27.07.2020, 15:26
„Das ist definitiv nicht die Art ‚wilde Nacht‘, an die ich mich erinnern will.“, entgegnete Liam ohne auch nur ein Anzeichen auf den Zügen, dass ihm etwas bestimmtes durch den Kopf ging.
Er nickte schwach. Nicht, weil es einen bestimmten Grund gab, sondern als Zeichen, dass er gehört hatte, dass sie etwas gesagt hatte. Doch just in diesem Moment hatte sich sein Geist abermals dazu entschlossen, einem Strudel Konkurrenz zu machen. Das schwache Schaukeln der Sphinx kam ihm übertrieben vor und zwang ihn jäh wieder dazu, all das, was er bei diesem vermaledeiten Fest zu sich genommen hatte, bei sich zu behalten. Er schloss die Augen, beugte sich nach vorne und versuchte sich statt auf das Wiegen des Meeres und die stechenden Schmerzen in seinem Oberarm auf Skadis Hand in seinen Haaren zu konzentrieren – mit mäßigem Erfolg. Als sie sich erhob, öffnete er die Augen einen Spalt breit und sah ihr für einen Sekundenbruchteil nach, bis er seinem Verstand wieder die Dunkelheit gönnte, nach der er verlangte.
Wo auch immer er gewesen war und wie lange Skadi gebraucht hatte – Liam hätte es nicht sagen können. Er zuckte zusammen, als ihre Stimme in seiner unmittelbaren Nähe ertönte und musterte das, was sie ihm vor die Nase hielt einen trägen Augenblick, ehe er den Gürtel über sein Bein legte und schließlich nach dem Fläschchen griff. Sie hätte ihm alles in die Hand drücken können. Er hätte es nicht hinterfragt. Zu groß war die Hoffnung, dass es all den Schmerzen endlich ein Ende bereiten würde. An Ermangelung einer weiteren Hand zog er den Korken mit den Zähnen, ließ ihn zu Boden fallen und machte nicht den Fehler, zuerst an der Tinktur zu riechen, bevor er das Fläschchen an die Lippen setze. Es war nicht einmal ein ganzer Schluck nötig, um ihn dank des scharfen, starken Geschmacks zum Husten zu bringen. Der Lockenkopf erschauderte und beugte sich angestrengt über den Kübel.
„Ich fürchte, dafür ist man nie bereit.“, gab er der Nordskov seine Zustimmung und zwang sich demonstrativ den Rest des Fläschchens hinunter.
Er wollte nicht hinsehen. Ihm lag ein weiteres ‚Danke‘ auf den Lippen, weil er sich nicht daran erinnerte, ob er ihr bereits für ihre Mühen gedankt hatte, doch Liam blieb stumm. Er hatte die Augen bereits in grausamer Erwartung zusammengekniffen, den Gürtel einfach um sein linkes Handgelenk gewickelt und die trügerische Hoffnung, ihn nicht zu brauchen. Jetzt noch, weil Skadi noch nicht angefangen hatte, in der Wunde herumzustochern.