15.08.2020, 09:34
Shanaya konnte sie schon ganz genau hören. All diese ‚Wir haben es dir gesagt!‘ Vorwürfe. Diese nervtötenden Stimmen, die ihr klar machen wollten, dass sie besser im Bordell geblieben wäre. Wäre dieses verdammte Maultier nicht gewesen… damit war ihr Plan dahin. Nur wegen diesem ollen Hufvieh. Shanaya schnaufte über diese Gedanken, versuchte sich mehr darauf zu konzentrieren, die Wunde zu versorgen. Bis ein Schatten über ihr auftauchte – und ihr das wegnahm, was sie für diese Wunde brauchte. Josiah hockte bei ihr, nahm ihr den Dolch, das Nadeldöschen und das Holz, um das der Faden gewickelt war, einfach weg. Seine zwei Worte drangen zu ihr durch, die Verwirrung über sein Handeln ließen sie jedoch für einen Moment erstarren. Er… er hatte wirklich… Die Schwarzhaarige biss die Zähne leicht aufeinander, während Josiah sich an den Mann wandte und ihn fort schickte. Hatte er jetzt einen größeren Schock als sie? Konnte er nicht einmal mehr ganze Sätze sprechen? Verachtend stieß die junge Frau erneut ein Seufzen aus, erwiderte den Blick des Mannes dann mit einer Kühle, die ihm mehr als deutlich machen würde, was sie davon hielt, wie er sich aufführte. Ihr lag so unendlich viel auf der Zunge – unter anderem ein Haufen Beleidigungen – aber die Schwarzhaarige riss sich zusammen. Allerdings auch nur, weil Josiah in der besseren Position war. Sie hätte sich nach vorn werfen können, um sich ihre Sachen zurück zu holen… allerdings wäre er vermutlich aufgestanden, bevor sie sich überhaupt in Position gebracht hätte. Vielleicht sollte sie ihm bei Zeiten mit einer ihrer Nadeln ein Auge ausstechen. Rache war doch etwas Wunderbares.
Nur kurz folgten die kühlen, blauen Augen dem Winken des Mannes. Irgendjemand mit ein paar Tüchern. War das jetzt wirklich sein Ernst?
„Wenn du glaubst, ich lasse noch einmal irgendeinen Stümper an meine Verletzung, hast du dich geschnitten.“
In einem anderen Moment hätte sie über ihren kleinen Witz vielleicht geschmunzelt, jetzt galt dem Mann nur ein vielsagender Blick. Konnte er nicht einfach verschwinden und sie machen lassen? Wenn sie ihm ein Auge ausgestochen hatte, sollte sie das Maultier über ihn drüber laufen lassen. Immer wieder.
Ihr Herz schlug noch immer, getrieben von der Blutung, die noch nicht gestillt war. Etwas umständlich versuchte die junge Frau, das Tuch von ihrer Hüfte los zu binden, während die zweite noch immer auf die Wunde drückte. Wieder würde ihr Tuch Blut abbekommen. Das Tuch in einer Hand ließ ihre andere die Wunde los, so schnell es ihr möglich war, band sie den roten Stoff um ihr Bein, verknotete es über der Wunde, so fest es möglich war.
„Wenn du mir einfach meine Sachen wieder gibst, ist das hier schnell hinter uns gebracht.“
Wie bei ihren vorherigen Worten schwang eine gewisse Kühle in ihrer Stimme mit. Der Typ, der sich bei ihr entschuldigt hatte, hatte inzwischen etwas Abstand eingenommen – wirkte jedoch mehr als verwirrt und überfordert.
Und noch bevor sie irgendwie weiter handeln konnte, war da eine fremde Stimme. Ohne, dass der kühle Ausdruck aus den blauen Augen wich, hob Shanaya kurz den Blick. Ein dunkelhaariger Kerl, der sich als James vorstellte. James, der anscheinend auch besser darüber Bescheid wusste, was gut für sie war. Wie… jeder andere auch. Sie schnaufte, warf dem Fremden noch einen Blick zu, ehe sie sich wieder an Josiah wandte.
„Da, Josiah. Pack dir den Kerl, geh zurück zum Bordell und lass mich und meine Sachen einfach hier. Ist für uns beide besser.“
IMmerhin wäre sie dann beide direkt los.
[Auf einer Straße | Josiah & James]