18.08.2020, 23:38
Statt einer Antwort nahm ihm der Ältere den Brief wortlos ab, entfaltete das Papier und richtete den Blick aus so verwirrend unterschiedlichen Augen auf die schwungvoll geschriebenen Worte. Lucien interpretierte das kurzerhand als ein 'Ja' und legte die Unterarme in wartender Haltung auf seine Knie, bis Greo im Schnelldurchgang die wichtigsten Eckpunkte vorlas.
Auf die Lippen des jungen Captain schlich sich während dessen ein belustigtes Schmunzeln, doch er hatte den Blick auf die Planken zu seinen Füßen gesenkt und hörte aufmerksam zu. Ein Stützpunkt in der Vierten Welt. Schön und gut, ziemlich weit weg. Weiter, als sein begrenzter Horizont reichte, der gerade erst über die Insel hinaus wuchs, die mal so etwas wie seine Heimat gewesen war. Er wusste mal eben genug über die Erste Welt, um sich über die 'bla-bla-übertriebene-Selbstüberschätzung' der Königlichen Handelsflotte amüsieren zu können.
Allerdings hatte er auch genug von seinem Vater gelernt, um zu wissen, warum man ein Schiff umbenannte und es unter neuem Namen zurück in die Heimat schickte. Und genau in diesem Moment hob der Dunkelhaarige den Blick wieder, zog eine Braue in die Höhe und sah Greo mit leiser Verblüffung an.
Dass dem der Ort 'Corroboree' augenscheinlich etwas sagte, drang im ersten Moment nicht wirklich zu Lucien durch. Wohl aber die Tatsache, dass die Handelskompanie offensichtlich Schmugglerschiffe unterhielt, die bis in die Vierte Welt fuhren. Warum? Was gab es da, dass man es schmuggeln musste?
Dann fiel ihrer beider Blicke auf den zweiten Bogen Papier, den Greo ebenfalls überflog und bei einigen ungewöhnlichen Einträgen stutzte.
„Das sind Sklaven“, stellte Lucien überrascht fest. „Ich hab' davon gehört, dass man nur Geschlechter aufzählt, damit man die Frachtlisten nicht als Beweise auslegen kann. Sklavenhandel ist in der Ersten Welt verboten...“
Ein klein wenig dämmerte ihm die mögliche Tragweite dessen, was sie hier gefunden hatten. Allerdings wusste er beim besten Willen nicht, was er mit dieser Information anstellen sollte. Sein Vater hatte alle möglichen Waren geschmuggelt, sofern es ihm genug Geld eingebracht hatte. Aber nicht mit Sklaven. Der Handel mit Menschen war schlicht... widerwärtig. Selbst Kalem besaß genug Anstand, um davon die Finger zu lassen.
„Corroboree...“, setzte Lucien schließlich hinzu und sah wieder zu Greo auf. „Sagt dir das was?“