22.08.2020, 02:59
Trevor zog seinen Arm reflexartig außer Reichweite, lachte aber sofort auf, als er das erschrockene Gesicht des Bettlers sah. Mal ganz abgesehen davon, dass der alte Mann sicher eh nicht stark genug wäre, um ihn aufzuhalten – sie waren doch Freunde! Okay, er war ein Informant und Trevor ein zukünftiger Einbrecher, aber das war ja quasi dasselbe, schließlich musste man sich da ebenfalls vertrauen und so, er konnte sie ja genauso gut ans Messer liefern. Apropos, sollte sich nicht der Informant ausweisen statt andersherum?
Zum Glück kreuzten in diesem Moment Lucien und Zairym auf und bewahrten sie alle davor, weiter Zeit mit Formalitäten zu verplempern. Luciens Schulterklopfer zerstörte wohl auch endgültig Cealls Fassade vom unbarmherzigem Edelmann.
„Weltbeste Freunde“, bestätigte Trevor und lächelte sein aufrichtigstes Lächeln.
Dann fixierte er das Haus und verstummte tatsächlich für einige Minuten, völlig konzentriert auf die Worte des Informanten. Eingänge, Bedienstete – die paar! Da hatte er ja alleine schon gegen mehr gekämpft – feine Damen, Schlafzimmer, Frühstück, hey, hatte er eigentlich schon gefrühstückt, ach ja, dieses extrem klebrige Gebäcksding, wie hieß das noch, aber er könnte definitiv noch etwas ess–
„Was, hey!“
Trevor drehte sich überrascht nach dem Bettler um, der sich vom Boden aufgehievt hatte und nun davonstiefelte, oder davongestiefelt wäre, hätte man das an seinen Füßen sicher als Stiefel identifizieren können. Jedenfalls hatte ihr neuer weltbester Freund wohl beschlossen, dass er lieber seine eigene Teeparty veranstaltete. Tss. Trevor zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder den anderen zu. Zairym und Ceall diskutierten über Frauenkleider, oder genauer genommen eine Frauenverkleidung, was noch viel besser war! Leider hatte keiner von beiden einen Kleid dabei, und Trevor auch nicht. Mensch, gerade heute!
Dann also etwas anderes. Trevor setzte seinen Detektivblick auf und musterte das Haus eingehend. Gut. Wenn sie schon nicht durch die Vordertür gehen konnten, wie zivilisierte Leute, dann könnten sie immer noch … über den Balkon klettern! Wie waschechte Einbrecher eben. Dann mussten sie nicht durch das ganze Haus durch und sie hatten den Überraschungsmoment auf ihrer Seite, wenn sie geradewegs beim Hausherren durchs Fenster purzelten! Außerdem, mal ehrlich, wozu gab es den Balkon denn sonst? Der Ausblick auf das Haus auf der anderen Straßenseite konnte wohl kaum so atemberaubend sein. Und so hoch war der auch gar nicht, wenn man sich da festhielt und sich dann dort entlanghangelte und dann – hey, was war das? Ein Gesicht? Lucien neben ihm fing an, seinen eigenen Plan zu improvisieren, aber Trevor hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Da lugte doch tatsächlich ein Kind zwischen den Vorhängen hervor! Wenn es ein Kind gab, gab es auch eine Mutter und potenzielle Ehefrau und das waren schon mal zwei Personen, die der weltbeste Informant übersehen hatte.
Er war gerade dabei, dem Kind Grimassen zu schneiden, als Rym ihren jungen Beobachter ebenfalls entdeckte. Trevor zuckte bestimmt nicht zusammen und er wandte sich auch sicherlich nicht ertappt ab, aber selbstverständlich hörte er Lucien danach vorbildlich zu.
Das war gut, denn Lucien redete gerade über ihn. Trevors Miene hellte sich schlagartig wieder auf.
„Genau, davon rede ich doch die ganze Zeit!“
Ihr Informant hatte die Idee zwar nicht so prickelnd gefunden, aber was wusste der schon? Schnell, bevor irgendwer auf die Idee kommen konnte, noch weiter darüber zu diskutieren, nickte er geschäftig.
„Toller Plan! Machen wir so!“ Und: „Sehr guter Punkt, Rym!“
Im nächsten Moment hielt er schon auf das Tor zu. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie die anderen verschwanden, während er seine Weste glatt strich und die zusammengefalteten Steckbriefe in der Tasche so zurechtschob, dass sie nicht hervorlugten. Seine Finger kribbelten. Als die Luft rein war, schlüpfte er durch das Tor – bedauerlicherweise belohnte ihn kein dramatisches Quietschen – und schritt die Auffahrt hinauf.
An der Tür musste er einen Moment suchen, bevor er die gusseiserne Fratze mit dem Ring im Maul als Anklopfding identifizierte. Schick! Vielleicht konnte er das später auch mitgehen lassen, es sah zwar ziemlich schwer aus und wenn er sich das richtig überlegte, besaß er gar keine Tür, an die jemand hätte anklopfen müssen, aber was nicht war konnte ja noch werden. Trevor räusperte sich, rüttelte an dem Anklopfding und verschränkte während des Wartens die Hände hinter dem Rücken, wie Ceall es kurz zuvor getan hatte.
Ein alter Mann, perdon, älterer Herr öffnete ihm. Er war fast gänzlich in schwarz gekleidet, hatte dünnes, helles Haar und einen Blick, der eindeutig sagt, dass er sich nicht über Kekse verkaufende Kinder freuen würde. (Trevor verwarf die Idee wieder.)
„Guten Morgen!“, strahlte Trevor, schon mit einem Bein über der Türschwelle, „bist du der Butler?“
[erst bei Ceall, Zairym, Lucien (und Aik), später alleine an der Haustür]