Es war so deutlich gewesen, dass der Mann dem Geld nicht abgeneigt war. Was wollte er denn jetzt wen beweisen? Dass die Welt ein besserer Ort war?!
"Aber meine Herren...", setzte er an und zauberte sein ehrlichstes Lächeln auf sein Gesicht "All diese Umstände und Mühe, das wollen wir euch doch nicht aufbürgen."
Kurz fragte er sich, ob es jetzt einfacher wäre, eine Frau zu sein und dem Kerl ein Kompliment zu machen. Shanaya wäre damit bestimmt durchgekommen, dieser Esel. Aber es gab ja noch andere Taktiken. Josiah ließ sein Lächeln etwas schiefer werden.
"Ihr müsst verstehen, ich und mein Freund hier, wir..."
Ja, was 'wir'?
Josiahs Gedanken sprangen von einer Idee zur anderen. Er musste auf jeden Fall verhindern, dass man ihn mit irgendwelchen Gesuchtenaushängen abglich. Egal woran es lag - ob an den Schaulustigen oder ein spontan wiedergefundes Wertegefühl - sie brauchten nur etwas mehr Überzeugen. Wäre Josiah allein gewesen. hätte er auf eine peinliche Geschichte zurück gegriffen. Jetzt war aber James dabei und Josiah konnte nicht sagen, wie der andere reagieren würde. Dabei war eine richtige Reaktion ausschlaggebend. Kurz zögerte er noch, dann verlagerte er doch sein Gewicht , ganz so als würde er nervös werdeny von einem Fuß auf den anderen, ehe er sein Lächeln fast ersterben ließ und sich stattdessen leicht auf die Unterlippe biss. Nur ganz kurz, dann war da wieder das Lächeln. Nur diesmal nicht ganz so offen und fröhlich.
"Es ist uns etwas unangenehm, aber wir wären ihnen wirklich zu dank verpflichtet wenn das hier schneller geklärt werden könnte.", setzte er schließlich, sich vorerst jede Option offen haltend und theatralisch den Blick ausweichend, als wäre es ihm unangenehm.
Der Sprecher zog für den Bruchteil einer Sekunde die Augenbraue hoch. Überraschung, gut.
Josiah warf James einen fragenden, wenn nicht sogar hilfesuchenden Blick zu, in der Hoffnung, dass der andere sein Spiel erkannte und nicht gleich aus allen Wolken fiel. Im Grunde mussten sie den Kerl jetzt nur noch davon überzeugen, dass man sie laufen lassen konnte. Josiah fiel dabei grundlegende gerne auf unangenehme Lügen zurück. Unangenehm in dem Sinne, dass Menschen, denen so etwas tatsächlich passierte, sie lieber nicht erzählen würden. Wie viele Geschichten von peinlichen Treffen mit Frauen, wütenden und aggressiven Ehefrauen, verlorenen Wetten oder angebliche Panik vor Hunden hatten ihn schon den Kragen gerettet? Allerdings hatte er sich in so manchen Gegenden unter den Wachleuten und bestimmten Personengruppen auch einen solchen Ruf erarbeitet. Er wusste, dass seine Ausstrahlung nicht gerade die eines Dummkopfes war und er achtsam sein musste, wie er seine Geschichte vortrag, und welche.
Und jetzt war da auch noch James, der auf keinen Fall aus den Wolken fallen durfte wenn Josiah anfing, irgendetwas irrsinniges zu erzählen.
Sein Blick glitt wieder in die Richtung der Soldaten und als er den Blick des Hauptsprechers auffing, versuchte er ihn immer gerade so lange zu halten, dass der andere das Gefühl haben musste, er würde sich etwas ihm unangenehmes nicht allzu sehr ansehen lassen wollen.
"Deswegen... gibt es keine einfachere Möglichkeit?"
Die Neugierde war den Soldaten ins Gesicht. Einigen wenigstens.
[auf der Straße | James]